Die Kleinste ist die nächste Wasserratte
Familienbande im Sport (1) Bei den Bartschs gehört der Sprung ins kühle Nass zum Alltag. Der Vater ist TSG-Schwimmwart und die Mutter leitet die Schwimmschule, weshalb Backnangs Bäder für die vier Kinder das zweite Zuhause sind. Selbst die vierjährige Valentina ist schon mittendrin.
Von Steffen Grün
Besonders redselig ist das Nesthäkchen der Bartschs noch nicht, aber das ist beim „Zeitungsinterview“ kein Wunder. Umso energischer fällt Valentinas Kopfnicken auf die Frage aus, ob sie Spaß am Schwimmen hat. Es war sogar noch vor dem vierten Geburtstag, als sie bei den Vereinsmeisterschaften der TSG Backnang in 1:10,07 Minuten immerhin 25 Meter zurücklegte – in einem Alter also, in dem sich die meisten Kleinen nur mit Schwimmflügeln und Mama oder Papa ins Becken trauen. „Sie taucht noch nicht“, sagt ihr Vater mit fast entschuldigendem Unterton: „Deshalb muss das Seepferdchen noch warten.“
Dass dieses Abzeichen sein Plätzchen im Kinderzimmer findet, ist eine Frage der Zeit in einer Familie, in der das Schwimmen ein zentrales Element ist. Ausgehend von den Eltern, die sich bei der TSG kennengelernt haben. Der in Leipzig aufgewachsene Andreas Bartsch besuchte zu DDR-Zeiten eine Sportschule und zählte zur Bezirksauswahl, „mein Klassenkamerad Stefan Herbst war mehrmals bei den Olympischen Spielen“. Und er war Staffeleuropameister. So weit hat es für Bartsch nicht gereicht, weshalb er nach dem Umzug nach Backnang kurz nach der Wende auf Wasserball umsattelte. Weil seine spätere Ehefrau Kathrin seit 23 Jahren die TSG-Schwimmschule leitet und als Trainerin damit in die Fußstapfen ihrer Mutter trat, stieg Andreas Bartsch bald mit ein und kümmert sich seit etwa zwei Jahrzehnten um die Wassergewöhnung aller Anfänger.
Auch andere Sportarten ausprobiert,
aber dem Schwimmen treu geblieben
Dadurch, dass das Paar alleine und miteinander viel Zeit im Hallen- und Freibad verbringt, „mussten die Kinder ab drei Jahren immer mit“, berichtet der Vater und fügt schmunzelnd hinzu: „Sie hatten im Endeffekt keine andere Wahl.“ Die Mutter bestätigt das, betont aber zugleich, dass Amalia (13), Lavinia (9) und Julius (6) neben dem fast obligatorischen Kinderturnen schon einige andere Sportarten wie Tanzen, Ballett, Judo und Tennis ausprobiert hätten. „Alle sind beim Schwimmen hängen geblieben“, freut sich die 40-Jährige und stellt erleichtert fest: „Das macht es logistisch viel einfacher.“ Statt zwischen mehreren Sportstätten hin- und herpendeln zu müssen, steuert das Auto grundsätzlich die Bäder an. Dass die Eltern bei allen Sprösslingen großen Wert darauf gelegt haben, dass sie möglichst früh sichere Schwimmer werden, hat darüber hinaus einen sehr simplen Grund, verrät Andreas Bartsch: „Wenn man mit vier Kindern ins Freibad geht, kann man nicht nach allen gleichzeitig schauen.“ An einem bestimmten Punkt, so der 46-Jährige, „hätten alle aufhören dürfen, aber bislang hat keiner aufgehört“. Auch seine Frau versichert lachend nochmals, dass im Hause Bartsch kein noch so subtiler Zwang ausgeübt wird: „Sie machen es freiwillig, sonst wären sie nicht auf diesem Niveau.“
Die älteste Tochter Amalia, die ihr offenkundiges Talent mit der Bereitschaft kombiniert, an sechs Tagen pro Woche zu trainieren, hat gute Karten, sich in diesem Jahr erstmals für die deutsche Jahrgangsmeisterschaft zu qualifizieren. „Mir macht es generell Spaß“, betont die 13-Jährige, „nicht nur bei guten Ergebnissen“. Ihr gefällt die Kameradschaft im Verein ebenso wie die Tatsache, dass in der Familie alle dieselbe Leidenschaft teilen und „wir uns austauschen können“. Dienstags sammelt sie bereits mit ihren jungen Jahren erste Erfahrungen als Trainerin in der TSG-Schwimmschule und kann sich ausdrücklich vorstellen, denselben Weg wie ihre Mutter zu gehen.
„Sie ist schon ein gewisses Vorbild“, sagt Lavinia über ihre ältere Schwester, von der sie sich ebenso etwas abschauen könne wie die jüngeren Geschwister von ihr. Die Neunjährige, die auch bereits fünf Einheiten pro Woche absolviert und zum Landeskader in ihrer Altersklasse gehört, will nächstes Jahr bei der ersten Gelegenheit das Ticket für die deutschen Mehrkampfmeisterschaften lösen und vor allem über 200 Meter Lagen und 400 Meter Freistil ihr Können zeigen. Brust, Rücken, Kraul? Julius mag sich noch nicht festlegen, ihm gefallen alle drei Schwimmstile. An zwei Tagen pro Woche wird geübt, bei den kindgerechten Wettkämpfen ist der Sechsjährige mit vollem Elan bei der Sache.
Beim Vater als Mittvierziger spielt auch der Gesundheitsaspekt eine Rolle
Im Trainingsaufwand und in den Titelkämpfen sieht Kathrin Bartsch noch einen wichtigen Nebeneffekt, der darüber hinaus von Bedeutung ist: „Die Kinder lernen beispielsweise, sich selbst zu organisieren. Davon profitieren sie hoffentlich auch später.“ So lange es ihnen Freude bereite, sollten sie dabeibleiben. Ohne Druck von den Eltern, die den Spaß am Sport ihrerseits nie verloren haben. Bei Andreas Bartsch kommt der gesundheitliche Aspekt dazu: „Wenn ich vier Wochen nicht schwimme, spüre ich es im Rücken – das ist für einen Fliesenlegermeister schlecht. Rückenschwimmen entspannt den Rücken – wenn man es kann.“
In dieser Serie stellen wir Familien vor, deren Name für eine Sportart steht oder in deren Leben sich sehr viel, manchmal sogar fast alles um den Sport dreht.