Artenschutzkartierung für Windkraftvorhaben im Gebiet Hörnle

Auf der Suche nach Wespenbussard und Co.: Das Unternehmen Uhl Windkraft und das Haus Württemberg planen gemeinsam mit den Kommunen Backnang und Winnenden bis zu drei Windkraftanlagen im Waldgebiet Hörnle südwestlich von Allmersbach im Tal. Aktuell führen Gutachter eine Artenschutzkartierung durch.

Thomas Klingseis (links) und Hendrik Turni (rechts) nehmen das Artenspektrum im Waldgebiet Hörnle ein Jahr lang genau unter die Lupe. Philip Gohl (Mitte) ist Projektleiter beim Unternehmen Uhl Windkraft, das hier drei Windkraftanlagen plant. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Thomas Klingseis (links) und Hendrik Turni (rechts) nehmen das Artenspektrum im Waldgebiet Hörnle ein Jahr lang genau unter die Lupe. Philip Gohl (Mitte) ist Projektleiter beim Unternehmen Uhl Windkraft, das hier drei Windkraftanlagen plant. Fotos: Alexander Becher

Von Kai Wieland

Rems-Murr. Blauer Himmel und strahlender Sonnenschein locken am Dienstagmorgen so manchen Nordic Walker auf die Waldwege rund um die Kreuzeiche im Gebiet Hörnle. Doch viele Tierarten drehen sich bei den empfindlich kühlen Temperaturen lieber noch einmal um. „Wir hätten gerne mithilfe von Kleinfischreusenfallen Molche kartiert, das ist eine gute Nachweismethode, aber dafür ist es einfach noch zu kalt. Die bleiben dann unten im Schlamm“, erklärt Hendrik Turni vom Gutachterbüro Stauss & Turni aus Tübingen. Gemeinsam mit dem Diplom-Biologen Thomas Klingseis, der ebenfalls als freiberuflicher Gutachter in Tübingen das Unternehmen Bio-Scouting betreibt, ist er in dem Waldgebiet südwestlich von Allmersbach im Tal unterwegs, um ein naturschutzfachliches Gutachten für drei hier geplante Windkraftanlagen zu erstellen. Beauftragt wurden die Fachleute vom Unternehmen Uhl Windkraft, welches hier in Kooperation mit den Kommunen Winnenden und Backnang und dem Eigentümer der Flächen, dem Haus Württemberg, die Anlagen bauen möchte.

Ein ganzes Jahr lang nehmen Turni und Klingseis die Tierwelt in dem Gebiet daher genau unter die Lupe. Turnis Schwerpunkt liegt auf Fledermäusen und Haselmäusen, Klingseis befasst sich insbesondere mit den Vogelarten. „Bei den Fledermäusen sprechen wir grob über einen Radius von 75 Metern rund um die Anlage, um die temporären Flächen, die etwa für den Kran benötigt werden, und über die Bereiche entlang der Zufahrtswege“, erklärt Turni und nimmt zugleich die Hoffnung, an diesem Morgen Fledermäuse kartieren zu können – wenig überraschend geht das nämlich nur nachts. Dann ist der Zoologe mit einem Ultraschalldetektor vor Ort und zeichnet Fledermausrufe auf, anhand derer er sowohl verschiedene Arten als auch die Häufigkeit erkennen kann, in der die Tiere im jeweiligen Areal unterwegs sind. Ob Mückenfledermaus oder Zweifarbfledermaus, jede Art habe ihr eigenes Rufmuster, so der Gutachter. Um auch Aktivitäten messen zu können, wenn er nicht selbst im Wald ist, hat Turni zudem an den drei Standorten Dauererfassungsgeräte eingerichtet, welche über ein Solarpanel mit Strom versorgt werden. „Der Aktivitätszeitraum der Fledermäuse ist von April bis Ende Oktober, danach sind sie wieder im Winterschlaf. Am Ende des Jahres habe ich dann etwa 80000 bis 100000 Rufsequenzen auf dem Rechner, die ich auswerten muss.“

Überraschungen sind eher selten

Die Arbeit der Gutachter besteht entgegen der weit verbreiteten Annahme übrigens nicht darin, unerwartet seltene Arten festzustellen. „Manchmal erlebt man Überraschungen, aber eigentlich eher selten“, erklärt Turni. Philip Gohl, zuständiger Projektleiter bei Uhl Windkraft, ergänzt: „Die Gutachten, die ich bisher gesehen habe, führen immer dieselben 12 bis 14 Fledermausarten auf.“ Streng geschützt seien diese zwar alle, sagt Turni, wichtiger sei allerdings das Verhalten der jeweiligen Art. „Manche halten sich eher in Bodennähe auf, andere sind durchaus in der Höhe der Anlagen unterwegs und werden im schlimmsten Fall zum Schlagopfer.“ Das sei deshalb fatal, weil Fledermäuse nur ein bis zwei Jungtiere im Jahr zur Welt bringen.

Dauererfassungsgeräte liefern Hendrik Turni Rufsequenzen von Fledermäusen.

© Alexander Becher

Dauererfassungsgeräte liefern Hendrik Turni Rufsequenzen von Fledermäusen.

Nicht immer geht es allerdings um den Betrieb der Anlagen. Die Haselmaus zum Beispiel werde durch diesen nicht beeinträchtigt, erklärt Thomas Friede, seit 23 Jahren Revierförster der Hofkammer des Hauses Württemberg in diesem Gebiet. Hier sei es nur der Bau der Anlagen, welcher für die Tiere zur Bedrohung werde. Um ihr Vorkommen festzustellen, hängen die Gutachter im März oder April Haselmausniströhren auf, in denen die ansonsten zumeist in Sträuchern versteckten Tiere gerne ihre Nester bauen und somit sichtbar werden. „Ich rechne damit, dass wir hier welche finden, denn mit den vielen Brombeeren und der Strauchschicht ist es ein ganz typischer Lebensraum“, erklärt Turni.

Fachleute geben eine Einschätzung darüber ab, ob ein Eingriff in den Lebensraum vorliegt

Für Thomas Klingseis ist das wichtigste Werkzeug indessen das eigene Gehör. „Wir gehen durch den Wald und stellen so zum Beispiel Zilpzalp und Mönchsgrasmücke fest“, sagt er. Dabei werden auch Klangattrappen eingesetzt, um die Vögel etwas zu locken. Relevant ist das Vorkommen solcher Arten allerdings vorwiegend im unmittelbaren Eingriffsbereich beim Bau der Anlagen. Außerhalb davon seien innerhalb eines größeren Radius von 1200 Metern nur bestimmte Vogelarten ein Faktor. „Das Bundesnaturschutzgesetz listet 15 Arten auf, die als windkraftempfindlich gelten“, dazu zählten vor allem größere Greifvögel wie Rotmilan, Schwarzmilan und Wespenbussard, aber auch Zugvögel, die aktuell noch nicht in der Region angekommen seien. Der bestmögliche Nachweis einer Art ist dabei das Auffinden des Horsts. „Von Ende Februar bis in den September hinein stehen wir teils den ganzen Tag hier und beobachten Flugbewegungen“, erklärt Klingseis. Die Horste von Rotmilanen seien dadurch beispielsweise sehr gut zu finden. Der Wespenbussard hingegen fliege zumeist unterhalb der Baumlinie und verrate seinen Horst somit kaum.

Haselmäuse nutzen nach dem Winterschlaf die Niströhren gerne zum Nestbau.

© Alexander Becher

Haselmäuse nutzen nach dem Winterschlaf die Niströhren gerne zum Nestbau.

Aber was folgt daraus, wenn eine geschützte Tierart im betreffenden Gebiet nachgewiesen wird? Eben an diesem Punkt beginnt die eigentliche Arbeit der Gutachter, denn kaum eine Art ist so selten, dass ihr Vorkommen das sofortige Aus für eine Windkraftanlage bedeutet. Vielmehr geben die Fachleute eine Einschätzung ab, ob durch den Bau oder den Betrieb der Anlagen überhaupt ein Eingriff in den Lebensraum des jeweiligen Tieres gegeben ist. Falls ja, wird gemeinsam mit den beteiligten Akteuren beraten, ob der Eingriff etwa durch eine Verschiebung des Standorts oder die Verlagerung des Kranplatzes vermieden werden kann. In einigen Fällen sei das allerdings nicht möglich, sagt Philip Gohl. Dann gehe es darum, stattdessen Ausgleichsmaßnahmen zu schaffen. Das könne beispielsweise bedeuten, dass die Windkraftanlage zu bestimmten Zeiten abgeschaltet werde, aber auch die Schaffung eines alternativen Biotops für die jeweilige Art kann eine Alternative sein.

Kritik am vorgehen ist nicht neu

Ist es aber nicht kritisch zu sehen, wenn die Gutachter von jenem Unternehmen beauftragt und bezahlt werden, das dort die Errichtung von Windrädern plant? Hendrik Turni ist dieser Vorwurf nicht fremd, er betont allerdings das genaue Auge, welches nicht zuletzt die Öffentlichkeit auf die Gutachten habe. „Es gibt genügend Naturschutzgruppen und Bürgerinitiativen, die diese Gutachten aufmerksam lesen und auch Stellungnahmen dazu verfassen“, sagt der Zoologe, der sich auch seit 30 Jahren ehrenamtlich im Fledermausschutz engagiert. „Wir haben eine Verantwortung für unsere Arten und Artengruppen, und wir können und wollen uns auch gar keine Gefälligkeitsgutachten leisten.“

Die rechtlichen Grundlagen

Verfahren Bevor das Genehmigungsverfahren beginnen kann, muss das antragstellende Unternehmen, in diesem Fall Uhl Windkraft, eine Reihe von Gutachten liefern. „Für das artenschutzfachliche Gutachten muss eine relativ lange Vorlaufzeit von einem Jahr eingeplant werden. Es ist daher einer der ersten Schritte“, erklärt Philip Gohl. Andere Gutachten betreffen etwa die Windverhältnisse oder die hydrogeologischen Gegebenheiten.

Artenschutzkartierung Für die Artenschutzkartierung gibt es einen detallierten Katalog mit Vorgaben, das Vorkommen welcher Tierarten im betreffenden Gebiet überprüft und in welcher Form dieses nachgewiesen werden muss. Diese Vorgaben erteilt die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg in Karlsruhe.

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Erstellt:
24. April 2024, 06:00 Uhr

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