Die Heimat in Bewegung neu entdecken

BKZ-Wandertag Auch die vierte Wanderung auf dem Landschaftserlebnisweg ’s Äpple in Kooperation mit dem Verein Schwäbisches Mostviertel stößt auf helle Begeisterung. Diesmal geht es mit Revierförster Axel Kalmbach auf dem ’s-Äpple-Teilstück 14 rund um Sulzbach an der Murr.

Hin und wieder sammeln sich die Wandersleut unterwegs und erfahren von Experten Interessantes zum jeweiligen Thema.Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Hin und wieder sammeln sich die Wandersleut unterwegs und erfahren von Experten Interessantes zum jeweiligen Thema.Foto: Tobias Sellmaier

Von Cordula-Irene von Waldow-Noller

Sulzbach an der Murr. „Heute sind wieder einige Neue dabei“, freute sich Wanderführer Bernhard Engelmann. Der Wegwart, welcher den insgesamt 84 Kilometer langen Rundwanderweg ’s Äpple betreut, nahm in der großen Gruppe der Wanderfreudigen neben zahlreichen altbekannten auch ganz neue Gesichter wahr. Rund 80 Naturliebhaberinnen und Naturliebhaber hatten sich bei idealem Kaiserwetter gemeinsam mit der stellvertretenden BKZ-Redaktionsleiterin Lorena Greppo auf den Weg gemacht, um sich unterwegs vom Sulzbacher Revierförster Axel Kalmbach über den Klimastress und seine Auswirkungen für unseren Wald informieren zu lassen. Ein Thema, für das sich die rund 5,3 Kilometer lange Strecke um Sulzbach an der Murr als eine der waldreichsten Gemeinden der Region ideal anbot. Sulzbachs Bürgermeisterin Veronika Franco Olias hatte es sich nicht nehmen lassen, die Gruppe zu begrüßen. Sie bedauerte, aufgrund wichtiger Termine nicht mitwandern zu können. Von der Festhalle aus ging es gut gelaunt entlang der Tennisanlagen durch Feldwege in Richtung Wald. Die Redakteurin sicherte den Übergang über die wieder freigegebene und beständig viel befahrene B14. Klaus Noller gehörte zu den wenigen, die abenteuerlustig den Weg unter der Brücke auf dem schmalen Sims oberhalb des Baches wählten. Der Mittsechziger lachte: „Eine neue Herausforderung für mich.“ Bald sprudelten die Gespräche bei den Wanderern so munter wie das glasklare Wasser der Lauter, die erfrischend neben dem Wiesenweg plätscherte.

Wanderstrecke ist für manch einen wie eine Reise in die Vergangenheit

Für Gerhardt Wieland ist die Wanderstrecke wie eine Reise in die Vergangenheit. „Ich habe hier schon viele Stückle bewirtschaftet“, erinnert sich der Fachwart des Obst- und Gartenbauvereins (OGV) Sulzbach. Damals, als noch jedes Haus im Dorf Lautern ein Bauernhof war und Mist als bester Dünger galt. Doch in den vergangenen 30 oder 40 Jahren habe sich die Landwirtschaft und damit auch das Bild der Naturlandschaft erheblich gewandelt. Ob der Grünschnitt, der heute häufig liegen gelassen werde, um die Wiesen zu stärken, besser sei, möchte er bezweifeln.

Auf dem geschotterten, steilen Anstieg ist die Sonnenwärme des Hochsommertags schweißtreibend spürbar. Doch die Gespräche lenken ab von der Hitze und jeder wählt das Tempo, welches für ihn angenehm ist. Die Senioren mit Nordic-Walking-Stöcken schreiten ebenso beherzt voran, wie die jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Was für einen erheblichen Unterschied der Wald macht, ist deutlich spürbar, als fast auf der Höhe die Bäume Schatten und Kühle spenden. Hier sammelt sich die Gruppe, um Axel Kalmbach zu lauschen. Der Revierförster veranschaulicht anhand ausgedruckter Diagramme die gemessene Temperaturentwicklung der vergangenen insgesamt 60 Jahre. War der Temperaturanstieg von 1961 bis 1991 noch sehr moderat, steige die Durchschnittstemperatur seitdem spürbar. Bereits jetzt herrschten auf der Höhe Temperaturen wie ursprünglich im wärmeren Rheintal. Zwar gleiche die Prognose für die Zukunft dem Blick in die berühmte Glaskugel, doch müsse davon ausgegangen werden, dass die Durchschnittstemperaturen weiter zunehmen und das sich verändernde Klima Auswirkungen auf den Wald und seine Gesundheit habe.

Einen moderaten Anstieg in der Kühle des Laub- und Mischwalds weiter, präsentierte Axel Kalmbach die angedachten Lösungsansätze für die Zukunft. Während ein Landwirt jährlich neu entscheiden könne, was er sät und pflanzt, gelte es in der Forstwirtschaft, jetzt die Weichen für die kommenden 60, 80 oder gar 100 Jahre zu stellen. In der weiten Region wachsen mit einem Bestand von über 70 Prozent vorwiegend Buchen, Eichen und Richtung Murrhardt zusätzlich Weißtannen als heimische Bäume.

„Wir sind beim Thema Fichtensterben bislang glimpflich davongekommen.“ Axel Kalmbach, Revierleiter im Gemeindewald Sulzbach an der Murr

© Jörg Fiedler

„Wir sind beim Thema Fichtensterben bislang glimpflich davongekommen.“ Axel Kalmbach, Revierleiter im Gemeindewald Sulzbach an der Murr

Die Fichten, die vor 100 Jahren als Brotbaum der Forstwirtschaft ergänzt wurden, litten als Erste unter Wärme und Trockenheit, was andernorts zu massiven Schäden durch den Borkenkiefer geführt habe. „Wir sind bislang glimpflich davongekommen“, bestätigt der Revierförster, was der Blick über die zumeist bis zum Horizont kraftvoll grün leuchtenden Bäume offenbart.

Weitere Themen

Während die Prognose für Fichten relativ düster aussehe und vielerorts bereits mit exotischen Bäumen experimentiert werde, mag der Revierförster lieber auf die heimischen Laubbaumarten setzen, da diese mit den Umgebungsbedingungen zurechtkämen. Er zeigt eine Aufstellung von Baumarten, aus denen ein Expertenteam für Aufforstungen je nach Standort bezüglich Höhenlage, Himmelsrichtung und Boden auch neue Bäume auswählen kann, etwa den Feldahorn. Hoffnungsfroh beschreibt er: „Unser Lösungsansatz sieht dabei eine Mischung aus drei bis fünf Hauptbaumarten vor, die dann mindestens jeweils zehn Prozent der Fläche ausmachen.“ So sei man voraussichtlich klimastabil auf der sicheren Seite, falls es doch den einen oder anderen Ausfall bei einer Baumart geben sollte. Außerdem habe man aus der Erfahrung gelernt, wie wenig sinnvoll es ist, Wälder mit altem Baumbestand auszuholzen, weil es ihnen mehr schade als nutze, sie dadurch zunehmend unter der Sonne litten. Er betont: „Wir sollten nicht mehr so stark eingreifen und auch bei der Verjüngung schauen, dass wir den Wald geschlossen halten.“ Zudem gelte ein Umdenken in der Baumwirtschaft und in der Holzindustrie, indem Bäume einfach früher und somit mit dünneren Stämmen geerntet würden. Eben bevor sie anfingen, trocken zu werden.

Die Heimat in Bewegung neu entdecken

Sicher wäre das bewegende, zukunftsträchtige Thema in Kleingruppen noch intensiver diskutiert worden, hätte nicht nach kurzer Wegstrecke der OGV Sulzbach zu einer köstlichen Pause eingeladen. Am idealen Ort im luftigen Baumschatten bogen sich die dort aufgestellten Tische unter selbst gebackenem Brot, bestrichen mit Kräuterbutter quer durch den Garten, Bärlauchpesto oder auf die bereit gestellten Süßaufstriche wartend, sowie unter gleich zwei Sorten Apfelkuchen. Bereits großzügig eingeschenkt, erwarteten Apfelsaftschorlen die durstigen Wanderer. „Greift zu, es ist genug da“, hieß es immer wieder. „Ich habe viel mehr gegessen, als ich wollte, aber es war einfach superoberlecker“, stöhnte eine Teilnehmerin wohlig. Sie war nicht die Einzige, die sich freute, dass es nach einem herrlichen Weitblick über Sulzbach und die Wälder von nun an abwärts ging, zwar steil, doch dafür rasch und dann entlang von Streuobstwiesen und kühlendem Bach durch den netten Ort zum Ausgangspunkt zurück.

Das interessante Thema und ein freier Freitag hatten Gabi Dust dazu bewogen, sich erstmals der BKZ-Wanderung anzuschließen. Die Backnangerin war ebenso begeistert wie Dieter und Ute Kuhnert. „Meine Frau hat heute Morgen in der Zeitung davon gelesen und wir sind spontan mitgekommen“, berichtet der 60-Jährige. Er ist erstaunt über die große Teilnehmerzahl und erfreut, dass sich die Gruppe dennoch unterwegs so verläuft, dass eine entspannte Wanderatmosphäre entsteht. Elke Marquardt findet das Angebot toll. Sie nutzte es bereits zum zweiten Mal, um ihren Vorsatz, sich mehr zu bewegen, auf wunderschönen Wegen und in einer Gruppe netter Menschen umzusetzen.

Teilnehmer erfahren Wissenswertes rund um die heimische Kulturlandschaft

Stammteilnehmer Wolfgang Reber gefällt neben der gelungenen Streckenauswahl die kompetente Begleitung durch unterschiedliche Experten und somit Wissenswertem rund um die heimische Kulturlandschaft. „Die Heimat neu zu entdecken und besser kennenzulernen“, war ein Ansporn für einige Teilnehmer.

Nächste Wanderung Am kommenden Freitag, 30. August, haben Wanderfreudige erneut Gelegenheit dazu, wenn es auf den ’s-Äpple-Teilabschnitten 9/10 rund sechs Kilometer weit rund um Burgstall geht. Im Mittelpunkt steht diesmal die Landwirtschaft. Stichworte dazu sind kleinflächige Strukturen und Biotopvernetzung. Als Expertin ist, wie bereits bei Wanderung zwei zum Thema Streuobstwiesen und die Entstehung der hiesigen Kulturlandschaft, Petra Klinger mit dabei. Treffpunkt ist, anders als zuvor angedacht, die Gemeindehalle direkt an der Murr in Burgstall, an der ausreichend kostenfreie Parkplätze zur Verfügung stehen. Für die BKZ begleitet der stellvertretende Redaktionsleiter Matthias Nothstein die Gruppe.

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Erstellt:
26. August 2024, 06:00 Uhr

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