Firmen im Rems-Murr-Kreis vermissen Planungssicherheit
Die IHK-Konjunkturumfrage im Rems-Murr-Kreis offenbart eine große Verunsicherung in den Betrieben. Einige Unternehmer aus dem Backnanger Raum erklären, was sie sich jetzt von der Bundesregierung wünschen.
Von Kornelius Fritz
Rems-Murr. Die deutsche Wirtschaft schwächelt: Diese Woche hat die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose für 2024 von 1,3 Prozent auf 0,2 Prozent gesenkt. Auch im Rems-Murr-Kreis ist die Lage alles andere als rosig. Das zeigen die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) diese Woche veröffentlicht hat. So hat sich der Index für die aktuelle Geschäftslage zum dritten Mal in Folge verschlechtert. Der Anteil der Firmen, die ihre aktuelle Lage als schlecht bezeichnen, ist seit Herbst von 19 auf knapp 23 Prozent gestiegen. Auch beim Blick in die Zukunft überwiegt die Skepsis. Zwar hat sich der Indexwert hier im Vergleich zum Herbst leicht verbessert, die Pessimisten sind aber weiterhin in der Überzahl. Nur knapp 16 Prozent der Betriebe erwarten, dass sich ihre Geschäftszahlen in den nächsten zwölf Monaten verbessern werden, 23,6 Prozent rechnen hingegen mit einer weiteren Verschlechterung.
Besonders trüb ist die Stimmung im Handel: 57 Prozent beurteilen hier ihre Lage als schlecht und nur 4,3 Prozent rechnen mit Verbesserungen. Mehr Optimismus herrscht im Dienstleistungssektor, wo nur 15,5 Prozent über schlechte Geschäfte klagen.
Die Gründe für die anhaltende Konjunkturflaute sind aus Sicht der IHK vielfältig: Geopolitische Spannungen, hohe Zinsen und eine schwache Auslandsnachfrage spielen dabei eine Rolle. IHK-Präsident Claus Paal übt aber auch deutliche Kritik an der Wirtschaftspolitik der Ampelregierung: „Was unseren Unternehmen fehlt, ist wirtschaftliche Planbarkeit und Verlässlichkeit. Die aktuelle Politik der Bundesregierung führt zu Verunsicherung und Wettbewerbsnachteilen, die nicht hingenommen werden können“, sagt der Kammerpräsident, der bis 2021 für die CDU im baden-württembergischen Landtag saß. In der Rangliste der größten Risiken steht die Wirtschaftspolitik bei den Unternehmen allerdings nur auf Platz fünf. Die schwache Inlandsnachfrage, der Fachkräftemangel sowie hohe Arbeits- und Energiekosten machen den Unternehmen aktuell noch größere Sorgen. Anlass zu etwas Zuversicht gibt die Exportwirtschaft. Immerhin 28,3 Prozent der Unternehmen erwarten 2024 steigende Exporte.
Automobilfirmen investieren nur noch das Notwendigste
Auf Nachfrage unserer Zeitung erläutern einige Unternehmer aus dem Backnanger Raum, was sie konkret kritisieren. Jürgen Holz, Geschäftsführer des Maschinenbauers Holz Automation, nennt etwa das geplante Aus für den Verbrennungsmotor. „Zum ersten Mal schreibt die Politik eine bestimmte Technologie vor. Ich befürchte, dass wir uns damit selbst ins Knie schießen“, sagt der Unternehmer. Seine Firma mit Sitz in Backnang-Waldrems hat bis vor einigen Jahren den größten Teil ihres Umsatzes mit Kunden aus der Automobilbranche gemacht. Doch dieser Geschäftsbereich ist laut Jürgen Holz massiv eingebrochen: „Die Automobilfirmen investieren nur noch das Notwendigste.“ Für Verbrenner werde kaum noch Geld ausgegeben, die Elektromobilität komme in Deutschland aber auch nicht richtig ins Rollen und hinke der Konkurrenz aus Fernost hinterher. Die aktuelle Schwäche der Wirtschaft ist aus seiner Sicht deshalb nicht nur ein konjunkturelles, sondern auch ein strukturelles Problem. Für die eigene Firma sieht er trotzdem nicht schwarz: Holz Automation baut jetzt hauptsächlich Maschinen für andere Branchen.
Auch die in Backnang ansässige Stoba-Gruppe war früher ein klassischer Automobilzulieferer, hat sich zuletzt aber breiter aufgestellt und neue Märkte erschlossen. Für das laufende Jahr erwartet CEO Christoph Bode für sein Unternehmen „eine stabile Seitwärtsbewegung mit schwächerem erstem Halbjahr“. Auch er kritisiert allerdings die fehlende Planungssicherheit in vielen Bereichen. Bode nennt in diesem Zusammenhang auch die aktuelle Debatte um weniger Arbeit bei gleicher Entlohnung. „Das ist nicht zielführend für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit“, findet der Stoba-Geschäftsführer. „Für mich gilt nach wie vor: Von nichts kommt nichts.“ Nur wenn alle motiviert anpackten, könne sich Deutschland im internationalen Vergleich behaupten.
Baubranche hofft auf Förderung vom Staat
Mit ganz besonderen Herausforderungen ist derzeit die Baubranche konfrontiert. Der Zinsanstieg hat die Nachfrage einbrechen lassen. Hinzu kommen unklare Rahmenbedingungen, etwa was staatliche Förderprogramme angeht. „Bei den Kunden herrscht gerade maximale Verunsicherung“, sagt Sven Feil, Geschäftsführer des Fertighausherstellers Talbau aus Oberweissach. Viele würden deshalb erst einmal abwarten. Hier brauche es dringend Impulse, sonst sei 2024 keine Besserung zu erwarten.
Ähnliche Erfahrungen macht man auch beim Baufachmarkt Feucht in Backnang. Geschäftsführer Zoran Jovanovic wünscht sich mehr Unterstützung von der Politik, etwa durch eine verstärkte Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Außerdem fordert er einen Abbau der Bürokratie: „Hohe Auflagen machen Bauprojekte nicht nur komplex, sondern auch kostspielig“, beklagt der Geschäftsführer. Dabei werde Wohnraum eigentlich dringend gebraucht.
Trotz der kriselnden Wirtschaft zeigte sich der Arbeitsmarkt im Rems-Murr-Kreis zuletzt erstaunlich stabil. Das könnte sich im laufenden Jahr allerdings ändern. In der IHK-Umfrage erklärte die befragten Unternehmen mehrheitlich, dass sie in den nächsten zwölf Monaten mit einem Abbau von Arbeitsplätzen rechnen.
Umfrage Dreimal im Jahr befragt die Industrie- und Handelskammer ausgewählte Unternehmen in der Region Stuttgart zu ihrer momentanen Geschäftslage und den Zukunftserwartungen. Die aktuelle Umfrage wurde im Zeitraum vom 2. bis 22. Januar durchgeführt. Insgesamt 741 Unternehmen haben sich daran beteiligt, darunter 114 aus dem IHK-Bezirk Rems-Murr.
Details Den gesamten Konjunkturbericht für den Jahresbeginn 2024 sowie die Veröffentlichungen aus Herbst und Sommer 2023 finden Sie unter www.ihk.st/rm-konjunktur.