Wirtschaft in Baden-Württemberg
Wirtschaftsministerin kündigt „magere Zeiten“ an
Landesregierung und Wirtschaft im Südwesten befürchten für 2025 eine weitere Verschlechterung der Lage – die zuständige Ministerin wird besonders deutlich in ihrer Wortwahl. Eine IW-Studie verstärkt diesen Eindruck.
Von Matthias Schiermeyer
Mit großem Pessimismus gehen Wirtschaft und Politik in Baden-Württemberg ins neue Jahr. „Dem Land stehen magere Zeiten bevor“, sagt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) voraus. Für 2025 rechnet sie mit einem weiteren Rückgang der Wirtschaftsleistung – also des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – um 0,5 Prozent. Somit steht dem Südwesten das dritte Rezessionsjahr in Folge bevor. Für 2024 wird letztlich ein Minus von zwei Prozent im Land erwartet.
Dass der Südwesten schlechter dasteht als die deutsche Wirtschaft insgesamt, hat vor allem mit dem hohen Anteil an Industrie zu tun, die mit dem Strukturwandel kämpft. „Kurzfristig sind die Aussichten ziemlich düster“, sagt Hoffmeister-Kraut. 2025 werde noch mal ein schwieriges Jahr. „Im weltweiten Wettbewerb ist der Wirtschaftsstandort aktuell nicht mehr konkurrenzfähig.“ So seien die Energiekosten durch den Krieg in der Ukraine explodiert – die hohen Arbeitskosten im Südwesten könnten nicht kompensiert werden.
Die Opposition im Landtag erwartet Aktivität statt Analysen
Die Unternehmer Baden-Württemberg (UBW) fühlen sich in ihren Rufen nach grundlegenden Veränderungen bestärkt: Der Ausblick der Ministerin zeige erneut, „dass es so nicht weitergehen kann“, heißt es. „Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit der Wohlstand unseres Landes muss endlich zum Zentrum politischen Denkens und Handelns werden.“ Dies gelte für Bund und Land. Die Wirtschaft benötige „dringend schnelle und umfassende Entlastungen bei den Sozialabgaben, Steuern, Energiepreisen und der Bürokratie“. Auf Landesebene müssten neue Potenziale durch Bürokratieabbau geschaffen werden.
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch ärgert sich, dass man seiner Partei noch in den Haushaltsberatungen vorgeworfen habe, die Lage schlecht zu reden – zugleich seien ihre Forderungen nach Programmen wie etwa der Transformationsmilliarde pauschal abgetan worden. „Kaum zwei Wochen später fällt auch der Landesregierung auf, dass Baden-Württemberg wieder deutlich schlechter abschneidet als der Bundesdurchschnitt“, moniert er. „Unsere Wirtschaft braucht vom Land jetzt weniger Analysen, sondern vor allem Aktivität.“ Die Ministerin könne jetzt nicht nur längst bekannte Offensichtlichkeiten erklären, „sondern muss sagen, was das Land in dieser Krise unternehmen will“. Davon sei aber nichts zu hören. „Aus dem Wirtschaftsministerium muss mehr als nur Wehklagen kommen.“
Die große Mehrheit dokumentiert eine getrübte Stimmung
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) verstärkt den Chor der Skeptiker: „Selten war die aktuelle wirtschaftliche Lage so besorgniserregend“, betont IW-Direktor Michael Hüther mit Blick auf eine bundesweite Umfrage seines Instituts. Demnach bewerten 31 von 49 Branchenverbänden die aktuelle Lage in ihrem Wirtschaftsbereich noch schlechter als vor einem Jahr. Nur vier Verbände sprechen von einer Besserung binnen Jahresfrist: für Entsorgung, Versicherungen, Messen und Immobilien.
Der Saldo aus positiven und negativen Lagebewertungen sei weiter ins Negative abgedriftet, so die IW-Forscher. Unter den wenigen Branchen mit einer besseren Lage findet sich somit keine im Industriebereich. Auch im Dienstleistungsspektrum wurde vielfach in diesem Jahr eine Verschlechterung der Geschäftslage verzeichnet. Unterm Strich dominieren nach wie vor die Pessimisten, allerdings deutlich weniger stark als noch Anfang 2024 oder 2023.
Rückläufige Beschäftigung vor allem in der Industrie
Vor allem auf dem Arbeitsmarkt wird sich die Rezession bemerkbar machen – allgemein wird von mehr als drei Millionen Arbeitslosen ausgegangen. Laut der IW-Erhebung erwarten 25 Verbände in ihren Branchen einen Stellenabbau, lediglich sieben rechnen mit mehr Beschäftigten für 2025. Darunter sind die Pharmaindustrie sowie der Luft- und Raumfahrzeugbau; bei den Dienstleistern gilt dies für Speditionen, Investment und Informationswirtschaft. Auch in der Energie-, Wasser- und Entsorgungswirtschaft wird damit gerechnet, dass Mitarbeiterzahl 2025 das Vorjahresniveau übersteigt.
Speziell Verbände im Industriespektrum gehen für ihren Bereich von einer rückläufigen Beschäftigung aus. Weniger Jobs sind zum Beispiel im Maschinenbau, in der Automobilindustrie, der Eisen- und Stahlindustrie oder auf dem Bau zu erwarten. Eine stabile Beschäftigung wird in der Elektroindustrie gesehen, aber auch bei den Papierfabriken und in der Ernährungsindustrie. Innerhalb des Dienstleistungssektors bleibt die Anzahl der Mitarbeiter im Bereich Groß-, Außen- und Einzelhandel stabil.
Warnung vor einer Koalition aus Union und SPD
Derweil warnt die „Wirtschaftsweise“ Monika Schnitzer vor den Folgen einer großen Koalition im Bund. „Union und SPD kommen aus unterschiedlichen Welten, die nicht so leicht zusammenfinden“, sagte sie der Funke Mediengruppe. „Es droht Reformstillstand – und weiterer Wohlstandsverlust.“ Aufgabe der neuen Regierung sei es, Unsicherheit zu reduzieren. Sie werde auch nicht darum herumkommen, die Schuldenbremse zu reformieren, um zukunftsorientierte Investitionen in Verteidigung, Infrastruktur und Bildung vorzunehmen. Schon leichte Reformen könnten für einen erheblichen Spielraum sorgen, meint Schnitzer.