Ziel: Vorbereitet sein auf potenzielle Wassermassen
Wasserverband Murrtal informiert sich zum Risikomanagement bei Starkregen – Bürgerveranstaltung in Backnang geplant

© Jörg Fiedler
Von Christine Schick
MURRHARDT. Das Tückische an Starkregen ist, dass er praktisch nicht vorhersehbar ist und extrem lokal ausfällt. Somit lässt sich nicht wie beim Hochwasser mit statistischen Zahlen arbeiten. Für Experten allerdings steht fest, dass das Phänomen aufgrund des Klimawandels zunehmen wird. Deshalb hat sich der Wasserverband Murrtal das Thema auf die Agenda gesetzt.
Markus Moser vom Regierungspräsidium Stuttgart, Experte auf dem Gebiet, hat den Verband, dem Backnang, Murrhardt, Oppenweiler sowie Sulzbach an der Murr angehören, kürzlich auf den neusten Stand gebracht. Während bei Hochwasser vor allem bestimmte Bereiche links und rechts des Gewässers, sprich der Murr, im Fokus liegen und zwar typischerweise bei einer Situation, in der über längere Zeit Regen auf einen bereits mit Wasser gesättigten oder noch gefrorenen Boden fällt, stellt sich die Lage bei Starkregen völlig anders dar. „Da kommt das gesamte Wasser von oben“, sagt Stefan Setzer, Baudezernent in Backnang und derzeit Vorsitzender des Wasserverbands. Das betroffene, lokal stark begrenzte Gebiet kann die Niederschläge, oft erhebliche Wassermassen, nicht mehr verarbeiten und weil diese Ereignisse im Zuge des Klimawandels zunehmen werden, lautet der Rat, Vorkehrungen zu treffen. Das Stichwort: Starkregenrisikomanagement.
Im Zentrum stehen die Untersuchung der Topografie sowie der konkreten Lage vor Ort, um kritische Punkte auszumachen sowie – je nach Ergebnis – entsprechende Schutzvorrichtungen oder präventive Maßnahmen für noch nicht bebaute oder neu zu gestaltende Flächen umzusetzen, erläutert Stefan Setzer. Die Städte und Gemeinden sollten dabei besonderes Augenmerk auf wichtige Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Altenheime sowie Infrastruktur- und Rettungsstandorte von der Klär-, Telekom- oder Stromanlage über DRK und THW bis hin zur Feuerwehr legen. Genauso gilt es für Privatleute und Betriebe, sich zu schützen.
Stefan Setzer zeichnet ein fiktives Beispiel: Ein Kindergarten liegt am Ende einer steil abfallenden Straße, auf der bei einem Starkregen Wasser nach unten geschossen käme und auf die Hauswand träfe. Hier könnte mit einer nicht allzu hohen Mauer vor dem Gebäude (30 Zentimeter) und Ertüchtigung der Abflüsse (mehr Gullys) gearbeitet werden. Zu beachten ist auch die Beschaffenheit des Geländes, Experten nennen dies Rauigkeit, sprich, was dem Wasser entgegengesetzt wird. „Es ist ein Unterschied, ob es einen Waldhang oder die Marktstraße in Backnang herunterfließt“, sagt Setzer. In einer Simulation können entsprechende kritische Punkte ausgemacht werden. Dafür wäre eine Untersuchung notwendig. Als erster Schritt ist zunächst eine Informationsveranstaltung für die Bürger geplant, zu der im Frühsommer nach Backnang eingeladen werden soll. Dort möchte man das Thema generell beleuchten, aber auch die Erfahrungswerte von Bürgern einholen, was problematische Bereiche und Objekte sein könnten. In dieser Hinsicht wird die Stadt sich auch an die Rettungskräfte wenden, damit ihr Wissen einfließen kann.
Erfahrungswerte der Bürger und Rettungskräfte wertvoll
Vor diesem Hintergrund wäre es möglich, als nächsten Schritt Experten mit ins Boot zu holen. Ob Backnang und die Mitgliedskommunen des Wasserverbands eine gemeinsame oder eine eigene Untersuchung anstreben, ist noch offen und muss entsprechend beschlossen werden – gegebenenfalls im Herbst. Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es die Möglichkeit einer Landesförderung für solch eine Studie (70 Prozent).
Abgesehen davon, dass die resultierenden Gefahrenkarten sowie Risikosteckbriefe für einzelne Objekte solch einer Untersuchung Empfehlungen enthalten und auch wichtige (Bau-)Planungsinstrumente sind, muss man mit Blick auf mögliche konkrete Schutzmaßnahmen entsprechend abwägen, sagt der Verbandsvorsitzende. Dabei steht für ihn die Höhe des möglichen Schadenspotenzials im Zentrum. Droht ein Funktionsverlust eines Feuerwehrgebäudes hat dies logischerweise einen anderen Stellenwert als der Fußboden im Erdgeschoss eines Hauses. Setzer hält es aber generell für wichtig, über die kritischen Punkte verlässlich Bescheid zu wissen und die Bevölkerung entsprechend informieren zu können.
Ebenfalls auf den Stand gebracht hat Moser die Mitglieder zum Flut-Informations- und Warn-System, kurz Fliwas, für dessen Nutzung sich der Verband bereits vor Längerem entschieden hat. Es dient vor allem den Rettungs- und Einsatzkräften sowie Verwaltungen im Hochwasserfall, schnell und auf dem gleichen Stand informiert zu sein.
Mit dem Bau der Hochwasserrückhaltebecken Oppenweiler und Gaab werden später auch entsprechend die Pegelstände abgebildet und online abrufbar sein. Ebenso können die Einsatzkräfte entsprechende Infos von lokal einspeisen. „Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist, dass damit auch für das Land die Informationslage dichter und besser wird“, sagt Stefan Setzer.