Geschichte der Alchemie
Mehr als Goldmachen: In der Hexenküche der Alchimisten
Wer hätte sie nicht gern, die Formel zum Goldmachen. Alchemisten der frühen Neuzeit werkelten an einer Lösung – durchweg ohne Erfolg. Doch die Vertreter dieses Fachs werden bis heute unterschätzt. Ein Rückblick in die Geschichte.
Von Markus Brauer/dpa
Bärtige Gestalten in seltsamen Gewändern, die in einem kargen Kellerraum mit rauchenden Tiegeln und brodelnden Tinkturen hantieren und dabei geheimnisvolle Sprüche murmeln: So oder ähnlich stellen wir uns heute meist Alchemisten vor.
Irgendwo zwischen Quacksalberei und Magie angesiedelt verschrieben diese Pseudo-Gelehrten ihr Leben der Suche nach dem Stein der Weisen und dem Rezept, mit dem sich Blei zu Gold machen lässt, so die gängige Annahme.
Doch dieses Bild trifft nur zum Teil zu. Denn in Mittelalter und Renaissance war die Alchemie ein ebenso verbreitetes und zeitweilig durchaus angesehenes Fachgebiet wie andere Wissenschaften auch. Im 13. Jahrhundert war die Alchemie sogar bei einigen mittelalterlichen Universitäten hoffähig. Bis dann in einigen Regionen sogar Gesetze erlassen wurden, die die Produktion von Alchemistengold unter Strafe stellten.
Natur abseits der sichtbaren Dinge verstehen
Blick in die Geschichte der Alchemie: Herzog Julius, Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel (1528-1589), muss sich die Hände gerieben haben, als er das erste Mal von den magischen Fähigkeiten des Philipp Sömmering hörte. Alten Aufzeichnungen zufolge holte er den Alchemisten 1571 an seinen Hof in Wolfenbüttel. Sömmerings Auftrag: Gold herstellen. Dafür stellte ihm der Herzog sogar ein eigenes Labor, mehrere Jahre tüftelte Sömmering an einer Rezeptur.
Goldmacher wie Sömmering haben das heutige Bild der Alchemie stark geprägt. Alchimisten wollten die Natur abseits der sichtbaren Dinge verstehen wollen. Allerdings ging es dabei nicht um Formeln, sondern um handfeste Experimente. Es ging den frühen Forschern um experimentelle Arbeiten mit Metallen. Dabei kamen Entdeckungen heraus, von denen wir noch heute profitieren: Ammoniak, Porzellan oder die Destillation von Alkohol zum Beispiel.
Unedleres zum Edleren machen
In den Laboren der Alchemisten zischte und brodelte es. Sie versuchten, Legierungen herzustellen, Metalle zu schmelzen oder aufzulösen. Das Ziel: das Unedlere zum Edleren zu machen. Parallel wollten sie das inszenierte, spirituelle Erlebnis haben.
Die Alchemisten wollten nicht nur Metalle verändern, sondern auch selbst eine höhere geistige Ebene erreichen. Die erhaltenen Dokumente sind oft in Geheimsprache geschrieben und nur für Eingeweihte gedacht. Anders als heutige Wissenschaftler sahen Alchemisten ihre Erkenntnisse als Geheimwissen an.
- Zur Info: Als Alchemie oder Alchimie – vom griechisch-arabisch-mittellateinisch: alkimia, frühneuhochdeutsch: alchemey – bezeichnet man ab dem 1./2. Jahrhundert die Lehre von den Eigenschaften der Stoffe und ihren Reaktionen. Die Alchemie ist ein alter Zweig der Naturphilosophie und wurde im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts von der modernen Chemie und der Pharmakologie begrifflich abgetrennt und im 19. Jahrhundert schließlich durch diese Fächer ersetzt.
Goldmacher, Glücksucher, Betrüger
Natürlich hat es damals auch jene Glückssucher gegeben, für die die Alchemie heute bekannt ist. Ob diese Goldmacher in betrügerischer Absicht handelten oder selbst an den Zauber glaubten, ist heute im Einzelfall kaum nachzuweisen.
Auch bei Philipp Sömmering nicht. In jedem Fall bezahlte Sömmering seinen Zauber am Ende teuer. Nach mehreren erfolglosen Jahren wurde es Herzog Julius zu bunt, geht aus Prozessakten in der Bibliothek hervor. Sömmering kam wegen Betruges vor Gericht. Im Frühjahr 1575 sei er schwer bestraft und schließlich hingerichtet worden.
Zwischen hoffähig und verboten
Berühmte Gelehrte wie Francis Bacon (1561-1626), Robert Boyle (1627-1691), Paracelsus (1493-1541) oder John Dee (1527-1608), der Hofastrologe und Berater der englischen Königin Elisabeth I., widmeten sich alchemistischen Studien.
Selbst ein unbestritten seriöser Wissenschaftler wie Isaac Newton (1643-1727) beschäftigte sich noch im 17. Jahrhundert mit der Alchemie und beschrieb in einem erst vor kurzem entdeckten geheimen
Schwarze Magie
Für Misstrauen sorgte allerdings immer wieder die Geheimnistuerei der Alchemisten, die ihre Rezepturen und Methoden nur selten offenlegten. Viele von ihnen studierten zudem die Schriften arabischer und jüdischer Gelehrter, die damals dem Wissen der Europäer in vielem weit voraus waren. Auch das rückte sie verdächtig in die Nähe der Häresie.
Schnell gerieten Alchemisten in den Verdacht, dunkle Magie und heidnische Rituale zu praktizieren. So wurde der Mathematiker und Alchemist Michael Scott im 12. Jahrhundert beschuldigt, schwarze Magie zu betrieben und Dämonen zu beschwören und wurde sogar exkommuniziert. Und das, obwohl er sogar zeitweise den prestigeträchtigen Posten als Hofastrologe des spanischen Königs bekleidete.
Generell waren damals die Grenzen zwischen Religion, Philosophie, Magie und Wissenschaft noch fließend oder nicht existent. Nicht wenige Alchemisten waren sogar im Hauptberuf Mönche, Priester oder aber Astrologen, wie beispielsweise Albertus Magnus (um 1200-1280), der sogar seine Position als Bischof aufgab, um sich ungestörter seinen alchemistischen Studien widmen zu können.
Tricks und Quacksalberei
Natürlich gab es auch echte Quacksalber. Gerade im Mittelalter war die Alchemie eine beliebte Methode, um reichen Zeitgenossen Geld aus der Tasche zu ziehen. Wer behauptete, er könne unedles Metall in Gold umwandeln und das Ganze dann mit ein wenig Brimborium und Taschenspielertricks „vorführte“, der konnte sich oft einen lukrativen Posten als Hofalchemist sichern – zumindest bis der Schwindel aufflog.
Selbst der berühmte Paracelsus, oft als Urvater der Chemie gefeiert, war sich für ein paar Schummeleien und Tricks nicht zu schade. So entwickelte er Heiltränke für den Adel, die auf magische Weise verschiedenste Krankheiten kurieren sollten. Als seine Quacksalberei herauskam, war es damit jedoch vorbei. Sei Ruf war ruiniert und der Gelehrte starb verarmt mit 48 Jahren.