Dreitägiges Hacking-Event im Backnanger Kino
Der Chaostreff Backnang, der dem Chaos Computer Club nahesteht, hat am vergangenen Wochenende sein Hacking-Event „FSCK“ im Kino Universum abgehalten. Rund 140 Hacker aus ganz Deutschland kommen zu den Vorträgen, Workshops und vor allem zum Austauschen.
Von Kristin Doberer
Backnang. Ein abgedunkelter Raum, bunte LEDs an den Wänden und Decken – vor allem aber sehr viele Laptops, an denen fleißig getippt wird. Das Bild, das sich einem am vergangenen Wochenende in Teilen des Backnanger Kino Universums geboten hat, entspricht tatsächlich dem ein oder anderen Klischee, das man von einem Hacking-Event so im Kopf hat. Denn noch dazu findet man technische Spielereien, wohin man auch blickt: ein Würfel, auf dem man Snake in 3D spielen kann, weitere Retrospiele, selbst gebaute computergesteuerte Figuren, zahlreiche Kabel – und zwischendrin natürlich Flaschen mit Club Mate. Eingeladen zu dem Hacking-Event „FSCK“ hat der Chaostreff Backnang, bereits zum zweiten Mal treffen sich technikbegeisterte und Hacker aus ganz Deutschland in den Räumen des Kino Universum. Der Chaostreff ist ein recht junger Verein, der sich dem Chaos Computer Club (CCC) verbunden fühlt, der größten europäischen Hackervereinigung.
Etwa 140 Menschen sind zu dem Event nach Backnang gereist. „Damit sind wir restlos ausverkauft“, sagt Erik Zeiske, einer der Helfer bei dem Event. Bereits im vergangnen Jahr hat der Verein das dreitägige Hacking-Event in Teilen des Kinos veranstaltet, wenn auch nur mit rund 90 Teilnehmern. „Wir wollten uns erst etwas herantasten“, sagt Patrick Schwarz, einer der Vorsitzenden des Vereins. In diesem Jahr gibt es nun nicht nur mehr Teilnehmende, sondern auch mehr Vorträge und Workshops, die sich auf zwei Kinosäle, den Flur und einen großen Vorraum verteilen.
Den Großteil der Vorträge und Workshops tragen die Teilnehmer selbst bei. Wer interessantes und spannendes mitzuteilen hat, der meldet sich im Vorfeld bei den Veranstaltern. Das reicht von Themen wie „Witzige/Belastende Dinge aus dem Leben eines Elektrikers“ über die Programmierung eines Musikweckers bis hin zu einem kritischen Blick auf die Bahninfrastruktur und Reisendeninformation. Auch ganz spezielle Themen waren geboten, wie zum Beispiel „OpenWrt-Portierung für Quereinsteiger“ oder „Einen Parser in einem Tabellenkalkulationsprogramm erstellen“.
Teilnehmer gehen mit zahlreichen neuen Ideen und Bekanntschaften nach Hause
Zusätzlich zu den Beiträgen von den Teilnehmenden organisieren die Veranstalter noch ein paar Gastredner, die speziell zum Kinothema passen. Denn dass das Event in Kinosälen stattfindet, das sei auch in der Chaos-Community einzigartig. So erzählt beispielsweise Kinobesitzerin Annegret Eppler davon, was eigentlich passiert, bis der Film auf die Leinwand kommt. Auch gibt einen Vortrag eines Animationsstudios zu Animation und VFX sowie einen Vortrag dazu, wie man alte Filme für die Zukunft retten kann und dazu, wie man analoge Filme selbst entwickeln kann.
„Hier geht man nach zwei Tagen raus und hat mehr gelernt, als bei irgendwelchen teuren Schulungen“, berichtet Teilnehmer Matthias, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sein Arbeitgeber bestärke ihn sogar dabei, solche Hacking-Events zu besuchen. „Ich gehe immer mit 100 neuen Ideen nach Hause.“ Für viele ist es aber auch ein Ansporn, an eigenen Projekten zu arbeiten. In einem großen Nebenraum des Kinos sitzen nämlich zahlreiche Teilnehmer über ihren Laptops und programmieren Websites, LED-Anzeigen oder sonstige Spielereien, an Software wird ebenso gearbeitet wie an Hardware. Dabei unterstütze man sich gegenseitig, gebe Ideen, um Probleme zu lösen, oder motiviere sich einfach, ein Projekt weiter zu verfolgen, berichtet ein Teilnehmer, der die Zeit zwischen den Vorträgen nutzt, um eine Website zu programmieren.
Weitere Themen
Doch vielen, die zum Teil jedes Wochenende auf einem anderen Hacking-Event sind, geht es gar nicht in erster Linie um die Vorträge und Workshops. Nach ihrem Highlight des Wochenendes gefragt, kommt fast immer die gleiche Antwort: Der Austausch mit Gleichgesinnten. „Das Highlight sind einfach die Gespräche mit Leuten“, sagt zum Beispiel L3D, der mit bürgerlichem Namen Lilian Roller heißt und vom Bodensee angereist ist. Einerseits lerne man auf solchen Veranstaltungen viele Menschen mit ähnlichen Interessen kennen, andererseits sei die Community auch nicht allzu groß, sodass Hacking-Events eine gute Möglichkeit sind, um Bekannte wiederzusehen. Auch Falk Hamann schätzt den guten Zusammenhalt in der Community. „Alle hier sind so bunt und so unterschiedlich. Und jeder macht genau das, was ihm Spaß macht – und wird so akzeptiert, wie er ist“, sagt der Backnanger. Die Unterstützung in der Chaos-Community – also der Gemeinschaft rund um die Hackervereinigung des Chaos Computer Club – sei insgesamt sehr groß. Das zeige sich auch gerade bei solchen Veranstaltungen wie in Backnang, berichtet Erik Zeiske. So müssen die Veranstalter nicht alles alleine stemmen, sondern bekommen Unterstützung von den Teilnehmenden. Ob beim Abspülen, beim Auf- und Abbauen, beim Waffeln backen oder bei sonstigen kleinen und großen Aufgaben, die am Wochenende so anfallen. „Jeder, der herkommt, kann mithelfen. Und alle machen das im Ehrenamt“, so Zeiske. Manchmal geschehe diese Hilfe auch ohne, dass die Veranstalter speziell danach Fragen müssen. Zum Beispiel taucht plötzlich eine digitale Anzeigentafel mit den Vorträgen und Workshops auf, ist etwas am Veranstaltungsort kaputt oder funktioniert nicht richtig, werde das oft nebenbei repariert.
Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft in der Community sind groß
Die Teilnehmer reisen aus ganz Deutschland an: Michaela kommt beispielsweise aus Köln. „Backnang hatte ich vorher überhaupt nicht auf dem Schirm“, sagt sie. Als einen Programmpunkt gibt es deshalb auch „Hackertours“ zum Stadtturm. Aber auch aus Leipzig, dem Westerwald und weiteren Regionen sind die Technikbegeisterten nach Backnang gekommen. Ein Hotel braucht übrigens kaum einer, berichtet Michaela. Hier zeige sich wieder der Zusammenhalt der Community, man finde irgendwo immer einen Schlafplatz.
Illegale Machenschaften, die zumindest laut Klischees häufig mit Hackern in Verbindung gebracht werden, gebe es bei der Backnanger Veranstaltung nicht. „Man versucht eher die Grenzen zu finden, die die Gesellschaft auferlegt, oder diese bewusst zu provozieren. Aber mehr mit technischen Spielereien oder lustigen Aktionen“, sagt Erik Zeiske. Zum Beispiel, indem man eine Funksteuerung umnutzt. Außerdem sehe er das Problem nicht bei den Hackern, wenn jemand als Passwort „1234“ oder den eigenen Firmennamen nutzt. Dann nutze man lustige Aktionen, um darauf aufmerksam zu machen, dass sichere Passwörter nötig sind.
Wofür genau der Name des Events – „FSCK“ – steht, das wissen die Veranstalter übrigens selbst nicht genau. „CK könnte vielleicht für Chaos Kino stehen“, meint Erik Zeiske. Für den Rest wollte man sich eigentlich noch etwas einfallen lassen. Oder sogar ein Programm schreiben, das sich bei jedem Website-Aufruf eine neue ausgeschriebene Form einfallen lässt. Aber das klappt dann vielleicht bis zum nächsten FSCK-Event im kommenden Jahr.