Freispruch im Prozess um Massenschlägerei in Backnang
In einem Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung bei der Massenschlägerei am Plattenwald kann der Angeklagte auf dem Beweisvideo nicht identifiziert werden
Von Carolin Aichholz
Backnang. Die zahlreichen Prozesse zur Massenschlägerei im Plattenwald gehen in eine neue Runde. Gestern wurde beim Backnanger Amtsgericht eine gefährliche Körperverletzung verhandelt. Bei der Schlägerei auf dem Waldspielplatz gingen im Mai des vergangenen Jahres zwei unterschiedliche Gruppen aufeinander los. „Dieses Verfahren ist wie eine Wundertüte“, sagte der Richter bei der Bekanntgabe des Urteils.
In diesem konkreten Fall wurde dem Beschuldigten zur Last gelegt, am besagten Tag mit einem Stock auf den Geschädigten losgegangen zu sein. Dieser trug mehrere Prellungen und Hämatome am linken Arm sowie eine Verletzung des Brustkorbs davon. Der vom Täter dazu genutzte Stock wird als ein „gefährliches Werkzeug“ angesehen, weswegen sogar gefährliche Körperverletzung verhandelt wird.
Der Mandant sei nicht der Angreifer gewesen
Der Angeklagte war mit seinem Verteidiger zum Prozess erschienen und wurde vom prozessführenden Richter belehrt, dass er sich nicht selbst belasten muss und die Aussage jederzeit verweigern kann. „Die erhobenen Vorwürfe sind unzutreffend“, so der Rechtsanwalt. Sein Mandant sei nicht der Mann gewesen, der auf den Geschädigten losgegangen war. Vielmehr sei der Angeklagte zwar anwesend, nicht aber an der Schlägerei beteiligt gewesen, gab der Rechtsanwalt weiter an. Das sei aus einem vorliegenden Video der Schlägerei ersichtlich, denn der Angeklagte trage darauf eine andere Kleidung als der Täter.
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Das genannte Video war maßgeblich bei der Beweisaufnahme. Eine Zeugin hatte es am Spielplatz aufgenommen. Es wurde vor Gericht mehrmals, auch mit verlangsamter Geschwindigkeit angeschaut und zeigte Ausschnitte des Geschehens, war jedoch aufgrund vieler Schwenks in der Bildführung und mangelnder Bildqualität nicht zur eindeutigen Identifizierung geeignet.
Beim Video muss man genau hinsehen
Der Angeklagte gab an, sich zu Beginn des Vorfalls noch mit seinem Schwager und einer weiteren Person im Biergarten Waldheim aufgehalten zu haben und erst später zum Geschehen gestoßen zu sein, als erste Angriffe schon in vollem Gange waren. Darum identifizierte sich der Angeklagte selbst mit einem dunklen Poloshirt. Der Angreifer, der, wie im Video ersichtlich, mit dem Stock auf den Geschädigten losging, trug allerdings ein helles Oberteil.
Weitere Fotos des Angeklagten wurden auch von den eintreffenden Polizeibeamten aus Murrhardt nicht gemacht. Private Fotos von diesem Tag lagen ebenfalls nicht vor. Der Angeklagte konnte also nicht abschließend belegen, welche Kleidung er am besagten Tag getragen hat.
Die Befragung des Geschädigten sollte mehr Licht ins Dunkel bringen. Da der bulgarischstämmige Mann jedoch nur wenig Deutsch sprach und die Dolmetscherin nicht aufzufinden war, versuchte der Richter zunächst, mit seinem Mobiltelefon und einer Übersetzungs-App seine Fragen auf Bulgarisch zu stellen. Das führte nicht zum gewünschten Erfolg, doch der anwesende Sohn des Geschädigten konnte für seinen Vater dolmetschen.
Fast eineinhalb Jahre nach der Tat konnte sich der Zeuge nach eigener Aussage jedoch nicht mehr daran erinnern, ob der Angeklagte auch der Angreifer war. Er wurde darum aus dem Zeugenstand entlassen.
Identität des Täters bleibt ungeklärt
Das Video bringt dabei nur wenig Licht ins Dunkel des Prozesses. Es schwenkt mehrmals vom Geschehen ab, sodass nur gerätselt werden kann, was in der übrigen Zeit vorgefallen ist. Zudem ist die ganze Situation sehr unübersichtlich und aufgrund der Entfernung ist auch die Videoqualität nicht wirklich aussagekräftig.
Mehrfach wurde vom Richter näher an Personen im Video rangezoomt, um dadurch besser zu erkennen, um welche Person es sich handelt. Abschließen klären ließ sich die Frage beim Mann mit dem Stock nicht. „Es ist ein bisschen wie bei den Wimmelbildern, die man von früher kennt“, sagte der Richter.
Es liegen keine weiteren Aufnahmen vor
Der Polizeihauptkommissar, der als Zeuge auftrat, konnte lediglich bestätigen, dass es keine weiteren Film- oder Fotoaufnahmen des Angeklagten vom Tag der Schlägerei gebe. Zudem gab er an, dass einige der Personen, die ebenfalls an der Schlägerei beteiligten waren, im Zuge der Ermittlungen nicht identifiziert werden konnten.
Letztlich bestanden zu viele Zweifel, ob es sich bei dem Angeklagten und dem Täter, der auf dem Video zu sehen ist, um dieselbe Person handelt. Der Richter verglich das Aussehen des Angeklagten möglichst genau mit dem des Täters. Besonders beim Haaransatz und der Statur meinte er eindeutige Unterschiede zu erkennen.
Der Angeklagte sei zwar, zumindest eine Zeit lang bei der Schlägerei dabei gewesen, doch da die Schuld nicht zweifellos festgestellt werden kann, beantragte die Staatsanwaltschaft einen Freispruch. Diesem Vorschlag kam der Richter nach. Die Kosten des Strafverfahrens trägt nach dem Freispruch die Staatskasse.