Zoll prüft Baustellen in Backnang
Mit insgesamt 24 Beamten nimmt die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts Stuttgart in Backnang die Baustellen an der Oberen Walke und am Dresdener Ring unter die Lupe. Dabei werden die Daten von 80 Arbeitern erfasst.

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Auch an der Oberen Walke kontrollieren die Beamten des Hauptzollamts Stuttgart mögliche Fälle von Schwarzarbeit. Fotos: Alexander Becher
Von Kai Wieland
Backnang. Um kurz nach 8 Uhr setzt sich die Kolonne aus fünf Einsatzfahrzeugen des Hauptzollamts Stuttgart am Backnanger Freibad in Bewegung und rollt kurz darauf auf den Parkplatz eines Supermarkts in der Gartenstraße. Sofort steigen Beamte in voller Montur aus den Wagen, postieren sich zielstrebig an verschiedenen Punkten rund um das angrenzende Baustellenareal für das neue Pflegeheim und beginnen daraufhin, das Gelände zu räumen. Die Arbeiter mehrerer Firmen, welche am Bauvorhaben beteiligt sind, sammeln sich auf dem Parkplatz und auch der eine oder andere Schaulustige unterbricht seinen Einkauf und beobachtet das Treiben. Trotz eisiger Temperaturen und der Wartezeit ist die Atmosphäre entspannt, es wird geredet und gescherzt.
„Gerade auf dem Bau sind die Arbeiter die Kontrollen schon gewohnt“, sagt Carolina Röhm. Die 29-Jährige ist seit 2017 beim Zoll und weiß nur zu gut, dass es nicht immer so harmonisch zugeht. „Wenn wir in einer Disco oder im Rotlichtmilieu prüfen, ist die Stimmung meist angespannter.“
Die Beamten folgen einem Einsatzplan
Das Vorgehen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist sichtlich eingespielt und verläuft gemäß dem Einsatzplan. Darin ist bereits die Anfahrt zur Baustelle klar beschrieben, um nicht vorab schlafende Hunde zu wecken. Nachdem die Baustelle geräumt ist und alle angetroffenen Arbeitnehmer versammelt sind, können die Zollmitarbeiter die Absperrung des Geländes aufheben und sich der Befragung der Personen widmen. Die Ausweisdokumente werden eingesammelt, auf Echtheit überprüft und nach der Befragung wieder ausgegeben.
24 Zollbeamte sind an diesem Tag im Einsatz, darunter drei Anwärter. Diese Zahl wirkt im Verbund mit der Ausrüstung samt gut sichtbarem Waffenholster und dem überfallartigen Eintreffen einschüchternd, sei für eine Baustelle dieser Größenordnung aber notwendig, erklärt Carolina Röhm. „Die Kollegen gehen noch mal das ganze Gebäude ab, damit sich niemand in einem Raum oder Lüftungsschacht versteckt. Das ist alles schon vorgekommen.“
Dann beginnt die Erfassung mithilfe von Fragebögen, welche in vielfacher Ausfertigung vorliegen: für Arbeitnehmer, für Selbstständige und Mitglieder einer Gesellschaft, und das jeweils in allen Sprachen, die man auf Baustellen hierzulande gängigerweise antrifft, von Albanisch über Türkisch bis hin zu Ukrainisch.
„Wir versuchen, die Befragungen immer im Einzelgespräch durchzuführen, um die Angaben wirklich vom Arbeitnehmer selbst und nicht von einem Kollegen oder Vorarbeiter zu bekommen. Oft geht das nur mit Händen und Füßen, aber in der Regel klappt es. Manchmal sind auch zugelassene Dolmetscher dabei“, sagt Röhm.
Neben den Personalien interessiert sich der Zoll vor allem für die Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses. Die Art der Beschäftigung wird ebenso abgefragt wie Arbeitszeit, Lohn, Pausenzeiten, Sozialversicherung, Einreise, Arbeitserlaubnis und Aufenthaltstitel. Aus diesen und weiteren Informationen sowie aus deren Abgleich mit den Geschäftsunterlagen erhoffen sich die Zöllner Hinweise auf eventuell vorliegende Fälle von Schwarzarbeit.
Schwarzarbeit hat viele Formen
„Schwarzarbeit existiert in verschiedenen Ausprägungen“, sagt Röhm. „Wir prüfen, ob der Mindestlohn eingehalten wird, Verstöße gegen das Ausländerrecht vorliegen, Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden und die Arbeitszeit angemessen erfasst wird. Auch Leistungsmissbrauch ist ein Thema, etwa wenn jemand arbeitet und dabei Arbeitslosengeld bezieht.“ Eine aufgegliederte Statistik, welche Verstöße am häufigsten vorkommen, werde aber nicht geführt und diese Frage könne auch nicht pauschal beantwortet werden, so Röhm.
Die Befragungen an der Oberen Walke verlaufen derweil ohne große Diskussionen, Einsatzleiter Jürgen Henkelmann ist zufrieden: „Alles ok. Das sind einfache Arbeiter und die stehen hier in der Kälte, ohne zu meckern.“

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Eine Zollbeamtin und ein Anwärter bearbeiten einen Erfassungsbogen.
Konfliktsituationen seien auf dem Bau überhaupt eher selten, ergänzt Carolina Röhm. „Die meisten Arbeitnehmer verstehen, dass wir letztlich in ihrem Interesse handeln. Es geht schließlich darum, dass Unternehmen sich nicht durch Lohndumping Wettbewerbsvorteile verschaffen.“ Außerdem werde versucht, die Arbeitsabläufe auf den Baustellen nicht unnötig zu stören. „Wenn gerade betoniert wird, warten wir auch mal ab, bis sich ein günstigerer Augenblick bietet.“
Die Beschäftigten sind genauso wie ihre Arbeitgeber übrigens zur Auskunft verpflichtet. Das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz regelt sowohl die Rechte als auch die Pflichten der Kontrollierten und besagt, dass diese bei der Prüfung unter anderem eine Mitwirkungspflicht haben.
„Unser größtes Problem sind die Subunternehmerketten, an deren Ende oft noch Selbstständige stehen“, sagt Röhm. „Zum einen fördert es das Lohndumping, zum anderen ist es auch für uns oft schwierig nachzuvollziehen.“
Die Lage vor Ort ist oft eine Wundertüte
Die Kälte macht an diesem Morgen nicht nur den Arbeitern, sondern auch den Beamten das Leben schwer. Mit klammen Fingern versucht eine junge Beamtin vergeblich, das Armband eines Arbeiters zu lösen, bekommt aber schließlich Unterstützung von Henkelmann selbst. Wie lange eine Kontrolle dauert, ist vorher schwer zu sagen. „Es hängt davon ab, wie viele Personen angetroffen werden und wie viele Verstöße schon vor Ort zutage treten“, erläutert Röhm. Was die Männer und Frauen der Finanzkontrolle auf den einzelnen Baustellen erwartet, ist stets ein Stück weit Überraschung. „Es ist eine Wundertüte. Man muss reinschauen, dann weiß man mehr“, sagt Henkelmann. Zwar seien ihnen durch die Genehmigungsverfahren die Werkverträge bekannt und man wisse , wie viele Firmen mit wie vielen Arbeitnehmern angemeldet seien, doch die Situation vor Ort sehe dann oft anders aus, ergänzt Röhm.
Eine Prüfung ist keine Ermittlung
Die Auswahl der zu prüfenden Baustellen folgt keiner bestimmten Methodik. Es kann sich um öffentliche Bauvorhaben handeln oder um private, manchmal gehen Hinweise voraus, oftmals aber auch nicht. Sollte allerdings durch eingehende Hinweise ein Anfangsverdacht entstehen, findet keine Prüfung mehr statt, stattdessen wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Unterscheidung zwischen Prüfung und Ermittlung sei wichtig, betont Röhm. „Dadurch ändern sich nämlich die Rechte und Pflichten der Befragten. Im Ermittlungsverfahren gibt es keine Mitwirkungspflicht, schließlich muss sich niemand selbst belasten.“ Diese Grenze zu wahren sei eine der großen Herausforderungen in ihrem Beruf.
Die unlängst von der Gewerkschaft IG Bau in einer Pressemitteilung geforderte verstärkte Prüfung von Baustellen ist für Finanzkontrolle Schwarzarbeit dagegen kein großes Thema. Zwar seien Schwerpunktprüfungen für bestimmte Branchen möglich, doch die Anweisung dazu komme von der Oberbehörde, sagt Röhm. Bis dahin fahre man mit den risikoorientierten Prüfungen fort, was besagt: Kontrollen finden dort statt, wo die Wahrscheinlichkeit für Verstöße gemäß Risikoanalyse am höchsten ist. Auf diese Weise sollen die Ressourcen des Zolls effizient eingesetzt werden.
Unabhängig davon hat das Hauptzollamt im vergangenen Jahr mehr Prüfungen durchgeführt als noch im Vorjahr. Insgesamt wurden 1225 Arbeitgeberprüfungen (2021: 940) und 12793 Personenprüfungen (2021: 8652) vorgenommen, dies allerdings bei Weitem nicht nur in der Baubranche, sondern auch in der Gastronomie, im Taxigewerbe, in der Pflege und in vielen anderen Bereichen, in denen Schwarzarbeit eine Rolle spielt.
Wenig Aufregung in Backnang
Keine größeren Vorfälle erleben die Zollbeamten an diesem Tag auf den Backnanger Baustellen. An der Oberen Walke treffen sie 43 Arbeitnehmer von 15 Firmen an. Diese kommen aus Deutschland, Bosnien, Albanien, der Türkei, Makedonien, Kroatien, dem Kosovo, Syrien und Serbien, außerdem sind sechs slowakische Selbstständige auf der Baustelle tätig. Insgesamt überprüft die Finanzkontrolle Schwarzarbeit in Backnang 80 Arbeitnehmer. Vereinzelt ergeben sich daraus Verdachtsfälle über Scheinselbstständigkeit und Verstöße gegen die Sofortmeldepflicht von Arbeitgebern.
Bundeszollverwaltung Die Behörde ist unter anderem für die Überwachung der Zollgrenze und der Aus- und Einfuhr von Waren zuständig, zählt zu ihren Aufgaben jedoch auch die Bekämpfung von Schwarzarbeit und Geldwäsche. Sie ist als Bestandteil der Bundesfinanzverwaltung dem Bundesfinanzministerium unterstellt. Ihre Tätigkeit fällt insbesondere in den Bereich der fiskalischen Verwaltung, jedoch hat sie auch teils polizeiliche Befugnisse. So sind etwa Zollbeamte im Außendienst bewaffnet. Dennoch ist der Zoll kein Teilbereich der Polizei.
Schwarzarbeit Der Begriff bezeichnet eine Vielzahl von Verstößen gegen das Steuerrecht, das Sozialversicherungsrecht oder die Mitteilungspflicht von Sozialleistungsempfängern. Auch wer ein Gewerbe oder Handwerk betreibt, ohne dies entsprechend anzumelden, macht sich der Schwarzarbeit schuldig.
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Es definiert die Begriffe Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung und weist der Finanzkontrolle Schwarzarbeit Befugnisse zu.