Baubeginn für die neue Wohngemeinschaft in Backnang
Die Erlacher Höhe saniert die therapeutische Wohngemeinschaft in der Eichendorffstraße in Backnang und ergänzt das Angebot um einen dreigeschossigen Neubau mit weiteren Bewohnerzimmern sowie Beratungs- und Verwaltungsräumen. Die Kosten betragen 5,2 Millionen Euro.
Von Matthias Nothstein
Backnang. Das Gebäude Eichendorffstraße 4 in Backnang ist bis in die 1970er-Jahre ein Pfarrhaus der Stiftskirchengemeinde gewesen. Danach wurde es von der Erlacher Höhe als therapeutische Wohngemeinschaft für psychisch und suchtkranke Menschen genutzt und in all den Jahren nie grundlegend saniert. Wie Wolfgang Sartorius verriet, liegt es auf der Hand, dass in dem Haus „nicht mehr alles taufrisch ist“. Beim gestrigen ersten Spatenstich, der symbolisch sowohl für die Sanierung dieses Hauses als auch für den geplanten Neubau gedacht war, bezifferte er die Kosten für das Projekt auf etwa 5,2 Millionen Euro.
Der Diakonieverbund Dornahof & Erlacher Höhe hatte sich eigentlich schon vor mehreren Jahren für die grundlegende Sanierung und die längst notwendige Erweiterung entschieden. Schon 2019 waren die Pläne weit fortgeschritten. Es schien, als würde der Baubeginn unmittelbar bevorstehen. Doch dann kam es aus mehreren Gründen zu Verzögerungen, wobei laut Sartorius die Coronapandemie die schwerwiegendste Ursache war. Die Bauherren wechselten zudem die Architekten aus. Die neuen Planer firmieren in Schwäbisch Hall unter dem Namen Haalarchitekten. Aber auch Planungsänderungen hinsichtlich der Außenanlagen, der Barrierefreiheit, des Schallschutzes oder des Aufzugs waren erforderlich und benötigten Zeit. Zudem zogen Einsprüche von Nachbarn Planungsänderungen nach sich.
Oberbürgermeister Friedrich hat die Baugenehmigung druckfrisch dabei
Gestern aber war es endlich soweit. Und es passte bestens ins Bild, dass Oberbürgermeister Maximilian Friedrich nicht nur kleine Aufmerksamkeiten zum Spatenstich dabei hatte, sondern etwas elementar Wichtiges: die Baugenehmigung. Druckfrisch überreichte das Stadtoberhaupt den Roten Punkt an den geschäftsführenden Vorstand Wolfgang Sartorius. Gut gelaunt ordnete Friedrich die Bedeutung des Schriftstücks korrekt ein: „Ohne das hätte ich mich sonst an einem Schwarzbau beteiligt.“
Weitere Themen
Sartorius erläuterte den Anwesenden kurz das Projekt: Mit einer Nutzfläche von 1286 Quadratmetern schafft es Raum für 18 Plätze in der therapeutischen Wohngruppe. Sieben davon entstehen im Neubau, elf im sanierten Altbau. Ferner gibt es künftig vier Plätze im ambulanten betreuten Wohnen sowie sechs Apartments für bis zu neun Personen. Im Neubau ist die Wohngruppe im Erdgeschoss barrierefrei, zudem ist ein Zimmer rollstuhlgerecht. Die Büroräume im Erdgeschoss sind ebenfalls barrierefrei zugänglich, inklusiv einer rollstuhlgerechten Toilette. Auch alle Wohnungen im Ober- und Dachgeschoss sind barrierefrei erreichbar, selbst per Rollstuhl. Alle sind barrierearm, aber nicht rollstuhlgerecht.
Oberbürgermeister Maximilian Friedrich freute sich über das klare Bekenntnis der Erlacher Höhe zur Stadt Backnang. Und er erinnerte daran, dass die therapeutischen Wohngruppen nur eine von vielen Einrichtungen sind, welche die Erlacher Höhe im Stadtgebiet betreiben. Wie auch Sartorius verwies er auf die große Bedeutung des Hilfsangebots, da Alkohol in Deutschland immer noch die Volksdroge Nummer 1 ist. Wichtig sei, das Problem offen anzugehen und es nicht unter dem Deckmantel der Scham zu verheimlichen. „Alkoholismus ist eine Krankheit, aber es gibt Lösungen“, sagte Friedrich im Hinblick auf die Erweiterung der Hilfen. Am Ende der Abwärts- und Armutsspirale, die häufig mit Alkoholismus einhergehe, könne der Verlust der eigenen Wohnung stehen. Umso wichtiger sei der soziale Wohnungsbau für all jene, die am Rande der Gesellschaft stehen. Friedrich rechnete vor, dass aktuell 500 bis 600 neue Wohnungen im Stadtgebiet entstehen, davon 100 bis 120 mit einer sozialen Mietpreisbindung. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass dies keine Konkurrenz zu dem Projekt der Erlacher Höhe sein werde. Vielmehr werden die Verantwortlichen trotz dieser Verbesserungen Probleme haben, den Bedarf zu decken.
Dekan Rainer Köpf segnete das Bauprojekt. Den Hinweis, dass das Bestandsgebäude einst ein Pfarrhaus war, hörte Köpf gerne. Er sagte mit einem Verweis auf die Geschichte des Hauses: „So wird nun aus dem Haus der Liebe ein Haus der tätigen Liebe.“
Zeitplan Nachdem die Coronapandemie die Bauherren dazu gezwungen hatte, das Projekt zurückzustellen, soll es jetzt zügig voran gehen. Der Neubau soll im August 2025 bezugsfertig sein. Dann beginnt die Modernisierung des Bestandsgebäudes. Diese soll bis Ende 2026 abgeschlossen sein.
Kosten Die Baukosten haben sich seit 2019 von 2,3 Millionen Euro auf 5,2 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Mehrere Gründe gibt es hierfür. So stieg der Baupreisindex von 2019 bis 2024 um 47 Prozent. Neben dieser enormen Kostensteigerung im Baubereich wurden jedoch auch mehr Plätze beziehungsweise Wohnraum geschaffen. Teuer war auch die Sicherstellung der barrierefreien Nutzung und die verbesserte Fluchtwegsituation über die Laubengänge.
Nachhaltigkeit Geheizt wird mit dem Strom einer Fotovoltaikanlage, die eine Wärmepumpe betreibt. Eine Gasheizung ist nur für den Notfall vorgesehen. Separate Zähler je Nutzungseinheit ermöglichen ein transparentes Energie-Controlling.
Finanzierung Das Ministerium für Soziales und Integration fördert das Projekt mit 1,02 Millionen Euro. Der Kommunalverband Jugend und Soziales schießt 255.000 Euro zu, die Aktion Mensch 220.000 Euro. Darlehen geben der DWW Siedlungsfonds (307.000), die KfW (181.000) und der Kapitalmarkt (1 Million). Der Rest sind Eigenmittel in Höhe von 2,22 Millionen Euro.