Wegen Graffitisprühens verurteilt
20-jähriger arbeitsloser Backnanger erhält vom Jugendschöffengericht Waiblingen zehn Monate Jugendstrafe auf Bewährung

© Romolo Tavani
Hans-Christoph Werner
WAIBLINGEN. Alles musste dem 20-jährigen Backnanger nur allzu bekannt sein. Anklageschrift, Aussagen zur Sache, Zeugenvernehmung. Im November letzten Jahres war er zuletzt hier. Während es damals um einen entwendeten Kaugummiautomaten, das Verprügeln eines Taxifahrers, die Entwendung eines Motorrollers und wiederholtes Schwarzfahren (wir berichteten) ging, ist es jetzt nur ein Anklagepunkt: Sachbeschädigung. An einem Septembersamstag des letzten Jahres hatte er die Idee. Am frühen Nachmittag geht er los und kauft sich in einem Backnanger Drogeriemarkt eine Sprühdose. Die Hauswand des Drogeriemarktes ist gleich als Erstes dran und er besprüht sie mit Smileys. Unzählige Leute sind in der Innenstadt unterwegs. Ein 38-Jähriger beobachtet den Graffitikünstler und wird später auch die Polizei rufen. Ein Mülleimer, ein Verteilerkasten, die Betonwand einer Fußgängerunterführung – alles wird verziert. Die Polizei setzt der Künstlertätigkeit ein Ende. Auf ungefähr 3000 Euro schätzen die Eigentümer der verzierten Häuser und Gegenstände den Schaden.
Mehr für den Täter als die Tat interessiert sich das Schöffengericht. So bittet der Richter den Angeklagten, seinen Werdegang zu erzählen. Dieser hat eine Bewerbungsmappe mitgebracht und liest daraus vor. Er hat den Hauptschulabschluss gemacht. Dann verschiedene Praktika, ein freiwilliges soziales Jahr. Mittlerweile ist eine Bewerbung um eine Ausbildungsstelle als Einzelhandelskaufmann unterwegs. Wenn der Richter etwas fragt, was nicht in der Bewerbungsmappe steht, fällt dem Angeklagten die Antwort schwer. Wie es denn mit seinem Drogenkonsum bestellt sei, will der Richter wissen. Gelegentlich rauche er Marihuana. Wie oft denn dieses „gelegentlich“ wäre, hakt der Richter nach. Ungefähre Zahlenangaben folgen. Der Richter lässt nicht locker. Die Wochenenden seien es immer und dann vor allem bei Stress. Auch anderes wie Amphetamine, Ecstasy und LSD habe er ausprobiert. Seine Verteidigerin entlockt ihm, dass er Schulden von 3000 bis 4000 Euro habe. Die Bewährungshelferin des Angeklagten wird gehört. Die Gesprächstermine hat er eingehalten. Auch bei der Drogenberatung ist er gewesen. Und er hat sich erste Gedanken zur Schadenswiedergutmachung gemacht. Andererseits wohnt er noch immer bei Mutter und Stiefvater. Das gibt ihm wohl Rückhalt, entnimmt ihn in anderen Bereichen aber der Verantwortung. Seit Oktober letzten Jahres ist der junge Mann ohne Arbeit. Große Bemühungen, das abzustellen, hat er nicht unternommen. Infolge des Novemberurteils 2018 hat er 14 Tage Jugendarrest verbüßt.
Die Staatsanwältin plädiert für die Anwendung des Jugendstrafrechts. Das Novemberurteil muss einbezogen werden. Um die positive Prognose, die sie für den Angeklagten hat, zu unterstützen, sollten verschiedene Auflagen die Verhängung von zehn Monaten Jugendstrafe auf Bewährung begleiten. Die Verteidigerin hebt hervor, dass sich ihr Klient um Schadenswiedergutmachung durch geleistete Arbeitsstunden bemühe. Nach Beratung urteilt das Schöffengericht: Die acht Monate Jugendstrafe vom November werden auf zehn Monate aufgestockt. Auf Bewährung. Mit insgesamt 100 Arbeitsstunden hat er Schadenswiedergutmachung zu leisten. Drogenberatungstermine sind wahrzunehmen, mindestens 20 Bewerbungen hat der Verurteilte zu verfassen. Weiter führt der Richter aus: Weil alle Geschädigten die Smileys nicht als Verschönerung empfanden, sondern Strafantrag wegen Sachbeschädigung stellten, möge der junge Mann mit ihnen in Kontakt treten. Die genaue Schadenshöhe wäre zu erfragen und eine Ratenzahlung zur Wiedergutmachung anzubieten. Eine anspruchsvolle Aufgabe für den jungen Mann, mit der er sich weiter bewähren kann.