Abschied vom Backnanger Holzsteg über die Murr
40 Jahre lang hat die hölzerne Brücke an der Bleichwiese das Backnanger Stadtbild geprägt, nun sind ihre Tage gezählt. Gestern hat der Abbau des maroden Fußgängerstegs begonnen. Ob er ersetzt wird, ist noch unklar.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Die Holzbrücke, die in Bad Säckingen über den Rhein führt, wurde im Jahr 1272 erstmals urkundlich erwähnt, die Ursprünge der hölzernen Kapellbrücke in Luzern reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Der Holzsteg in Backnang hat dagegen nicht einmal 40 Jahre gehalten: Im Oktober 2020 wurde die 1984 erbaute Fußgängerbrücke über die Murr vom einen auf den anderen Tag gesperrt. Bei einer routinemäßigen Überprüfung hatte sich gezeigt, dass die Holzkonstruktion innerlich faulte und sich die Brücke in der Mitte bereits um einige Zentimeter abgesenkt hatte. Sogar mit bloßem Auge ist dies gut zu erkennen.
„Irgendwann wäre sie zusammengebrochen“, sagt Lars Kaltenleitner, der das Backnanger Tiefbauamt leitet. Dass die Fachwerkkonstruktion bereits nach vergleichsweise kurzer Zeit so kaputt ist, begründet der Amtsleiter mit „Fehlern bei der Konstruktion“. An den Verbindungen zwischen den massiven Balken habe Wasser eindringen können und die tragenden Teile von innen zerstört. Bereits 2017 musste der Steg deshalb mit Stahlbandagen stabilisiert werden. Nun wäre eine Sanierung so teuer gewesen, dass die Stadt davon Abstand nahm. Lars Kaltenleitner spricht von einem „wirtschaftlichen Totalschaden“.
Dass der hölzerne Steg erst dreieinhalb Jahre nach seiner Sperrung abgebaut wird, hängt unter anderem damit zusammen, dass an seiner Unterseite eine Gasleitung der Stadtwerke verläuft, die als unverzichtbar galt. Zunächst hatte es deshalb Überlegungen gegeben, die Leitung in einem sogenannten Düker unter die Murr zu verlegen, was allerdings eine sechsstellige Summe gekostet hätte. Inzwischen haben die Stadtwerke aber eine andere Lösung gefunden und konnten die Leitung stilllegen.
Steg wird ausgehoben und auf dem Parkplatz zerlegt
Und so rückte gestern endlich ein Team des städtischen Bauhofs und der Firma Röhrle Holzbau aus Backnang-Steinbach an, um mit der Demontage der Holzbrücke zu beginnen. Am Morgen rollte dafür ein großer Autokran auf den Parkplatz an der Bleichwiese. An dessen Haken wurde ein Arbeitskorb gehängt, der die Arbeiter zu ihrem jeweiligen Einsatzort hievte. „Das ist einfacher, als wenn wir ein Gerüst aufstellen müssten“, erklärt Lars Kaltenleitner.
Bis gestern Nachmittag entfernten die Arbeiter zunächst die Ziegel vom Dach des Stegs. Dadurch reduziert sich dessen Gewicht und damit auch die Gefahr, dass die Brücke während der Arbeiten tatsächlich noch auseinanderbricht. Im nächsten Schritt werde nun mit Motorsägen die hölzerne Dachkonstruktion zerlegt, erklärt Bauhofleiter Rafael Bidlingmaier.
26 Tonnen wiegt, am Stück ausheben und auf dem Bleichwiesen-Parkplatz absetzen.
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Dort wird die ausgediente Brücke vom Bauhofteam dann endgültig zerlegt. „Ich schätze, dass wir bis nächsten Mittwoch damit fertig sein werden“, sagt Bidlingmaier. In dieser Zeit bleibt ein Teil des Parkplatzes gesperrt. Einige gut erhaltene Holzteile will der Bauhof noch verwenden, etwa als Auflage für Sitzbänke. Der Großteil des Materials wird aber entsorgt. Selbst als Brennstoff sei das schwere Bongossiholz nicht geeignet, erklärt Hubert Röhrle vom gleichnamigen Zimmereibetrieb.
Schneller Ersatz oder „große Lösung“?
Ein Ersatz für die Fußgängerbrücke ist vorerst nicht geplant. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Stadtverwaltung deutlich gemacht, dass sie dafür keinen akuten Bedarf sieht, weil es in überschaubarer Entfernung noch zwei weitere Murrquerungen gibt, nämlich die Sulzbacher Brücke und den Ernst-Riecker-Steg. „Wir sind der Meinung, dass wir eine Verbindung von Ufer zu Ufer dort nicht unbedingt brauchen“, hatte Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann vor einem Jahr erklärt.
Stattdessen gibt es im Rathaus Überlegungen, eine direkte und barrierefreie Verbindung von der Bleichwiese hinauf zur Postgasse herzustellen und damit auch einen Ersatz für den wenig attraktiven Treppenaufgang zu schaffen. Wie ein solches Bauwerk aussehen könnte, hatte das Stuttgarter Büro Schlaich, Bergermann und Partner in einer Machbarkeitsstudie skizziert. Allerdings wäre diese „große Lösung“ eine Millioneninvestition, die im Rathaus wohl nicht die höchste Priorität besitzt. Großmann hatte von einer „mittel- bis langfristigen Perspektive“ gesprochen.
Im Gemeinderat sehen das allerdings nicht alle so. Insbesondere die SPD-Fraktion hatte in der Vergangenheit mehrfach gefordert, die Fußgängerbrücke rasch zu ersetzen. Es wäre daher keine Überraschung, wenn die Stegfrage vor der anstehenden Gemeinderatswahl im Juni auch zu einem Wahlkampfthema würde.