Pariser Autosalon
Xpeng überrollt Marken wie BMW, Peugeot und Alfa
Zur Automesse in Paris trumpfen die Chinesen mit ihren Elektrofahrzeugen auf. Die Europäer sind bei ihrem Heimspiel in der Defensive und versuchen verzweifelt gegenzusteuern.
Von Stefan Brändle
Es glitzert und glänzt wieder auf dem Pariser Messegelände. Mehr als 50 Automarken sind am „Mondial de l’auto“ präsent, drei Mal mehr als bei der vorigen Ausgabe im Jahr 2022. Paris profitiert wohl von der Schließung des Genfer Salons, aber auch von anderen Entwicklungen.
Die Japaner sind gekommen, die Amerikaner sind da mit Ford, Cadillac und Tesla. Die Europäer sind fast geschlossen präsent, wenn man von Mercedes und Volvo absieht. An Neuheiten zeigt Volkswagen den XL-SUV Tayron, Audi eine Coupé-Version des Q6 e-tron und BMW den X3. Beim Heimspiel führt Renault gleich sechs neue Modelle vor, darunter die Neuversionen R5; Citroën zeigt den C3-Aircross, Peugeot einen e-508, Dacia seinen Bigster.
Rendite-Strategie erweist sich als kurzsichtig
Doch der Schein trügt. Selten zuvor waren die Aussichten für die europäische Autobranche so düster wie heute. Nach Volkswagen droht nun Stellantis-Boss Carlos Tavares mit Werkschließungen. Der erfolgreiche Sanierer von Marken wie Peugeot, Opel oder Fiat muss 2026 selber seinen Hut nehmen: Seine Strategie, Rendite über Masse zu stellen, erweist sich heute als kurzsichtig.
Renault hat in französischen Werken bereits Kurzarbeit eingeführt, um die Überkapazitäten abzubauen. Dasselbe gilt für Zulieferer wie den Reifenhersteller Michelin. Im August sind die Autoverkäufe europaweit um 16,5 Prozent eingebrochen. Die chinesische Konkurrenz hat im ersten Halbjahr auf dem alten Kontinent zwar erst 17 000 Modelle abgesetzt. Aber sie ist mächtig im Vormarsch, wie in Paris zu sehen ist.
Sieben chinesische Marken sind an der „Paris Motor Show“ vertreten. Die älteste, Hongqi, zu Deutsch „Rote Fahne“, produziert seit 1958 Staatskarossen für das kommunistische Regime – und heute Luxuslimousinen.
Die junge Generation ist vertreten durch Xpeng, gerade zehn Jahre alt, zu 100 Prozent elektrisch – bis zum „fliegenden Auto“, das mit seinen Propellern am Messedach hängt. Firmengründer He Xiaopeng müht sich bei der Präsentation seiner neuesten Limousine P7+ mit einem „Bonjour“ und einem „I am happy“ ab, bevor er in seine Heimatsprache verfällt. Seine Rede ist gespickt mit Ausdrücken wie Technologie, Navigation, Innovation, Trendsetting, globale Expansion. „Unser Fokus ist Europa“, betont der klein gewachsene Firmenchef, dessen Devise lautet: „Eine Generation voraus.“
BYD ist gefragt
Am dicksten bringt es in Paris die Nummer eins der Elektrofahrzeug-Branche, BYD. Der ehemalige Batterienhersteller aus Shenzhen, der im Sommer erstmals Tesla überflügelte, präsentiert in einer Studie den U8 seiner Premiummarke Yangwang. Der Superbolide U8, der sogar wassertauglich ist, bringt 1000 Kilometer Reichweite und 1200 Pferdestärken mit – was einen Horror für die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo darstellt, die in ihrer Stadt zum 1. Oktober Sonderparkgebühren für SUV eingeführt hat.
Ein BYD-Manager hat jedoch beim Warten auf die Pressekonferenz das Gegenargument parat: „Der elektrische U8 verpestet die Pariser Luft weniger als so mancher französische Altdiesel.“ Noch lieber lobt er mysteriöse U8-Eigenheiten wie den „DiSus-P Intelligent Hydraulic Body Control“.
Bei der BYD-Pressekonferenz drängen sich die Fotografen und die Journalisten so zahlreich, dass sie bis auf die – teils leeren – Stände der Konkurrenz zurückstehen. Konzernvize Stella Li, in Türkis und Weiß gekleidet, enthüllt zuerst das neueste Modell, den Sealion 7 mit einer Spitzengeschwindigkeit von 230 Stundenkilometern.
Dann lüftet Li das tiefere „Geheimnis“ des BYD-Erfolgs: BYD beschäftigt 102 000 Forschungsangestellte und gibt umgerechnet 5,17 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung aus. Davon können andere Autohersteller nur träumen.
Franzosen trauern um die Senkung des staatlichen E-Bonus
Was tun gegen die Stromer-Offensive aus dem Reich der Mitte? Präsident Emmanuel Macron verteidigte an der Automesse die erst kürzlich beschlossenen Einfuhrzölle der EU auf chinesische Produkte. Das wiederum wendet sich auch gegen deutsche Hersteller, die mit ihren chinesischen Werkstätten teils selber betroffen sind und zudem Vergeltungsmaßnahmen Pekings fürchten.
Die französischen Hersteller bedauern ihrerseits die Senkung des staatlichen E-Bonus – in Frankreich von 7000 auf 4000 Euro. „Da muss man sich nicht wundern, dass die Europäer die E-Autos verschmähen“, sagt ein Citroën-Verkäufer.
Wer hat Schuld an der Misere?
Die Europäer lancieren am „Mondial“ zwar eine Reihe von kleinen E-Modellen: Citroën den e-C3, Alfa Romeo seinen ersten vollelektrischen „Junior“, Renault den R4. Das tun sie aber auch, um die CO2-Normen von 2025 an einzuhalten: Sie müssen ihren Anteil an verkauften Elektrowagen unbedingt erhöhen, um die hohen Strafzahlungen zu vermeiden.
Aber der Marketingdirektor von Peugeot, Phil York, räumt im Gespräch ein, dass die Nachfrage für E-Wagen „noch nicht mitzieht“. Liegt es an der europäischen Kundschaft, dass die hiesige Autoindustrie mehr und mehr in die Krise schlittert?