Neue Asylunterkünfte in Backnang entspannen die Lage

Mitte Februar hat der Landkreis in Backnang eine Gemeinschaftsunterkunft in der Öhringer Straße in Betrieb genommen, im März soll eine weitere im Kuchengrund folgen. Damit steigt die Hoffnung, dass die Zelte beim Berufsschulzentrum bald verzichtbar werden.

Dezernent Peter Zaar (links) und Fachbereichsleiter Steffen Blunck vom Landratsamt inspizieren die neue Gemeinschaftsunterkunft in der Öhringer Straße in Backnang. Während an der Fassade noch gearbeitet wird, sind 26 Geflüchtete bereits eingezogen. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Dezernent Peter Zaar (links) und Fachbereichsleiter Steffen Blunck vom Landratsamt inspizieren die neue Gemeinschaftsunterkunft in der Öhringer Straße in Backnang. Während an der Fassade noch gearbeitet wird, sind 26 Geflüchtete bereits eingezogen. Fotos: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Von Weitem wirkt der neue Gebäudekomplex an der Öhringer Straße wie ein massiver Bau. Aus der Nähe zeigt sich allerdings: Hinter der weißen Putzfassade stecken lediglich zusammengesetzte Wohncontainer, wie man sie von vielen Flüchtlingsheimen kennt. Diese sind in Zimmer für zwei oder vier Personen aufgeteilt. Küchen, Duschen und Toiletten müssen sich die Bewohner teilen. Die Wohnanlage im Gewerbegebiet zwischen B14 und Sulzbacher Straße ist die neueste von insgesamt 33 Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber, die der Landkreis betreibt. Das freie Grundstück hat er von der Stadt Backnang gepachtet.

Im Erdgeschoss sind Mitte Februar die ersten 26 Bewohnerinnen und Bewohner eingezogen. Sie stammen aus der Türkei, aus Syrien und dem Irak, auch sechs Kinder im Alter zwischen zwei und 15 Jahren sind mit dabei. „In Abstimmung mit der Stadt belegen wir diese Unterkunft vor allem mit Familien“, erklärt Peter Zaar, Dezernent im Landratsamt. Deshalb stehen im Hof vor den Containern auch eine Schaukel, eine Rutsche und ein Basketballkorb.

Wenn in den nächsten Monaten auch das Obergeschoss bezogen ist, werden hier bis zu 60 Personen leben. Unterstützt werden sie von einer Sozialbetreuerin der Caritas, die momentan dreimal pro Woche vor Ort ist. Peter Zaar ist mit dem neuen Standort sehr zufrieden: „Die Lage ist optimal.“ Kaufland und weitere Einkaufsmöglichkeiten in der Sulzbacher Straße sind nur ein paar Schritte entfernt. Außerdem gibt es hier nur wenige Anwohner, die sich von der Einrichtung gestört fühlen könnten.

Bewohnerzahl in der Zeltunterkunft wurde halbiert

Eigentlich sollte die Unterkunft in der Öhringer Straße schon im vergangenen September in Betrieb gehen. Doch es kam zu Verzögerungen: „Es war schwierig, Handwerker und Material zu bekommen“, berichtet Peter Zaar. Auch die Container haben eine lange Lieferfrist. Glücklicherweise gingen ab Dezember die Zuweisungszahlen zurück (siehe Infotext), sodass die Lage nicht mehr ganz so prekär war.

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Trotzdem will der Landkreis bei seinen Bemühungen, die Kapazitäten in den Gemeinschaftsunterkünften auszubauen, nicht nachlassen. Schon im März soll eine weitere Unterkunft in Backnang eröffnen. Im Kuchengrund im Gewerbegebiet Süd hat der Landkreis ein ehemaliges Arbeiterwohnheim angemietet und umgebaut. Bis zu 140 Asylbewerber können dort untergebracht werden. Bis Jahresende sollen noch zwei weitere Unterkünfte in Kernen im Remstal und Schorndorf mit insgesamt 280 Plätzen hinzukommen.

Einige der Wohncontainer werden als Gemeinschaftsküchen genutzt. In der Öhringer Straße wohnen vor allem Familien und Alleinerziehende mit Kindern.

© Alexander Becher

Einige der Wohncontainer werden als Gemeinschaftsküchen genutzt. In der Öhringer Straße wohnen vor allem Familien und Alleinerziehende mit Kindern.

Damit steigt auch die Hoffnung, dass die Zeltunterkunft beim Backnanger Berufsschulzentrum und die zur Notunterkunft umfunktionierte Olgahalle am Beruflichen Schulzentrum Schorndorf mittelfristig nicht mehr gebraucht werden. In der Zeltunterkunft wurde die Bewohnerzahl im Dezember bereits halbiert. Aktuell leben dort nur noch etwa 60 Personen. Die Probleme mit der Heizung, die dort zu Beginn des Winters für Unmut gesorgt hatten, sind laut Peter Zaar mittlerweile gelöst. Trotzdem wäre es den Verantwortlichen im Landratsamt am liebsten, wenn sie auf diese Unterkunft ganz verzichten könnten.

Wann dies der Fall sein wird, will Steffen Blunck aber nicht prognostizieren. „Wir müssen uns immer auf ein Worst-Case-Szenario einstellen“, sagt der Fachbereichsleiter Koordination und Flüchtlingsaufnahme im Ausländeramt des Landkreises. Denn die Erfahrung hat ihm gezeigt: Weltpolitische Ereignisse können den Zustrom innerhalb kürzester Zeit anschwellen oder abebben lassen. Die Planungssicherheit des Landkreises reicht immer nur bis zum Ende des laufenden Monats. Die Zuweisungszahlen für März liegen heute noch nicht vor.

Sollten diese nachhaltig sinken, hoffen Peter Zaar und Steffen Blunck, dass die Politik nicht noch einmal denselben Fehler macht wie nach 2016. Damals hatte das Land die Kreise dazu gedrängt, die Kapazitäten in den Unterkünften nach dem Ende der großen Flüchtlingswelle wieder drastisch zu reduzieren. Im Rems-Murr-Kreis waren Ende des Jahres 2019 von einstmals 62 Unterkünften gerade noch 13 übrig, die Zahl der Plätze hatte sich von 3500 auf weniger als 1000 reduziert. Nun müssen die Kapazitäten mühevoll wieder neu aufgebaut werden. Wenn alles gut läuft, sagt Steffen Blunck, werde der Kreis bis Jahresende in etwa über so viele Plätze verfügen, wie er vor acht Jahren schon einmal hatte.

Zahl der Geflüchteten sinkt

Statistik Im Jahr 2023 sind insgesamt 36319 Asylbewerber nach Baden-Württemberg gekommen – das ist die höchste Zahl seit 2015. Hinzu kommen weitere 41286 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Der Rems-Murr-Kreis und seine Kommunen mussten 1446 Asylbewerber sowie 1012 Menschen aus der Ukraine unterbringen.

Trend Ihren Höhepunkt hat die Flüchtlingswelle im Oktober erreicht, seitdem gehen die Zahlen wieder deutlich zurück. So musste der Kreis im Dezember nur noch 61 Asylbewerber unterbringen, im Herbst waren es noch mehr als 250 im Monat.

Ursachen Neben der kalten Jahreszeit ist nach Einschätzung von Steffen Blunck auch die Wiedereinführung von Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien für den Rückgang verantwortlich. Auch aus der Ukraine flüchten derzeit nur wenige Menschen nach Deutschland. Ob diese Entwicklung anhält, weiß allerdings keiner.

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Erstellt:
27. Februar 2024, 06:00 Uhr

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