„Th Number 74“: Eine der letzten Punkbastionen im Rems-Murr-Kreis

Bands von hier Im kommenden Jahr feiert die Punkband Th Number 74 ihr zehnjähriges Bestehen. Drummer Fabian Wöhrle, Bassist Finn Wahl und Gitarrist Matthias Wülbeck legen viel Wert auf eigene Songs, Authentizität und jede Menge Spaß auf der Bühne.

Matthias Wülbeck, Fabian Wöhrle und Finn Wahl (von links) brauchen nicht viel Platz, um kreativ zu sein. Foto: Alexander Becher

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Matthias Wülbeck, Fabian Wöhrle und Finn Wahl (von links) brauchen nicht viel Platz, um kreativ zu sein. Foto: Alexander Becher

Von Kai Wieland

Auenwald. Wer glaubt, Musik brauche viel Platz zum Atmen, war noch nie im Proberaum der Punkband Th Number 74 im Auenwalder Ortsteil Lippoldsweiler. Gefühlte fünf Quadratmeter ist das Kämmerchen im Elternhaus von Drummer Fabian Wöhrle groß und als wäre das nicht eng genug, ist es vollgestopft mit Bierkisten, Industrieregalen und natürlich Instrumenten und Equipment. Die Wände sind versteckt hinter Plakaten, Flyern und den Setlists von rund 60 Auftritten, davor stapeln sich die CD-Hüllen zweier Alben. Selbst wenn die Luft hier mal steht: Der Raum atmet Bandgeschichte. Im kommenden Jahr feiern Th Number 74 bereits zehnjähriges Bestehen – eine eindrucksvolle Zeitspanne für eine Band, deren Mitglieder heute gerade einmal zwischen Mitte 20 und 30 Jahre alt sind.

„Das Gründungsdatum ist der erste April 2014“, erinnert sich Wöhrle (30). Im Technischen Berufskolleg Waiblingen hatte er Matthias Wülbeck (26) kennengelernt und gemeinsam mit diesem und einem weiteren Gitarristen, Pascal Wolke, die Band ins Leben gerufen. Was nun noch fehlte, war ein Bassist – da kam Finn Wahl (28) ins Spiel. „Ich kannte ihn schon über Ecken und wusste, dass er das total lebt, mit Karohose und allem Drum und Dran“, erzählt Wülbeck augenzwinkernd. „Damals dachte ich: ‚Verdammt, der ist halt echt cool‘, aber wir brauchten eben einen Bassisten, da springt man mal über seinen Schatten.“ Gesagt, getan: Während des Finales der Weltmeisterschaft im Juli 2014 saßen die beiden Musiker gemeinsam in der Backnanger Moonshine Bar und Wülbeck lud Wahl zur Probe ein.

Alle Bandmitglieder hatten sich zuvor bereits an anderen musikalischen Projekten versucht, aber in der Begeisterung für den Skate Punk der 2000er-Jahre und insbesondere die US-Band Blink 182 einen gemeinsamen Nenner gefunden. Mit Coversongs wollten sie sich dennoch nicht zufrieden geben. „Wir hatten sogar ein Coververbot im Proberaum. Wer dagegen verstieß, musste Bier mitbringen“, verrät Matthias Wülbeck, der neben Wahl für den Gesang zuständig ist. Im September desselben Jahres fuhr die Band zum ersten Auftritt beim Sindelfinger Festival „Dit is schade!“, wohlgemerkt bereits mit eigenen Songs. Es sollte der einzige Auftritt als Quartett bleiben – Wolke zog anschließend zugunsten seines Studiums der Holztechnik nach Rosenheim und ist mittlerweile als Gitarrenbauer tätig.

Eigene Songs und viel Harmonie

Bremsen ließen sich die drei verbliebenen Bandmitglieder davon freilich nicht. Im Jahr 2015 absolvierten Th Number 74 – der Bandname habe im Übrigen keine Bedeutung, sondern sehe einfach nur gut aus, so Wülbeck – bereits 17 Auftritte. „Das war eine Zeit, in der fast jeder in unserem Alter eine Band gegründet oder in einer gespielt hat, dadurch hatten wir ein großes Netzwerk“, erklärt Finn Wahl. Nebenbei schrieb die Band fleißig neue Songs, Ausgangspunkt des kreativen Prozesses ist meistens des Bassist selbst. „Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Finn das kreative Genie bei uns ist“, sagt Wülbeck, der bisweilen aber ebenfalls zum Stift greift. Drummer Fabian Wöhrle stimmt zu und geht noch etwas ins Detail: „Finn schreibt in der Regel das Grundkonzept, meist schon mit Text und einigen Gitarrenriffs. Die Ausarbeitung zu einem fertigen Song passiert dann gemeinsam hier im Proberaum.“ Streit gebe es dabei eigentlich nie, jeder könne seine Ideen einbringen und dann werde einfach ausprobiert. Auch dass abgesehen von einer Handvoll deutscher Songs auf Englisch gesungen werde, habe sich ohne besonderen Grund oder Diskussion von selbst ergeben, erklärt die Band.

Inhaltlich handeln viele ihrer Songs von Liebe, alltäglichen Problemen und was immer ihnen sonst gerade im Kopf herumgeht, ohne Kalkül oder Zielgruppenanalyse. „Wir haben noch nie einen Song extra für ein Album geschrieben“, betont Finn Wahl. „Es ist andersherum, wir machen Songs und wenn wir genügend haben, machen wir eine Platte.“ Das so entstandene Gesamtwerk der Band lässt sich sehen: Th Number 74 verfügen über ein Repertoire von mehr als 50 eigenen Songs, viele davon findet man auf den drei Alben „Close your Eyes again“ (2017), „Freaking Out“ (2020) und „Going Home“ (2022). Zudem existiert als unerwarteter Ausreißer die Weihnachts-EP „Let it snow“ (2020), auf der die Band Klassiker wie „Jingle Bells“ und „Stille Nacht“ als Punkversionen zum Besten gibt. Für das kommende Jahr ist ein Jubiläumsalbum geplant, auf dessen B-Seite man dann möglicherweise auch den einen oder anderen alten, bislang nicht aufgenommenen Song wie „Fucking Rebel“ findet. „Er war anfangs fester Teil des Programms und dann über viele Jahre hinweg unsere Zugabe, aber wir haben ihn nie aufgenommen. Vielleicht wäre das eine gute Gelegenheit“, erzählt Wöhrle.

Das Juze hält die Fahne hoch

Auf die Frage, wie es die Band geschafft hat, über berufliche und private Veränderungen, das eigene Erwachsenwerden und eine Pandemie hinweg zusammenzubleiben, findet man im Proberaum eine schlüssige Antwort. Es gibt ein festes Fundament, welches auf gemeinsamen Erlebnissen und dem Zusammenhalt unter den Bandmitgliedern beruht. „Für uns gehört das Gemeinschaftliche auch außerhalb vom Proberaum dazu“, betont Fabian Wöhrle. „Wir sind nicht nur eine Band, sondern mittlerweile eine kleine Familie.“ Wöchentliche Proben lassen die beruflichen Umstände kaum zu, doch zumindest einmal im Monat kommen die drei zusammen und arbeiten an neuen Songs, ohne dabei verbissen zu werden. „Wir haben uns selbst nie zu ernst genommen“, sagt Wahl. „Wir legen keine Rihanna-Performance hin und schreiben auch keine Songs wie ‚Bohemian Rhapsody‘, aber wir haben Spaß und das spüren die Leute.“

Ob auf der Jugendmeile-Bühne beim Straßenfest, in kleinen Jugendhäusern im Ländle oder bei nicht kommerziellen Festivals in Berlin oder Dresden: Th Number 74 sind eine Liveband mit Leib und Seele. „Da entstehen auch die wildesten Geschichten“, sagt Finn Wahl schmunzelnd. Er denke da etwa an das Sommerstomp Festival im Café Köpenick in Berlin: Dort hatte Wülbeck kurz vor dem Auftritt beschlossen, noch eben die Saiten seiner beiden Gitarren zu wechseln, als sich plötzlich die Tür zum Backstage öffnete und die Band auf die Bühne zitiert wurde. Wülbecks Gitarre war noch nicht gestimmt, an der Ersatzgitarre fehlten gar zwei Saiten, und es kam, wie es kommen musste: Mitten auf der Bühne riss eine Saite. Wülbeck marschierte daraufhin kurz entschlossen durch den ganzen Raum, schnappte sich eine dort an der Wand angebrachte, kaum noch zumutbare Dekogitarre und spielte das Konzert mit dieser zu Ende. „Es war auf jeden Fall das längste Bass-Drum-Solo, das wir je gespielt haben“, beendet Wahl lachend die Geschichte.

Der Raum für Liveauftritte werde für Bands in ihrem Spektrum in Backnang und Umgebung allerdings immer enger, stellt Fabian Wöhrle fest. „Ohne das Juze gäbe es keinen Platz mehr für Bands wie uns. Wir spielen keine Begleitmusik fürs Abendessen, sondern brauchen ein entsprechendes Publikum, das mitmacht.“ Das Potenzial dafür sei auf jeden Fall da, wenn die Veranstalter sich nur trauten, glaubt Finn Wahl. Sein Bandkollege Matthias Wülbeck sieht das ähnlich und ergänzt: „Letztlich ist es die Frage, wie man die Leute anspricht. Als wir angefangen haben, funktionierten Facebook-Veranstaltungen noch super, heute erreicht man damit niemanden mehr. Es geht also letztlich darum, wie man mit den Leuten in Kontakt kommt, denn wenn man sie erreicht, dann haben sie auch Bock.“

Hören Die Musik von Th Number 74 ist auf Spotify zu finden, die CDs „Close your Eyes again“ und „Going Home“ können außerdem direkt bei der Band unter der E-Mail-Adresse booking@th74.de bestellt werden.

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Erstellt:
8. Dezember 2023, 16:00 Uhr

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