Neuer Vorstand für das Backnanger Famfutur
Nach 35 Jahren hat Heinz Franke im vergangenen Oktober die Leitung des Backnanger Vereins Kinder- und Jugendhilfe abgegeben. Anstelle des ehrenamtlichen Vorsitzenden hat nun ein hauptamtlicher Vorstand die Leitung im Familienzentrum Famfutur übernommen.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Lange hatte Heinz Franke nach einem Nachfolger für den Vorsitz beim Verein Kinder- und Jugendhilfe in Backnang gesucht und zahlreiche Personen, die er für geeignet hielt, angesprochen. Doch alle winkten ab: Im Ehrenamt die Verantwortung für 125 Beschäftigte und eine Bilanzsumme von fast sechs Millionen Euro zu übernehmen, war ihnen zu heikel. So hat sich mit Frankes Ausscheiden im vergangenen Oktober auch die Führungsstruktur geändert: Der Verein, der im Raum Backnang vielfältige soziale Aufgaben übernimmt, wird nun von einem hauptamtlichen Vorstand geleitet. Der besteht aus Karin Thoma und Jürgen Olma (siehe Infotext), die beide schon länger für den Verein tätig sind: Thoma als pädagogische Leiterin, Olma als kaufmännischer Leiter. Kontrolliert wird das Führungsduo von einem sechsköpfigen Verwaltungsrat unter Leitung des Althütter Bürgermeisters Reinhold Sczuka.
Im Alltag habe sich für sie dadurch gar nicht so viel geändert, berichtet Olma: „Wir machen unsere Arbeit de facto weiter. Was jetzt noch dazukommt, ist die Vertretung nach außen.“ Und natürlich fehlt ihnen Heinz Franke als Ratgeber und letzte Instanz bei wichtigen Entscheidungen.
Sie wollen die Angestellten in alle wichtigen Entscheidungen einbinden
Den erfolgreichen Weg, den der Verein unter Frankes Leitung eingeschlagen hat, wollen Thoma und Olma nun ohne ihn fortsetzen. Führen wollen die beiden nicht im Basta-Stil, sondern die Angestellten in alle wichtigen Entscheidungen einbinden. Denn flache Hierarchien und die Möglichkeit, die Arbeit mitzugestalten, seien der Grund, warum sich viele der begehrten Fachkräfte für den Verein Kinder- und Jugendhilfe als Arbeitgeber entscheiden.
Der hat sein Spektrum in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter ausgebaut: Neben verschiedenen Gruppen- und Beratungsangeboten für Schwangere und junge Familien betreibt der Verein im Familienzentrum Famfutur auch eine fünfgruppige Kita, einen Tafelladen und ein soziales Warenhaus. Im Februar eröffnet in der Mühlstraße ein neues Tageselternhaus, das dann 28 statt bisher 14 Plätze bietet. Auch in der Flüchtlingsarbeit ist der Verein aktiv und übernimmt im Auftrag der Stadt das Integrationsmanagement in den Backnanger Gemeinschaftsunterkünften.
Dass immer mehr Aufgaben hinzugekommen sind, sei aber nicht das Ergebnis eines Expansionsplans, betont Jürgen Olma. Ursache für das Wachstum seien jeweils akute Krisen gewesen, die neue Hilfsangebote erforderten. Die Frage, wie viel Geld man dafür bekommt, sei zunächst zweitrangig: „Wir orientieren uns nicht an Umsätzen, sondern an Grundsätzen“, erklärt Olma. Deshalb bietet der Verein zum Beispiel nach wie vor eine Schwangerschaftskonfliktberatung an, obwohl das Angebot ein Zuschussgeschäft ist. Mit Spenden und Überschüssen aus anderen Bereichen wird das Defizit ausgeglichen.
In der Beratung bei drohender Wohnungslosigkeit gibt es einen steigenden Bedarf
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Dort zu helfen, wo Hilfe am nötigsten gebraucht wird, bleibt auch unter dem neuen Vorstand die Devise. Aktuell stellen Karin Thoma und Jürgen Olma einen steigenden Bedarf in der Beratung bei drohender Wohnungslosigkeit fest. Häufig seien es Familien mit Kindern, denen der Verlust der Wohnung drohe. „Da fallen uns die Versäumnisse beim sozialen Wohnungsbau auf die Füße“, kritisiert Karin Thoma. Gut möglich, dass die zwei Mitarbeiter, die in diesem Bereich arbeiten, bald Verstärkung brauchen.
Auch im Tafelladen stößt man an Kapazitätsgrenzen: „Früher haben zwei Personen im Laden bedient und kassiert, heute brauchen wir dafür vier“, sagt Thoma. Ohne die rund 45 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer wäre das nicht möglich, allerdings sind viele davon im fortgeschrittenen Alter. „Da brauchen wir weitere Unterstützung“, erklärt die pädagogische Leiterin. Ein Aufnahmestopp, wie ihn andere Tafelläden verhängen mussten, war in Backnang bis jetzt zum Glück nicht nötig. Aktuell sind rund 1500 Personen berechtigt, im Tafelladen günstige Lebensmittel zu kaufen.
Gewinne will und darf der gemeinnützige Verein zwar nicht machen, eine „schwarze Null“ sollte am Jahresende aber schon rauskommen. Das werde allerdings immer schwieriger, berichtet Jürgen Olma. Viele Bereiche seien unterfinanziert, für ungeplante Kostensteigerungen oder Tariferhöhungen gebe es von den Kostenträgern in der Regel keinen Ausgleich.
Das erschwert auch die Personalsuche: „Benefits können wir nicht finanzieren“, macht Olma deutlich. So kann der Verein die umworbenen Fachkräfte nur mit Dingen locken, die nichts kosten. Wichtigste Faktoren seien dabei das gute Klima und eine hohe Identifikation mit der Arbeit. „Viele arbeiten bei uns, weil sie einen Bezug zum Verein haben“, erklärt Karin Thoma. Wie lange diese Bindungen halten können, wurde kürzlich wieder deutlich, als der Vorstand gleich sechs Kolleginnen auszeichnen durfte, die schon seit 25 Jahren für den Verein Kinder- und Jugendhilfe arbeiten.
Karin Thoma Die 60-jährige Sozialarbeiterin stammt aus Niedersachsen, lebt aber seit 16 Jahren in Baden-Württemberg. 2010 kam sie zum Verein Kinder- und Jugendhilfe, für den sie zunächst die soziale Gruppenarbeit in Sulzbach an der Murr übernahm. Später war sie als Bildungsreferentin und Fachbereichsleiterin für die Ausbildung und Vermittlung von Tageseltern zuständig. 2018 übernahm sie die pädagogische Leitung.
Jürgen Olma Der gebürtige Heilbronner war als Diplom-Bankbetriebswirt 30 Jahre lang bei verschiedenen Banken tätig. 2011 wurde er in Widdern im Landkreis Heilbronn zum Bürgermeister gewählt, verpasste aber 2019 die Wiederwahl. Im März 2021 übernahm er die kaufmännische Leitung beim Verein Kinder- und Jugendhilfe. Der 60-Jährige wohnt in Oberstenfeld.