BKZ-Redakteur Florian Muhl verabschiedet sich
Nach 29 Jahren als Redakteur der Backnanger Kreiszeitung verabschiedet sich Florian Muhl in den Ruhestand. Als Reporter war der 64-Jährige am liebsten mitten im Geschehen. Seine Recherchen führten den Lokaljournalisten einmal sogar bis nach Jordanien.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Es soll Journalisten geben, die ihren Schreibtisch nur ganz selten verlassen. Recherchieren kann man schließlich auch per Telefon, E-Mail oder Videokonferenz. Eine wirklich spannende Reportage wird so aber kaum entstehen. Dafür muss man vor Ort sein, Augen und Ohren offenhalten und mit den Menschen ins Gespräch kommen. Das ist nicht immer bequem, aber Florian Muhl hat sich nie davor gescheut: „Es lohnt sich, hinzugehen und mit den Leuten direkt zu sprechen“, hat er festgestellt. Mehr als 29 Jahre lang hat er das regelmäßig für die Backnanger Kreiszeitung getan, nun verabschiedet sich der 64-Jährige in den Ruhestand.
Wenn es um eine gute Reportage ging, war sich Florian Muhl für nichts zu schade. „Ab und zu springe ich ganz gerne ins kalte Wasser“, sagt der langjährige Redakteur. Und das ist sogar wörtlich gemeint: Beim Eisschwimmen im Erbstettener Bädle stieg Muhl ins vier Grad kalte Becken.
Zum Protagonisten wurde der Reporter auch bei der „Führerscheinprüfung“, die er nach mehr als 40 Jahren Fahrpraxis mit Fahrlehrer Andreas Rupp noch einmal simulierte. „Leider wäre ich durchgefallen, weil ich an einer Ampel mit dem grünen Pfeil nicht bis zum Stillstand abgebremst habe“, erinnert sich Muhl. Seinen „Lappen“ durfte er trotzdem behalten und die Leser freuten sich über seinen ebenso informativen wie unterhaltsamen Erfahrungsbericht.
Für eine gute Geschichte ist ihm kein Weg zu weit
Zwar ist das Einsatzgebiet eines Lokalredakteurs üblicherweise räumlich begrenzt, doch Florian Muhl hat den Rems-Murr-Kreis für seine Reportagen auch gelegentlich verlassen. Etwa 2018, als der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger die Aktion „Reportertausch“ startete. Obwohl er schon damals zu den Älteren im Team gehörte, war er der Erste, der sich für den einwöchigen Einsatz bei einer anderen Zeitung meldete. Der führte ihn nach Borken im Münsterland. „Ich musste erst einmal auf der Karte schauen, wo das ist“, erinnert sich Muhl. Von den Begegnungen mit den Menschen dort schwärmt er aber bis heute.
Mit einem Leihfahrrad und dem Auftrag „fahr einfach los und spüre Geschichten auf“ wurde er losgeschickt. Das tat Florian Muhl und porträtierte unter anderem eine Künstlerin, fuhr Schlepper mit einem Landwirt und begleitete eine Gruppe von Nachbarn beim Kranzbinden für eine Silberhochzeit. „Das war wirklich spannend, und einen Schnaps habe ich von den Leuten auch immer bekommen“, erinnert er sich lachend.
Seine wohl längste Recherche führte Florian Muhl 2017 bis nach Jordanien. Als er über ein Paar aus Allmersbach im Tal schreiben sollte, das noch zwei Mitfahrer für die legendäre Allgäu-Orient-Rallye suchte, bot er sich kurzerhand selbst an. Als Mitglied des Teams „Turborostig“ ging es für ihn und seine Lebensgefährtin Sigrid Holdschik mit einer alten Mercedes E-Klasse auf eine abenteuerliche Fahrt von Oberstaufen bis nach Amman. Von unterwegs schickte er regelmäßig Texte und Fotos, die in einem Online-Blog und mehreren Zeitungsartikeln veröffentlicht wurden.
Der Weg zum Journalismus führt über Umwege
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Dass Autos in den Texten von Florian Muhl immer wieder eine Rolle spielten, ist übrigens kein Zufall, denn nach der Schule machte er auf Drängen des Vaters zunächst eine Lehre als Kfz-Mechaniker. Auch das anschließende Studium ließ eigentlich eine ganz andere Berufslaufbahn erwarten: Der im hessischen Hanau aufgewachsene Muhl studierte in Darmstadt Maschinenbau.
Erst durch einen Ferienjob kam er zum Journalismus: In der PR-Abteilung der Main-Kraftwerke schrieb er seine ersten Pressetexte. „Das hat mir Spaß gemacht“, erinnert er sich. Als freier Mitarbeiter beim „Darmstädter Echo“ blieb er dem Schreiben treu, und als sich die Chance bot, ein Volontariat bei der Motorpresse in Stuttgart anzufangen, hängte er sein Studium an den Nagel, obwohl ihn nur noch zwei Prüfungen vom Titel des Diplom-Ingenieurs trennten.
Bereut hat er diese Entscheidung aber nie: Nach dem Volontariat arbeitete er zunächst bei zwei Magazinen über Reisemobile. Irgendwann war er es allerdings leid, immer nur über die „großen, weißen Kisten“ zu schreiben. Die Chance, in der Lokalredaktion der Backnanger Kreiszeitung einzusteigen, kam ihm 1995 daher gerade recht. „Etwas Vielseitigeres kann ich mir nicht vorstellen“, sagt er im Rückblick.
Der Abschied von der Zeitung fällt dem 64-Jährigen, der bis 2022 auch Betriebsratsvorsitzender war, nicht leicht. Aber Florian Muhl wird kaum unter Langeweile leiden, denn er hat bereits neue Aufgaben gefunden. Zum Beispiel will er seine Isetta, die so alt ist wie er selbst, endlich zum Fahren bringen. Außerdem ist er kürzlich zum dritten Mal Opa geworden und hat zwei neue Nebenjobs: als Kanu-Guide und als Badeaufsicht im Winnender Freibad. Auch als Rentner wird er also wieder den Sprung ins kalte Wasser wagen müssen.
Nachfolge Die Stelle von Florian Muhl in der Backnanger Lokalredaktion hat zum 1. Mai Andreas Ziegele übernommen. Der 61-Jährige ist in Stuttgart geboren und im Remstal aufgewachsen, seit 1992 lebt er in Backnang. Der studierte Betriebswirt war viele Jahre als Pressesprecher tätig, unter anderem bei ZF Lenksysteme in Schwäbisch Gmünd und an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. Seit 2017 war er als freier Mitarbeiter für die Backnanger Kreiszeitung tätig. Andreas Ziegele ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.