Weniger Aufträge für Unternehmen im Kreis

Firmen der Metall- und Elektroindustrie haben mit hohen Energie- und Rohstoffpreisen, steigenden Zinsen und Unsicherheit an den Märkten zu kämpfen. Nach einem schwierigen Jahr für Tesat stehen die Zeichen des Backnanger Raumfahrtunternehmens jetzt auf Wachstum.

Im Inneren dieses Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) befindet sich auch Technik aus dem Hause Tesat. Das Backnanger Unternehmen hat auch namhafte Kunden in den USA und will nun dorthin expandieren. Foto: Tesat

Im Inneren dieses Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) befindet sich auch Technik aus dem Hause Tesat. Das Backnanger Unternehmen hat auch namhafte Kunden in den USA und will nun dorthin expandieren. Foto: Tesat

Von Florian Muhl

Rems-Murr. „Wir befinden uns in sehr, sehr bewegten Zeiten. Krieg, Energiekrise, Inflation – viele Herausforderungen, mit denen man, vor allem in der Intensität und Dramatik, in der vergangenen Zeit nicht gerechnet hat“, sagte Michael Prochaska, Vorsitzender der Südwestmetall-Bezirksgruppe Rems-Murr, gestern bei der Vorstellung der aktuellen Umfrage unter Mitgliedsfirmen (siehe Infotext). Das habe man privat zu spüren bekommen, aber auch die Wirtschaft kann ein Lied davon singen. „Die Metall- und Elektroindustrie ist von diesen Entwicklungen stark getroffen worden“, so der Vorstand für die Bereiche Personal und Recht beim Motorsägenhersteller Stihl.

„Jeder, der ein Häusle baut, dem graust’s, weil die Zinsen steigen“, sagte Prochaska. Damit hätten auch die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie (M+E) zu kämpfen, aber auch mit explodierenden Preisen und einer wachsenden Unsicherheit an den Märkten. Zudem sei das Exportgeschäft durch den globalen Konjunkturrückgang gestört. Die Folge: „Die Nachfrage ist an vielen Stellen eingebrochen.“ Mit anderen Worten: immer weniger neue Aufträge. Was derzeit noch hilft, so Prochaska, sind die noch hohen Auftragsbestände, die während der Coronazeit nicht weggearbeitet werden konnten.

Damit der Schwarzmalerei noch nicht genug. Auch der zunehmende Arbeits- und Fachkräftemangel sowie die anhaltenden, wenn auch etwas gemilderten Lieferkettenprobleme wirken laut dem Vorsitzenden als Wachstumsbremsen. Prochaska sprach auch massive Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft an, verursacht durch die Schere bei den Energiepreisen, insbesondere zu den USA, die sich immer weiter öffne. Das ursprüngliche Konzept für die Gas- und Strompreisbremsen sei leider durch das europäische Beihilferecht stark verwässert worden. Prochaska wörtlich: „Ohne wettbewerbsfähige Energiepreise riskieren wir in letzter Konsequenz eine Deindustrialisierung in unserem Land.“

Tesat ist Backnang und Backnang ist Tesat

Eine Premiere feierte gestern Tesat-Geschäftsführer Thomas Reinartz. Der Chef des Backnanger Raumfahrtunternehmens, der seit 1. März vergangenen Jahres im Amt ist, sprach beim Pressegespräch von Südwestmetall das erste Mal als einer von insgesamt sechs Unternehmenssprechern. Selbstbewusst stellte er sein Unternehmen unter anderem mit den Worten vor: „Tesat ist Backnang und Backnang ist Tesat.“

Genau vor einem Jahr hatte Kerstin Basche, die damalige Tesat-Finanzgeschäftsführerin, an dieser Stelle folgendes prophezeit: „Wir blicken wirklich sehr, sehr positiv in die Zukunft, also ins Jahr 2022.“ Das, was Reinartz gestern zu sagen hatte, hörte sich allerdings ganz anders an: „Die Tesat hat ein relativ schwieriges Jahr gehabt letztes Jahr, das war aber, würde ich jetzt mal sagen, zu erwarten.“ Der Satellitenmarkt ist seit zwei, drei Jahren im Umbruch, erklärte der Tesat-Chef. Das Unternehmen habe einen Umsatz von 260 Millionen Euro Umsatz gemacht und eine „schwarze Null“ geschrieben. Einige Ukraine-Effekte habe man abschreiben müssen, habe es derzeit mit hohen Krankenständen zu tun und eben mit hohen Energiekosten. „Da will ich jetzt aber auch gar nicht lange rumjammern, wir haben es so angenommen, wie es ist.“

Viele offene Stellen bei Tesat

Tesat hat im vergangenen Jahr 70 Leute eingestellt. 2021 waren es 100 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dieses Jahr seien 100 Stellen offen, die allerdings wohl nicht alle besetzt werden könnten – Stichwort Fachkräftemangel. „Wir müssen im Endeffekt wachsen, auf 300, 400 Millionen, das ist unser erklärtes Ziel. Wir haben auch überhaupt keine Wahl, außer zu wachsen“, sagte Reinartz. Die Mitarbeiterzahl solle dabei stabil bei 1100, 1200 bleiben. Tesat habe es mit einem zunehmenden Wettbewerb zu tun. „Wir haben sehr viele Firmen, die in Teilsegmenten einsteigen, in denen Tesat tätig ist.“ Als große Herausforderung sieht der Geschäftsführer den US-Markt. „60 Prozent unserer Aufträge kommen aus den USA.“ So werde parallel zur Fertigung in Backnang auch eine in Florida aufgebaut. „Weil wir ansonsten die Gefahr sehen, dass wir die zukünftigen Verträge nicht mehr bekommen werden“, begründete der Tesat-Chef die Investitionen in den USA. „Wir müssen eine feine Balance finden zwischen dem, was wir in Backnang produzieren und entwickeln und dann eben unter Umständen veredeln in den USA.“ Gibt es auch Aufträge aus Russland? Reinartz: „Null.“

Umfrage im Rems-Murr-Kreis: M+E-Unternehmen blicken eher skeptisch auf die wirtschaftliche Entwicklung

Konjunkturumfrage Das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Südwestmetall-Bezirksgruppe zeigt, dass die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie (M+E) erneut vor einem sehr herausfordernden Jahr stehen. Weitere Kostenbelastungen sind in dieser Lage kaum zu stemmen.

Beteiligung An der Umfrage haben sich 35 von insgesamt 77 angeschriebenen Unternehmen beteiligt.

Auftragsbestand Derzeit bezeichnen im Kreis 42,9 Prozent der befragten Unternehmen ihren Auftragsbestand als gut (Vorjahr: 55,8 Prozent). 42,9 Prozent bewerten ihn als befriedigend (30,2) und 14,3 Prozent beurteilen ihn als schlecht (14,0).

Geschäftsentwicklung Angesichts des schwierigen konjunkturellen Umfelds erwarten nur 17,1 Prozent der Unternehmen für 2023 eine ansteigende Geschäftsentwicklung (Vorjahr: 48,8 Prozent). 42,9 Prozent rechnen nur mit einer gleichbleibenden ( 44,2) und annähernd so viele –40,0 Prozent – sogar mit einer rückläufigen Entwicklung (7,0).

Ertragssituation Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Ertragssituation: Nur 20,0 Prozent bezeichnen sie als gut (Vorjahr: 32,6 Prozent), während 45,7 Prozent sie immerhin noch als befriedigend ansehen (39,5). Mit 34,3 Prozent bewerten mehr als ein Drittel der Unternehmen sie allerdings als schlecht (27,9).

Maschinenbau Nur 35,7 Prozent erwarten steigende Geschäfte (Vorjahr: 30,8 Prozent). Ebenfalls 35,7 Prozent rechnet mit einer gleichbleibenden Geschäftsentwicklung (69,2). Die Ertragssituation in der Branche ist ebenfalls durchwachsen: Nur 21,4 Prozent der Maschinenbauer bezeichnen sie als gut (38,5), und 57,1 Prozent nur als befriedigend (38,5).

Fahrzeugbau Bei den Automobilzulieferern rechnen 25,0 Prozent der Firmen mit steigenden Geschäften (Vorjahr: 71,4 Prozent), 25,0 Prozent mit gleichbleibenden (14,3). Rückläufige Geschäfte erwartet hingegen jedes zweite Unternehmen (50,0 Prozent, Vorjahr: 14,3). Keine Firma schätzt die Ertragslage 2023 als gut ein (Vorjahr: 14,3).

Metallerzeugung In der Metall-branche erwartet kein einziges der Unternehmen eine steigende Geschäftsentwicklung im neuen Jahr (Vorjahr: 50,0 Prozent). 33,0 Prozent prognostizieren eine gleichbleibende Geschäftsentwicklung (50,0). Mit rund zwei Dritteln (66,7 Prozent) rechnet die übergroße Mehrheit mit einer rückläufigen Entwicklung (0,0).

Elektroindustrie In der Elektro-branche sieht es nicht viel besser aus. Keine der befragten Firmen geht von steigenden Geschäften aus (Vorjahr: 50,0 Prozent). 57,1 Prozent rechnen mit einer gleichbleibenden Geschäftsentwicklung (50,0). Ihre Ertragssituation 2022 bezeichnen 14,3 Prozent (37,5) als gut und 28,6 (50,0) als gleichbleibend.

Zum Artikel

Erstellt:
31. Januar 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen