Wichtiger Mosaikstein der Stadtgeschichte

Gesamtgesellschaftliches Engagement vieler Spender hat den Wiederaufbau der Murrhardter Pilgerstaffel ermöglicht. Zur Einweihung wird auf die lange Geschichte des Steigs zurückgeblickt und ein Flieder als Symbol der Ewigkeit gepflanzt.

Bürgermeister Armin Mößner erzählt bei der Einweihung der Murrhardter Pilgerstaffel vom Planungsprozess mit Rückschlägen. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Bürgermeister Armin Mößner erzählt bei der Einweihung der Murrhardter Pilgerstaffel vom Planungsprozess mit Rückschlägen. Foto: J. Fiedler

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Ein Freudentag und denkwürdiges Ereignis ist die Feierstunde im Stadtgarten zur Einweihung der seit Frühjahr 2020 wiederaufgebauten Pilgerstaffel. Es ist dem Wunsch und gesellschaftlichen Engagement zahlreicher Bürger sowie einer großen Zahl von Spendern zu verdanken, dass das lang gehegte Projekt verwirklicht werden konnte. „Die Pilgerstaffel ist ein Alleinstellungsmerkmal für Murrhardt“, betont Rolf Schweizer, Initiator der Spendenaktion. Der Heimatgeschichtsexperte erzählt aus der Geschichte des Bauwerks, das eng mit der Historie der Stadt und der Walterichswallfahrt zusammenhängt. Ein „uralter Steig“ führte schon vor 1800 Jahren zum römischen Friedhof und Tempel. Darauf stiegen die Einwohner der Siedlung vor 1300 Jahren zu um 730 erbauten hölzernen Urkirche auf dem Walterichshügel.

Etwa 100 Jahre später, um 840, bestattete man den im Volk als wundertätigen Heiler verehrten Walterich, erster Abt des Klosters, inmitten der von ihm gebauten Steinkirche, dieses Grab wurde in den folgenden Jahrhunderten Ziel unzähliger Pilger. Vor 900 Jahren, um 1120 bis 1130, erbaute man die romanische Wallfahrtskirche, und Schweizer vermutet, dass etwa zur selben Zeit wohl der Steig zur Treppe ausgebaut wurde.

Nach dem Ersten Weltkrieg überließ man die baufällige Treppe sich selbst

Vor 530 Jahren errichtete man die vierte, bis heute stehende Kirche. Doch in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg und der Inflation überließ man die baufällige, zerfallende Treppe ihrem Schicksal. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Staffel Ende der 1940er-Jahre beseitigt, und das einzigartige historische Ensemble von Stadtkirche mit Walterichskapelle, Stadtgarten und Walterichskirche verlor seine Basis. Sieben Jahrzehnte dauerte es, bis der Wiederaufbau gelang. 2013, zur Feier des Jubiläums 1225 Jahre Stadt Murrhardt, begannen erste Planungen, die Pilgerstaffel als „Mosaikstein der Stadtgeschichte“ wiederaufzubauen. Dieses Projekt vergleicht der Rathauschef mit dem beschwerlichen Aufstieg auf der Treppe. Den finanziellen Grundstock bildete ein Vermächtnis von Hedwig Maurer, die 1998/99 eine Initiative zum Wiederaufbau startete, hinzu kamen 98000 Euro aus der Spendenaktion des Geschichtsvereins Murrhardt sowie 84146 Euro Spenden, die die Bürgerstiftung Murrhardt seit 2013 sammelte. Das Projekt stimmte man ab mit dem Landesamt für Denkmalschutz, wonach der Neubau neben der alten Trasse erfolgen musste, um die Reste der alten Treppe als Denkmal zu schützen.

Laut Mößners Chronologie des Wiederaufbaus fasste der Gemeinderat den Grundsatzbeschluss dazu im November 2013, das Ingenieurbüro Riker und Rebmann erhielt den Planungsauftrag. 2016 einigten sich Stadt und evangelische Kirchengemeinde als Eigentümerin des Grundstücks, die Bürgerstiftung startete eine Spendenaktion für Stufen und Podeste. Der Gemeinderat beschloss 2018 den Wiederaufbau unter Regie der Stadt auszuführen und die Arbeiten auszuschreiben. Doch die Spenden reichten nicht, denn die Kosten stiegen auch wegen der guten Baukonjunktur immer höher, sodass zwei Ausschreibungen wieder aufgehoben werden mussten.

Viele Spenden und Zuschüsse waren für die Finanzierung nötig

Erst Bietergespräche mit Fachfirmen und ein bewilligter Leader-Zuschuss von 148320 Euro brachten den Durchbruch. Im November 2019 vergab der Gemeinderat für 273283 Euro die Bauarbeiten, die im Frühjahr 2020 begannen und planmäßig abgeschlossen werden konnten. Eine Traditionsschlosserei hat das Geländer gefertigt und den Auftrag für das Tor erhalten, die Kosten sind mit 330430 Euro festgestellt. Weitere Spenden und Erlöse aus dem Verkauf von Gemälden bekannter Murrhardter Künstler sowie finanzielle Unterstützung durch mehrere Stiftungen sichern die Finanzierung des Gesamtprojekts ab. „Der Wiederaufbau der Pilgerstaffel ist das bisher größte Projekt mit Beteiligung der Bürgerstiftung, zum großen Teil finanziert durch Spenden“, hebt Ulrich Burr hervor. Der Stiftungsratsvorsitzende dankt allen, die zum Zustandekommen des Wiederaufbaus betrugen, und der Stadt Murrhardt, die das Projekt maßgeblich gefördert hat. Als symbolischen Akt pflanzen der Bürgermeister und Christian Schweizer, Leiter des Carl-Schweizer-Museums, ein Fliederbäumchen, das für Ewigkeit und Beständigkeit steht.

Dazu verwenden sie Erde vom Ölberg in Jerusalem, gespendet vom aus Murrhardt stammenden Ehepaar Röwekamp. Mit feierlichen Weisen umrahmt ein Bläserquartett des Musikvereins Fornsbach die Einweihungsfeier.

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Erstellt:
11. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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