Für die Bauhütte geht’s jetzt richtig los
Ehrenamtliche bringen ihre Arbeitskraft für die Sanierung der Backnanger Stiftskirche ein – Kirchenschiff muss leergeräumt werden
Jetzt sind die Ehrenamtlichen der Stiftsbauhütte so richtig gefordert. Seit dem letzten Gottesdienst in der Backnanger Stiftskirche vor einem Monat räumen sie voller Eifer das Kirchenschiff leer, damit die eigentlichen Handwerker so richtig unbehindert loslegen können. Hauptaufgabe derzeit ist der Ausbau der Kirchenbänke. Sie werden bis zum Wiedereinbau in einer alten Halle in der Fabrikstraße zwischengelagert.

© Pressefotografie Alexander Beche
Probelauf der fleißigen Helfer für den Abtransport der Kirchenbänke, der demnächst ansteht. Gemeinsam geht die Arbeit nicht nur einfacher, sondern macht auch sehr viel Spaß. Fotos: A. Becher
Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Es ist kalt an diesem Mittwochabend in dem alten Gemäuer des ehrwürdigen Gotteshauses. Trotzdem frieren die Männer um Stiftsbauhüttenkoordinator Kurt Wörner nicht, sie schaffen fleißig und haben ihre Jacken längst ausgezogen. Diese hängen nun über den Kirchenbänken, die bereits vom Boden gelöst nicht mehr in ihrer beeindruckenden Gleichmäßigkeit den Mittelgang flankieren, sondern jetzt zusammengeschoben auf ihren Abtransport warten. Dieser Transport wird nicht einfach werden, denn jede Bank ist 5,50 Meter lang und somit nicht eben handlich. Deshalb freut sich Wörner umso mehr, dass Martin Sorg einen Lastwagen mit genügend Ladefläche in Aussicht gestellt hat. Mit ihm werden die wertvollen Sitzgelegenheiten in eine Halle der Lederwerke Kaess gefahren und wiederaufbereitet. Das lohnt sich, denn bei den Sitzbänken handelt es sich um beste Wertarbeit. Hergestellt Mitte der 50er-Jahre – und da schließt sich wieder der Kreis – von der Firma Sorg.
Wörner und seine Helfer schwärmen von den stabilen und doch gleichzeitig formschönen Bänken. Trotzdem werden sie einige Änderungen vornehmen müssen. So gibt es eine Kante, die an der Gebetsbuchauflage zwar schön aussieht, die aber allen, die davor auf der Bank sitzen, schmerzhaft in den Rücken drückt. Auch wollen die fleißigen Helfer das Fach für die Gebetsbücher vergrößern, damit die neue, dickere Ausgabe wieder hineinpasst. Die wichtigste Arbeit wird jedoch die Oberflächenbehandlung sein. Dazu haben sie einen Experten konsultiert, den Backnanger Malermeister Rolf Stelzle. Er hat an einer nur ein Meter langen Bank über lange Zeit mehrere Versuche gemacht und nun die beste Lösung erarbeitet, die er dem Helferteam in einem Workshop vermittelt hat. Die Bänke werden demnach nicht abgehobelt und abgeschliffen. „Das wäre aufgrund der vielen Ecken und Rundungen viel zu aufwendig und würde kein so gutes Resultat ergeben“, ist sich Wörner sicher. Das Firnis der Bänke wird vielmehr mit einer speziellen Lauge behandelt und mit Pinsel und Hochdruckreiniger abgewaschen. Am Ende sieht man wieder das reine Holz. Es kann dann wieder mit Firnis eingelassen werden und erhält den Farbton, der stimmig zum gesamten Ensemble der Innenausstattung der Kirche passt und den Segen des Denkmalamts erhält.
All die Arbeiten werden in einer Halle in der Fabrikstraße erledigt, die Wolfgang Kaess den Schaffern seit Jahren überlassen hat. Doch dafür müssen die Bänke erst einmal vor Ort transportiert werden. Wenn alle 32 Bänke losgeschraubt und vorbereitet sind, soll diese Aktion an einem Samstag über die Bühne gehen. Wörner möchte dafür Teams bilden, fürs Auf- und Abladen und fürs Fahren. Sind die Bänke erst einmal weggefahren, können die Helfer auch den Bankspiegel herausreißen. Dabei handelt es sich um das Holzplateau, auf dem die Bänke stehen.
„Nach der Arbeit sitzen wir noch zusammen und schwätzen und verbessern die Welt“
Auf der linken Seite des Kirchenschiffs ist der Holzboden vor den Bänken schon entfernt. Der nackte, löchrige Betonboden hinterlässt einen traurigen Eindruck, der noch verstärkt wird von einem zusammengekehrten Dreckhaufen. Etliche abgeschraubte Winkel und abgesägte Latten liegen umher, an einer Wand stapeln sich Balken. An der Pinnwand neben dem Ausgang werben noch die Plakate für Konzerte von Februar und Anfang März – wie aus einer längst vergangenen Zeit. Die Notenblätter, dank derer die Orgel einst zu Ehren Gottes ertönte, warten in Kisten verpackt auf den Abtransport. Auf einem Sockel hoch in der Wand des Chors thront der auferstandene Christus, die einzige sakrale Figur, die noch nicht von der Restaurationsfirma Cabanis abtransportiert wurde, und blickt herunter, als würde er die Arbeiten überwachen.
Derweil fertigt ein Team beim Aufgang zum Glockenturm ein neues Geländer für die Treppe. Das alte hatte keinen vertrauenswürdigen Eindruck gemacht. Und so schrauben ein Uhrmacher, ein Steinmetz, ein Fahrzeugbauer und ein ehemaliger Tesat-Geschäftsführer in aller Eintracht Balken und Bretter zur allgemeinen Sicherheit. Wörner, der 68-jährige Maschinenbauingenieur, ist zufrieden und schwärmt vom Zusammenhalt. „Nach der Arbeit sitzen wir noch zusammen und schwätzen und verbessern die Welt. Bei uns ist es immer ganz arg nett.“ Das sieht auch Ingo Mörtel so. Er arbeitet bei d&b-Audiotechnik und hat kürzlich seinen Kollegen Adrian Breithaupt angesprochen. „Der schraubt und bastelt unheimlich gerne. Da habe ich ihn gefragt, ob er, wenn er zu Hause einmal nichts zu tun hat, bei der Bauhütte mithelfen möchte.“ Und voilà: Am Mittwoch war der neue Helfer erstmals da. Wenn es nach Wörner geht, könnte das Beispiel Schule machen: „Wir suchen noch Mitstreiter.“

© Pressefotografie Alexander Beche
Ein Team sichert beim Aufgang zum Glockenturm die Treppe mit einem neuen Geländer.
Die Stiftsbauhütte besteht seit fünf Jahren, schließlich war ursprünglich geplant, dass es mit den Sanierungsarbeiten schneller losgeht. Für Wörner war es eine Menge Arbeit, die Ehrenamtlichen so lange bei der Stange zu halten.
Wer sich an den Arbeiten der Stiftsbauhütte beteiligen möchte, kann sich beim Dekanat unter Telefon 07191/32180 melden. Gearbeitet wird mittwochs von 19 bis 21 Uhr.
Der Zeitplan für die weitere Kirchensanierung sieht so aus: Am 4. April werden die Pläne und das weitere Vorgehen im Gemeinderat vorgestellt. Am 10. April schließt sich im Kirchengemeinderat die Vergabesitzung an. Geplant ist, die Aufträge vom ersten Ausschreibungspaket bis Ende April zu vergeben. Theoretisch könnten die Firmen dann im Mai mit den Arbeiten anfangen. Allerdings bezweifelt Andrea Schreiber, die seit Oktober 2018 als neue Kirchenpflegerin im Amt ist, dass die Firmen am 1. Mai loslegen. Davor muss erst noch das Denkmalamt die Freigabe erteilen.
Im ersten Vergabepaket geht es um Rohbauarbeiten. Zuerst wird ein Gerüst aufgestellt und die zweite Empore abgebaut. Dann wird der Fußboden herausgerissen und eine Fußbodenheizung installiert.
Die Baukosten belaufen sich auf 3,8 Millionen Euro, wobei die Kirchengemeinde 900000 Euro beisteuern soll. Zuletzt hat das Spendenbarometer die 600000-Euro-Marke übersprungen, worüber sich Dekan Wilfried Braun sehr freut. Ebenso erfreut ist Kirchenpflegerin Andrea Schreiber, dass bei der Ausschreibung die prognostizierten Kosten nicht überschritten wurden.