Waffen töten keinen Hass

Israels Kriegskurs folgt der radikalen Logik seiner Eliten. Er wird sich als Irrweg erweisen.

Von Eidos Import

1992 töteten israelische Raketen den damaligen Hisbollah-Chef Abbas al-Musawi. Danach wurde dessen Organisation so stark und aggressiv wie nie zuvor. 2004 töteten israelische Raketen den Hamas-Führer Ahmad Scheich Yasin. Erst danach entwickelte sich die Hamas zu einer ernsten Bedrohung für Israels Sicherheit. Bis 2023. Seitdem haben israelische Bomben den aktuellen Hamas-Chef Ismail Hanija getötet, am Wochenende den aktuellen Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah.

Das Töten feindlicher Anführer ist ein großer Erfolg der israelischen Sicherheitskräfte, er bringt militärische Vorteile und eine Atempause im Bedrohungsszenario für den jüdischen Staat. Dieses Mal könnte Israels Atempause länger dauern, denn es hat besonders viele Feinde getötet. Aber es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass dieses Land seinen Weg zu Ruhe und Sicherheit mit Bomben ebnet.

Wie jeder Staat hat Israel das Recht, sich zu verteidigen. Und angesichts der massiven Bedrohungen durch Terroristen und feindliche Staaten werden Israel Maßnahmen zugestanden, die am Rande der völkerrechtlichen Grauzone verortet sind. Gegen die Hamas und gegen die Hisbollah muss es sich verteidigen. Aber militärische Härte wird irgendwann zu politischer Unvernunft.

Spätestens mit der Tötung von Hassan Nasrallah hat sich Israel festgelegt, sein Heil in der absoluten militärischen Dominanz zu suchen. Es will Frieden, aber nur unter seinen Bedingungen. Es gibt in der Geschichte viele Beispiele dafür, dass diese Art von Diktatfrieden keinen Bestand hat. Außerdem hat Israel damit seine wichtigsten Verbündeten düpiert und international das Lager seiner Feinde und Gegner neu zusammengeschweißt. Es ist Israel offensichtlich mittlerweile weitgehend egal, ob und wie der Iran und seine Verbündeten reagieren. Es fühlt sich, gestärkt durch die eigenen militärischen Erfahrungen der letzten zwölf Monate und dem Schutzschild der internationalen Gemeinschaft, so überlegen, das es einen Alleingang wagt. Während der Iran und die Hisbollah bisher die roten Linien in diesem grausamen Spiel akzeptierten, hat Israel jetzt alle überschritten. Kein Palästinenser kann sich auf absehbare Zeit an einen Verhandlungstisch mit den Israelis setzen.

Israels Gesellschaft hat längst den Glauben an Frieden verloren. Und die Eliten versuchen nach Kräften, diese Haltung zu verstärken. Denn damit sichern sie ihre Macht. Seit Jahrzehnten gibt es keine ernsthafte Friedensinitiative, der Kurs israelischer Regierungen wird konservativer und radikaler. Der Überfall der Hamas 2023 hat dieses historische und politische Trauma eines ewig verfolgten und nie zur Ruhe kommenden Volkes potenziert. Die Menschen wollen Premierminister Benjamin Netanjahu und seinen rechtsradikalen Koalitionspartnern glauben, die sagen: Nur die absolute Stärke bietet Sicherheit – nur wenn wir alle unsere Feinde töten, alle Nicht-Juden beherrschen oder vertrieben haben, werden wir Ruhe haben.

Doch Waffen können Hass nicht vernichten, sie fördern ihn. Armeen können keine Terrororganisationen vernichten, sie können sie nur immer wieder kleiner machen und ihnen danach beim Wiedererstarken zusehen, wenn der Nährboden für den Hass weiter besteht. So war es nach 9/11, als die USA, gepeinigt vom Terror, zurückschlugen, militärisch siegten, um danach außenpolitisch ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren und innenpolitisch in eine Krise zu geraten, die bis heute anhält. So wird es auch Israel ergehen, früher oder später, wenn es seinen Weg beibehält. Die Zeichen an der Wand sind schon deutlich zu erkennen. Gegen Terror hilft am Ende nur Gerechtigkeit und Frieden.

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Erstellt:
30. September 2024, 22:05 Uhr
Aktualisiert:
1. Oktober 2024, 21:58 Uhr

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