Wetterballon des Clubs „GMS in der Taus im All“ fliegt fast 100 Kilometer weit
Der Club „GMS in der Taus im All“ füllt einen Ballon mit Helium. Der steigt knapp 40.000 Meter hoch und landet dann bei Oettingen in Bayern. Weil die mit Kameras, Messgerät und GPS-Sendern gespickte Sonde in 25 Metern Höhe im Baum hängt, wird sie von einer Drohne geborgen.
Von Florian Muhl
Backnang. Ein Projekt, um nicht zu sagen Experiment, hat sich der Club „GMS in der Taus im All“ vorgenommen: Das Klassenzimmer am Rande des Weltalls. Ein eigener Wetterballon mit Sonde sollte nicht nur Daten in einer Höhe von rund 36000 Metern sammeln, sondern auch Fotos und Videos aus dieser Höhe liefern. GPS-Sender an Bord der Sonde sollten das Auffinden des Ballons garantieren. Letztlich hat das Unternehmen „Taus im All“ tatsächlich wie geplant und berechnet auch geklappt. Nur die Landung in knapp 100 Kilometern östlicher Entfernung haben sich die 16 teilnehmenden Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 4 bis 10 der Backnang Gemeinschaftsschule dann doch anders vorgestellt. Am Ende verlief die Bergung der Sonde so spannend wie ein Krimi.
Aber der Reihe nach: Vor einem Jahr starteten die neuen Clubs an der Tausschule (siehe Infokasten). 16 Schülerinnen und Schüler im Alter von 9 bis 16 Jahren hatten Interesse für den Weltraum und wählten deshalb aus dem umfangreichen Angebot den Club „GMS in der Taus im All“. Ein Jahr hatten sie Zeit, um das Ziel des Clubs zu erreichen: den Start eines Wetterballons.
„Das Schöne an dem Projekt war, dass die Schüler alles allein gemacht haben“, sagt der betreuende Lehrer Alfred Esterl zurückblickend. „Ich war nur als Begleitung dabei. Die mussten sich ja um alles kümmern, um die Genehmigungen von den ganzen Luftfahrtbehörden, eine Versicherung haben sie organisiert und Sponsoren gesucht, sie mussten die Sonde und den Wetterballon zusammenbauen – die haben immer gesagt: ‚Ist schon erledigt.‘“ Esterl war ganz begeistert. „Ich fand das toll, dass der Viertklässler mit der Versicherung telefoniert hat. Und die Zehntklässler, die handwerklich sehr begabt sind, haben dann den Kleinen wieder gezeigt, wie’s geht.“
Die ganz Schule versammelt sich auf dem Sportplatz
Dann endlich ist es so weit. Der Start des Wetterballons steht unmittelbar bevor. Es ist Montag, der 26. September. Die ganze Schule versammelt sich gegen 10 Uhr auf dem Sportplatz. Die Ballonhülle wird mit Helium gefüllt. Zu diesem Zeitpunkt geht Esterl davon aus, dass der Ballon bei Ellwangen wieder landen wird, also gut 50 Kilometer vom Startpunkt entfernt. „Man kann das anhand der Wetterdaten in etwa vorausberechnen“, sagt der Lehrer. „Der ganze Flug dauert rund drei Stunden. Der Ballon steigt die Hälfte der Zeit auf und die andere Hälfte braucht er, bis er wieder herunterkommt.“ Am Flugtag waren die Bedingungen so, dass die Ballonhülle bei einer Höhe von 36000 Metern zerplatzt. „Der Ballon hat dann eine Ausdehnung von 11,5 Metern.“ Nun kommt der kleine Fallschirm zum Einsatz, der fünf Meter unter dem Ballon angebracht ist und an dem wiederum zehn Meter weiter unten die Sonde hängt.
Applaus und Jubel entbrennt, als das 20 Meter hohe Gespann in den Himmel steigt. Zusammen mit drei Schülern setzt sich Esterl ins Auto, immer dem GPS-Signal hinterher. Es geht über Murrhardt Richtung Bayern, aber viel weiter als bis nach Ellwangen. Es ist gegen 13.30 Uhr, als sich das GPS-Signal nicht mehr bewegt. Der Ballon muss gelandet sein, etwa 90 Kilometer von Backnang entfernt. Der vierköpfige Suchtrupp wird schließlich mitten im Wald bei Auhausen-Dornstadt fündig. Doch der Ballon hängt in 25 Meter Höhe in einem Baum.
Nach einem Anruf beim Rathaus kommt die zweite Bürgermeisterin Karin Reulein vorbei. Auch der Förster Hermann Lutz erscheint, der sich wiederum mit seinem Dienstherrn verständigt, denn der Wald gehört Fürst zu Oettingen-Spielberg. Alle zusammen beraten. Den Baum fällen, das ist für alle keine Option. Genauso wenig, wie ein Baumkletterer oder eine Hebebühne. An diesem Tag gibt es keine Lösung. Auch wenn Schüler und Lehrer ohne Sonde nach Backnang zurückfahren, sind sie glücklich, dass das Projekt geklappt hat.
Die zweite Bürgermeisterin ist begeistert und hängt sich rein ohne Ende
Doch Karin Reulein hat Blut geleckt. „Die war total begeistert von der Aktion, die hat sich reingehängt ohne Ende“, sagt Esterl. Dem Sohn der zweiten Bürgermeisterin gelingt es schließlich Tage später, die Sonde mit Hilfe seiner Drohne zu bergen, indem er um die frei hängende Sonde herumfliegt, wobei sich das Seil, das er an seinem Quadrokopter befestigt hat, im Seil zwischen Sonde und Fallschirm verfängt.
Esterl hat die Sonde bereits abgeholt und auch geöffnet. „Eine Kamera ist leider kaputtgegangen“, sagt der Lehrer. In dieser Woche will er die Daten der anderen Kamera und der Messgeräte auslesen und auswerten. „Dann werden wir wissen, wie hoch wir waren und ob uns tatsächlich Aufnahmen von der Erdkrümmung gelungen sind.“
Freude Dass ein Schulleben mehr bieten kann als nur die klassischen Fächer, beweist die GMS in der Taus jede Woche. Dort können sich alle Schüler von Klasse 4 bis 10 bunt gemischt auf etwa 25 Clubangebote freuen, welche die individuellen Talente der Jugendlichen aufgreifen. Die Freude an gemeinschaftlichen Projekten steht hier im Vordergrund und ist Schulleiter Jochen Nossek sehr wichtig.
Stärken Mit den Tausclubs bekommen die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihre eigenen Interessen und Stärken im sportlichen, handwerklichen, kreativen, sozialen, sprachlichen und wissenschaftlichen Bereich ohne Leistungsdruck auszuleben und weiterzuentwickeln.
Interessen Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte sagen dienstagmittags ,,Ade“ zum klassischen Nachmittagsunterricht und treffen sich in jahrgangsübergreifenden Gruppen, um gemeinsam hinsichtlich der eigenen Interessen aktiv zu werden.