Worauf es bei guter Kommunikation zwischen Eltern und Kindern zu achten gilt
Ist es eine Kunst, mit Kindern gute Gespräche zu führen? Familienberaterin Julia Eid beschäftigt sich in ihrer Berufspraxis viel damit, wie sich die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern verbessern lässt. Für Eltern ist das immer auch ein Weg zu sich selbst.
Von Nicola Scharpf
Backnang. „Wie wars im Kindergarten?“ „Gut.“ „Was habt ihr gemacht?“ „Gespielt.“ Solch einsilbige Antworten dürften viele Eltern von ihren Kindern kennen. Genauso bekannt ist vielen sicherlich auch der Redeschwall, der sich über sie ergießt, wenn sie dem anderen Kind nur das leiseste Stichwort geben und es ohne Punkt und Komma anfängt, mit endlosen Bandwurmsätzen bis ins winzigste Detail zu berichten, wer was wem wann warum wie gesagt hat und welche Farbe dabei die Hose von der besten Freundin hatte, und es nicht mal zum Luftholen Pause macht und man als Elternteil dann irgendwann abschaltet und gar nicht mehr richtig zuhören kann, weil dieses Gequassel einem so sehr auf die Nerven geht, dass man die Nerven nicht anders schonen kann, als auf Durchzug zu stellen, und man so gegen die Wand geredet wird, dass man nach ein paar Minuten völlig erschöpft, aber überhaupt nicht klüger als zuvor ist, was der Nachwuchs eigentlich sagen will, und wenn man selbst etwas ansprechen möchte, sofort vom Kind unterbrochen wird, das einem ins Wort fällt. Uff. Anstrengend? Ja – und weit entfernt von dem, wie sich ein gutes Gespräch mit Kindern gestaltet lässt oder auch anfühlt.
Julia Eid ist selbstständige Familienberaterin in Backnang und beschäftigt sich gemeinsam mit den Menschen, die bei ihr Rat suchen, häufig mit der Frage: Wie kommunizieren wir? Oft kommen Leute zu ihr und wollen Tipps, wie das Kind richtig funktioniert. „Wenn es so leicht wäre, hätten wir viele Konflikte nicht“, sagt die Mutter zweier Kinder, die sich bereits während ihres Studiums der sozialen Arbeit den Themen Bindung, Beziehung und den dazugehörigen Fähigkeiten zugewendet hat. Bei ihrer bindungs- und beziehungsorientierten Arbeit geht es ihr vor allem darum, Beziehung im gesamten System Familie nachhaltig zu stärken. Die Kommunikation miteinander ist dabei wesentlich.
Kinder sollten sich wertgeschätzt fühlen, um sich öffnen zu können
Zunächst betrachtet Eid konkrete Punkte, die auf der Ebene des Verstands zu fassen sind: das Klima in der Familie. Wie ist die Stimmung in der Familie? Wie sprechen die Eltern miteinander? Respektvoll? Wenn ein Kind Angst hatte oder etwas angestellt hat, wie darf das Kind von sich und dem, was es erlebt hat, erzählen? Wie gehen die Eltern damit um? „Wir kommen dabei immer bei uns selbst vorbei“, sagt Eid, „es ist immer ein Weg zu sich selbst: Wie erlaube ich mir, meinen Kindern von meinen Gefühlen zu berichten? Man darf Kindern zumuten, zu sagen, wie man sich fühlt. Sie spüren eh, wenn die Mama aufgeregt ist. Kinder bekommen dadurch Orientierung.“
Es geht darum, ein Klima zu schaffen, in dem sich das Kind sicher und wertgeschätzt fühlt, sodass es sich öffnen kann. Eid empfiehlt außerdem „radikale Ehrlichkeit mit sich selbst“: Erwachsene würden häufig Monologe führen und den Rahmen bestimmen. Zum Beispiel geben sie vor, beim gemeinsamen Abendessen ein Gespräch zu führen. Sie fangen an, einen Fragenkatalog abzuarbeiten, haben eine vorgefertigte Vorstellung davon, wie das Gespräch ablaufen soll und was sie erreichen wollen. Eigene Unsicherheit und Hilflosigkeit kommen noch mit in dieses Paket, das Eltern mit ins Gespräch mit ihren Kindern nehmen. „So öffnet sich kein Raum, in dem ein Kind offen antworten kann. Wir Erwachsene erwarten von Kindern häufig, dass sie erzählen, wie es ihnen geht. Dabei dürfen wir selbst lernen, empathisch zu uns zu sein.“
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Achtsamkeit, Einfühlungsvermögen und echtes Interesse sind also gefragt: Wo steht die andere Person überhaupt? Was beschäftigt sie? Und wo stehe ich selbst? Zwischen Tür und Angel, wenn womöglich noch das Handy klingelt, ist kein Raum für Gespräche. „Dann sollte ich es lieber lassen und erst sprechen, wenn bewusst Raum für ein Gespräch ist. Gespräche nebenher zu führen, ist nicht wertschätzend.“ Eid verwendet den Begriff des Kakao-Küchengesprächs für Situationen, die die Qualität für gute Gespräche haben. „Kinder lieben es, wenn man sich bewusst Zeit für sie nimmt. Dann können sie spüren: Vertrauen und Raum sind da, die Dinge rauszulassen.“
Die eigenen Bedürfnisse erforschen
Eine kleine Quasselstrippe signalisiert mit ihrem Gequassel: Ich will Verbindung haben, nimm mich wahr! Wortkarge Kinder kommunizieren auf andere Art und Weise. Von daher sollten Eltern sich die Frage stellen: Was braucht mein Kind gerade? Die Quasselstrippe beispielsweise braucht die Botschaft: Ich sehe dich, es interessiert mich, du bist wertvoll.
Grenzen zu erkennen, zu wahren und nicht übergriffig zu werden, sind weitere Voraussetzungen für gute Gespräche. Hält sich ein Kind die Ohren zu beim elterlichen Monolog, ist das ein klares Zeichen für eine Grenzüberschreitung. Grenzen zu wahren, ist auch bei pubertierenden Kindern geboten – gepaart mit dem Vertrauen, dass das Kind zum Gespräch kommt, wenn es wirklich wichtig ist. „In der Pubertät zeigt sich der Samen, den wir vorher gelegt haben.“
Und schließlich ist Voraussetzung für gute Gespräche, am Kern zu arbeiten – also bei sich selbst hinzugucken, „auch wenn es mit Schmerz und Angst verbunden ist“. „Wie setze ich Grenzen? Wie ist mein Selbstwert? Was sind meine Bedürfnisse? Wie spreche ich mit mir selbst? Wie mache ich mich klein? Wie stehe ich für mich selbst ein? Kann ich mich selbst verstehen und gut regulieren?“ Sobald man anfängt, das zu erforschen, sagt Julia Eid, verändert sich automatisch etwas im Klima und in der Kommunikation mit den Kindern.