Ein Dauerdigitalpakt wird gewünscht
Die Mittel des bundesweiten Förderprogramms haben an den Schulen in der Region viel bewirkt. Allerdings sollte man es nicht bei der einmaligen Investition belassen, sagen Schulleiterinnen und Schulleiter aus der Region. Denn es gibt noch viel zu tun.
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Fragt man in den Schulen der Umgebung nach dem Nutzen des Digitalpakts Schule, der kürzlich ausgelaufen ist (siehe Infotext), so fällt die Antwort einhellig aus: „Die Schulen in Backnang haben sehr davon profitiert“, sagt beispielsweise Karin Moll, Rektorin an der Mörikeschule und geschäftsführende Schulleiterin der Backnanger Schulen. Alle Schulen hatten bei der Erarbeitung des Medienentwicklungsplans die Möglichkeit, anzugeben, was sie benötigen. „Und sehr großflächig haben wir das auch erhalten“, lobt sie. Christian Zeller, Schulleiter der Realschule am Bildungszentrum Weissacher Tal, sagt: „Der Anschub durch den Digitalpakt Schule ist ein unglaubliches Geschenk, das aber auch dringend notwendig war.“ Moderne Klassenzimmer und Endgeräte für Lehrkräfte und Schüler – all das werde in Weissach im Tal auf den Weg gebracht. Mit dem normalen Schuletat sei so etwas nicht umsetzbar. Die Mittel ermöglichten es, die Schule auf einen hohen technischen Standard zu heben. Das gelte für das gesamte Bize.
„Wir sind spitzenmäßig ausgestattet“, sagt auch Udo Weisshaar, Schulleiter des Gymnasiums in der Taus. Anfangs habe er das Vorhaben der Stadt Backnang als sehr ambitioniert empfunden, alle Schülerinnen und Schüler mit digitalen Endgeräten auszustatten. Am Tausgymnasium sei dies aber bereits seit Ende des vergangenen Jahres Realität. Auch sind die meisten Zimmer mit digitalen Tafeln ausgestattet. Obwohl er der Generation Ü60 angehöre, müsse auch er anerkennen, dass diese Geräte viele Vorteile bieten, berichtet Udo Weisshaar schmunzelnd. In der Mörikeschule hat zwar nicht jeder Schüler ein Tablet bekommen, aber ein bestimmter Satz an Geräten sei verfügbar, so Karin Moll. Das sei auch ausreichend. Zudem verfüge die Schule über ausreichend Lehrerendgeräte und in jedem Zimmer stehe ein Whiteboard. „Alle Backnanger Schulen werden bis Ende des Jahres gleichwertig digital ausgestattet sein“, heißt es auf Anfrage vonseiten der Backnanger Stadtverwaltung. „Bei der digitalen Ausstattung wurden die individuellen pädagogischen Konzepte jeder Schule berücksichtigt. So kann die digitale Ausstattung optimal in den Unterricht integriert werden.“ Zusätzlich zu den Mitteln, für die die Stadt einen Zuwendungsbescheid erhalten hat, habe man weitere, von anderen Kommunen nicht abgerufene Mittel aus dem Digitalpakt beantragt.
Geräte veralten schnell und müssen regelmäßig ausgetauscht werden
Und die mit den Fördergeldern gekauften Geräte kommen im Unterricht inzwischen ganz selbstverständlich zum Einsatz. Das Förderprogramm hat also tatsächlich einen Schub in Sachen Digitalisierung an den Schulen gebracht. Braucht es also überhaupt einen zweiten Digitalpakt, wie er derzeit auf bundes- und landespolitischer Ebene im Gespräch ist? „Eigentlich wäre ein Dauerdigitalpakt notwendig“, sagt Udo Weisshaar. Aus mehreren Gründen. Ein entscheidender Grund: Die Geräte müssen in wenigen Jahren ausgetauscht werden.
Auch Christian Zeller plädiert für einen jährlichen Sockelbetrag, anstatt dass alle paar Jahre ein großer Batzen verteilt wird. „Dann muss auch nicht jedes Mal darüber diskutiert werden.“ Das erhöhe zudem die Planbarkeit für Schulträger und Schulen.
Christine Engel, Rektorin der Sulzbacher Lautereck-Realschule, sieht einen weiteren Digitalpakt ebenfalls positiv. Mit mehr Mitteln gäbe es noch mehr Möglichkeiten: etwa dass Räume komplett digitalisiert ausgestattet werden – als Makerspace für allerlei Projekte. Die Ausstattung ihrer Schule sei „nicht ganz so gut wie in Backnang“, beklagen möchte sie sich dennoch nicht. Fernseher, Beamer, iPads – das alles werde momentan angeschafft.
In nicht allzu ferner Zukunft auch ein Glasfaseranschluss
Im Gegensatz zu manch anderer Schule bezeichnet Christine Engel die Internetverbindung an ihrer Schule als „völlig in Ordnung“. In nicht allzu ferner Zukunft werde auch ein Glasfaseranschluss kommen. In Weissach wird WLAN aktuell nur als Lehrernetz bereitgestellt, berichtet Christian Zeller. „Die Kapazitäten sind noch viel zu gering. Wir bräuchten etwas, das mit einem Bahnhof vergleichbar ist“, erklärt er. Denn bei etwa 1500 Personen, die jeweils mindestens eines, manchmal auch mehrere mobile Endgeräte nutzen, sei ein Standardschulnetz schnell in die Knie gezwungen.
Und auch in Backnang ist die Lage nicht optimal. „Beim WLAN hapert es immer wieder“, berichtet Karin Moll. Das führe dazu, dass ihr Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel nicht in das digitale Klassenbuch kommen. Auch am Tausgymnasium warte man seit Monaten auf eine WLAN-Lösung, berichtet Udo Weisshaar. Was die Geräte angehe, schauten viele neidisch nach Backnang. Da habe man die Zeichen der Zeit erkannt. Neben der Infrastruktur sehe er aber auch noch Nachholbedarf bei der didaktischen Gestaltung der Digitalisierung. Da möchte Udo Weisshaar seine Schule gar nicht ausnehmen. Er bescheinigt seinen Lehrkräften zwar großen Einsatz, aber es muss halt alles nebenherlaufen. Die Verwaltung der Endgeräte oder des Netzwerks nennt der Schulleiter als Beispiel. „Ein Lehrer hat ein Deputat. Das sind Zusatzstunden, die man irgendwie rausschinden muss.“ Bisher gehe man auf politischer Ebene davon aus, dass dies nebenher machbar sei. „Pfeifendeckel“, sagt Udo Weisshaar dazu und erntet Zustimmung von seinen Kolleginnen und Kollegen.
Die Arbeit der Lehrkräfte wird nicht ausreichend honoriert
„Lehrer, die Administratoren des Schulnetzes sind, übernehmen Aufgaben wie die Nutzerpflege und sind Ansprechpersonen bei Problemen“, erklärt Christian Zeller. Das werde mit höchstens zwei Anrechnungsstunden honoriert. Bei etwa 500 Schülern und 40 Lehrkräften allein an der Bize-Realschule bilde das keineswegs die Realität ab. „Das ist ein Hohn und überhaupt nicht wertschätzend“, lautet sein Urteil. Aktuell funktioniere das nur mit viel Idealismus. Hinzu komme, dass bei manchen technischen Fragen auch versierte Lehrkräfte an ihre Grenzen stoßen. In Backnang übernimmt die städtische IuK-Abteilung (Informations- und Kommunikationstechnik) Wartung und Reparatur der Geräte, in Weissach und Sulzbach an der Murr helfen externe Firmen aus. „Anders wäre das nicht mehr leistbar“, so Christian Zeller.
Dass es im Rahmen des Digitalpakts Schule auch Schulungen für die Lehrkräfte geben soll, begrüßen die Schulleiter – aber unter der Prämisse, dass sie es selbst organisieren. In der Lautereck-Realschule gebe es zu Digitalisierungsthemen selbst geplante Fortbildungen vor Ort, an denen alle Lehrkräfte teilnehmen. Darüber hinaus gebe es natürlich auch Einzelpersonen im Kollegium, die „vorpreschen“ und sich in manche Themen einarbeiten. „Sie geben das aber als Input in das Kollegium mit rein“, so Christine Engel. „Verpflichtend von oben herab fände ich das nicht gut.“
Ziel Mit dem Digitalpakt Schule 2019 bis 2024 wollten der Bund und die Länder die Leistungsfähigkeit der digitalen Bildungsinfrastruktur an Schulen stärken und so die Grundlagen zum Erwerb von digitalen Kompetenzen an Schulen nachhaltig verbessern.
Umfang Insgesamt stellt der Bund im Rahmen des Digitalpakts Schule in den Jahren 2019 bis 2024 Finanzhilfen in Höhe von fünf Milliarden Euro zur Verfügung. Die Mittel wurden nach Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt. Auf Baden-Württemberg entfallen während der Laufzeit von fünf Jahren rund 650 Millionen Euro (Rems-Murr-Kreis: etwa 19,3 Millionen Euro). Mehr als 90 Prozent des Geldes ist inzwischen abgerufen worden.
Verwendung Eine stichprobenartige Abfrage der ARD ergab, dass die Mittel größtenteils für die Anschaffung digitaler Geräte verwendet wurden – beispielsweise für digitale Tafeln und Tablets.
Weiterführung Dass das Programm weitergeführt werden soll, darüber herrscht bei Bund und Länder Einigkeit. Über das Wie gibt es aber noch unterschiedliche Ansichten. Immerhin der Programmzeitraum ist schon festgelegt: Er soll von 2025 bis 2030 dauern. Bislang hat der Bund 90 Prozent der Finanzierung übernommen, die Länder je zehn Prozent. Das könnte sich ändern. Verbindliche Angaben, wie viel Geld bereitgestellt wird, fehlen bislang auch. Auch die Vorgaben könnten sich ändern, denn es soll nicht mehr nur um die Ausstattung der Schulen, sondern auch um die digitale Qualifizierung von Lehrkräften gehen: 30 Stunden Fortbildungen sollen verpflichtend sein.