OB Friedrich im Interview: So war das mit dem AfD-Antrag
Interview Oberbürgermeister Maximilian Friedrich blickt auf ein Jahr zurück, das Backnang bundesweit in die Schlagzeilen und ihn selbst bis in die Tagesthemen gebracht hat.
Herr Friedrich, wenn Sie auf das abgelaufene Jahr zurückblicken: Welches Ereignis in Backnang ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Es war ein arbeitsreiches und intensives Jahr, geprägt durch eine Vielzahl von großen Herausforderungen. Besonders wichtig war sicher der Spatenstich am Viadukt für die B14. Dass es bei diesem zentralen Projekt für die Region nun weitergeht, war für mich ein besonders freudvolles Ereignis.
Uns ist noch ein anderes Ereignis in Erinnerung: der bundesweite Medienrummel um den AfD-Antrag, dem der Gemeinderat zugestimmt hatte. Sie waren damals unter anderem in den Tagesthemen zu sehen. Wie sehr hat diese Episode dem Image der Stadt geschadet?
In der Außenwirkung war es deshalb schwierig, weil in der Berichterstattung der Eindruck erweckt wurde, dass in Backnang eine enge Zusammenarbeit mit der AfD stattfinden würde, was aber de facto gar nicht der Fall war. Unser Gremium hatte zwar einem Antrag der AfD zugestimmt, aber nicht, weil es da eine Absprache gab, sondern weil der Antrag zum Ziel hatte, die Fördermittel für das Bandhaus-Theater zu erhöhen. Also ein unpolitischer Antrag, der durchaus zustimmungsfähig ist. Daran ist aus meiner Sicht nichts skandalös. Meine feste Überzeugung ist, dass man die Auseinandersetzung mit der AfD immer in der Sache führen sollte, aber nicht per se Menschen in eine Art Märtyrerrolle treiben darf. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass man mit vernünftiger, an den Bedürfnissen der Bürgerschaft orientierter Arbeit viele Wähler der AfD auch wieder zurückholen kann.
Grenzen sich die Backnanger Kommunalpolitiker aber vielleicht wirklich zu wenig von den Rechten ab? Der Umgang einiger Stadträte mit den AfD-Kollegen wirkt fast kumpelhaft.
Wäre es denn besser, Menschen pauschal in eine Ecke zu stellen, auch wenn sie sich in das Gremium integrieren und in einzelnen Fällen durchaus vernünftige Sachpolitik machen? Müssten wir dann sogar so weit gehen, dass wir sinnvolle Vorschläge anderer Fraktionen nur deswegen nicht weiterverfolgen, weil die AfD vielleicht denselben Antrag gestellt hat? Das machte keinen Sinn. In der Kommunalpolitik geht es immer um die Sache, um die beste Lösung vor Ort. Das ist auch meine Grundhaltung.
Auch beim Umgang mit Geflüchteten ist die Abgrenzung nach rechts nicht immer einfach. Im Oktober hat der Gemeinderat einstimmig eine Resolution zur Flüchtlingssituation verabschiedet. Darin heißt es, dass bei der Unterbringung, Versorgung und Integration vor Ort die Belastungsgrenze erreicht sei. Wie genau definieren Sie diese Belastungsgrenze?
Vom ehemaligen Präsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Hermann Schmitt-Vockenhausen gibt es das schöne Zitat: „Die Gemeinden sind der eigentliche Ort der Wahrheit, weil sie der Ort der Wirklichkeit sind.“ Wenn wir die Ausgangslage betrachten, was zum Beispiel die Ärzteversorgung angeht oder die Kitas und Schulen oder die riesigen Herausforderungen des sozialen Wohnungsbaus, dann gibt es, denke ich, tatsächlich eine Grenze der gesellschaftlichen Integrationsfähigkeit. Wir haben Gott sei Dank noch Menschen, die sich hier ehrenamtlich für Geflüchtete einsetzen. Dafür bin ich auch sehr dankbar. Aber ich habe den Eindruck, dass der große gesamtgesellschaftliche Rückhalt, wie wir ihn 2015 und 2016 erlebt haben, heute nicht mehr so ausgeprägt ist.
In der Maubacher Straße hat die Stadt dieses Jahr eine neue Containerunterkunft eingerichtet. Wie lange werden die Plätze dort reichen?
Im Moment ist die Unterkunft noch nicht voll belegt. Wie sich die Zuweisungen 2024 entwickeln werden, wissen wir aber noch nicht. Die Informationen bekommen wir immer sehr kurzfristig. Was wir auf jeden Fall vermeiden möchten, ist die Belegung von Hallen, allein schon vor dem Hintergrund, dass unsere Hallenkapazitäten durch den Neubau der Sporthalle auf der Maubacher Höhe sowieso schon begrenzt sind.
Was sind die Alternativen?
Wir mieten weiterhin dezentral Wohnraum an, nicht nur für Geflüchtete, sondern auch für einheimische Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind. Das ist nach unserer Überzeugung auch der bessere Weg, denn wenn man zehn neue Nachbarn bekommt, ist das natürlich leichter zu händeln, als wenn es 140 sind. Perspektivisch steht für mich aber außer Frage, dass es uns als Stadt gelingen muss, einen Standort für eine dauerhafte Einrichtung zu finden, und zwar nicht nur für Geflüchtete. Das sollte kein Containerstandort sein, sondern ein wertiger Bau, wo wir auch eine gute soziale Durchmischung hinbekommen.
Beim Ausbau der B14 gab es 2023 mit dem Baubeginn des zweiten Viadukts sichtbare Fortschritte, aber auch Rückschläge. Von dem Ziel, dass der Knoten an der Spritnase noch mal umgeplant wird, musste sich die Stadt verabschieden. War dieser Kampf nicht von vornherein aussichtslos?
Ganz im Gegenteil! Es gibt ja den schönen Satz: „Wer kämpft, kann verlieren, aber wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Ich muss zudem daran erinnern, dass wir den klaren Auftrag des Gemeinderats hatten, für die Spritnase eine leistungsfähigere Ausbauvariante zu prüfen. Das haben wir gemacht. Es darf nicht passieren, dass wir, wenn die Bundesstraße ausgebaut ist, einen Knotenpunkt in Backnang-Süd haben, der in der Rushhour nicht ausreichend leistungsfähig ist. Was das bedeutet, sieht man in Winnenden an der Anschlussstelle Mitte, die erst vor wenigen Jahren gebaut wurde. Dort ist der Rückstau in der Rushhour so lang, dass der Abfahrtsstreifen deutlich verlängert werden musste. Wir werden den Bund nun beim Wort nehmen und dann schauen, wie leistungsfähig der Knoten Backnang-Süd im Vollausbau tatsächlich sein wird. Viele Mitglieder des Gemeinderats und auch ich haben daran immer noch Zweifel.
Die Bewohner von Waldrems und Heiningen befürchten, dass dann noch mehr Autofahrer die Ortsdurchfahrten als Abkürzung zur B14 nutzen. Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Im Rahmen der Lärmaktionsplanung, die wir für die stark vom Verkehr belasteten Straßen in Backnang durchführen, haben wir uns zum Ziel gesetzt, entsprechende Geschwindigkeitsreduzierungen, im Fall von Heiningen und Waldrems so weit wie möglich durchgängig Tempo 30 auszuweisen. Dies wollen wir schnellstmöglich nach Inkrafttreten des Lärmaktionsplans umsetzen. Wenn die B14 vierstreifig ausgebaut ist, wird es auch darum gehen, in Abstimmung mit dem Landkreis einen Umbau dieser Kreisstraße zu planen, damit die Durchfahrt durch Waldrems und Heiningen erschwert und gleichzeitig die Lebensqualität der dort wohnenden Menschen verbessert wird. Es muss auf jeden Fall attraktiver sein, über die Heinrich-Hertz-Straße zu fahren als durch die südlichen Stadtteile.
Im kommenden Jahr plant die Stadt Backnang ein sogenanntes Klimaforum. Die Teilnehmer werden zufällig ausgelost. Was versprechen Sie sich von einem solchen Gremium?
Es ist letztendlich ein Querschnitt aus der Bevölkerung von Menschen wie Ihnen und mich, von denen Einzelne vielleicht schon im Klimaschutz aktiv sind und andere noch gar keine Berührungspunkte damit hatten. Und vielleicht sind auch Menschen dabei, die dem Thema kritisch gegenüberstehen. Dieser Bürgerrat soll dem Backnanger Gemeinderat spätestens nach den Sommerferien eine Empfehlung geben, wie der Weg zu einer Backnanger Klimastrategie aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger aussehen kann. Die Erfahrung vieler anderer Städte zeigt, dass Entscheidungen so eine breite Akzeptanz finden können.
Ein Vorzeigeprojekt in Sachen Klimaschutz soll das IBA-Quartier im Backnanger Westen werden. Allerdings hat sich dort noch nichts Sichtbares getan und die Rahmenbedingungen für Bauprojekte haben sich verschlechtert. Wie groß ist Ihre Sorge, dass es dort 2027 noch genauso aussieht wie heute?
Weitere Themen
Wir haben von Anfang an deutlich gemacht, dass wir keinesfalls bis 2027 das gesamte, rund 17 Hektar große Quartier entwickeln können. Das würde auch unsere gewachsene Infrastruktur überfordern. Und wir dürfen nicht vergessen: Die Stadt besitzt dort keine Bauflächen. Wir stecken daher viel Energie in die Steigerung der Mitwirkungsbereitschaft der Grundstückseigentümer. Ich bin aber zuversichtlich, dass Backnang mit seinem IBA-Projekt Akzente setzen wird und wir mehr präsentieren können als nur Planunterlagen. Ein beispielhaftes Projekt für den zukunftsfähigen Umbau und die Erweiterung eines Fabrikgebäudes auf dem Leba-Areal wurde ja kürzlich vorgestellt. Mit dem Hodum-Projekt an der Etzwiesenbrücke haben wir noch einen weiteren städtebaulichen Baustein, der bis 2027 zur Umsetzung kommen könnte.
Über die Grabenstraße wurde dieses Jahr auch wieder diskutiert, unter anderem in einer eigens eingerichteten Lenkungsgruppe. Das alles fand aber hinter verschlossenen Türen statt. Warum werden so wichtige Themen im Hinterzimmer besprochen?
Es geht hier auch um die Betroffenheit einzelner Grundstückseigentümer. Da müssen wir eine Vertrauensbasis schaffen. Es würde sich sicher keiner wünschen, dass man in öffentlicher Sitzung über ungelegte Eier spricht. Aber sobald die Grundlagen für einen Beschluss geschaffen sind und sich abzeichnet, welche Lösung überhaupt zur Umsetzung kommen kann, werden die Beschlüsse in öffentlicher Sitzung gefasst werden. Ich bin zuversichtlich, dass das noch im Laufe des Frühjahrs erfolgen wird.
Im Gespräch ist eine Lösung, bei der der vordere Teil der Grabenstraße für den Autoverkehr gesperrt wird, die Zufahrt zur Volksbank und zu den Ärzten aber von der Talstraße über die Bácsalmás-Brücke möglich ist. Ist diese Variante auch Ihr Favorit?
Wenn sich in der Detailprüfung zeigt, dass alle Anforderungen erfüllt werden, etwa in Bezug auf die Erreichbarkeit der Ärzte und der Parkhäuser, hat diese Variante einen gewissen Charme, weil sie vorhandene Infrastruktur nutzt. Die Bácsalmás-Brücke ist ja bereits vorhanden. Und wir könnten damit etwa 70 Prozent der Grabenstraße vom Individualverkehr befreien. Dafür habe ich eine große Offenheit.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Sie haben vor einem Jahr ein altes Haus in Backnang gekauft, das gerade saniert wird. Wann werden Sie mit Ihrer Familie von Berglen nach Backnang ziehen?
Wenn alles gut klappt, können wir Ende 2024 umziehen. Mit der Generalsanierung eines fast 100 Jahre alten Hauses haben wir uns für ein Herkulesprojekt entschieden. Wir sind jetzt so weit, dass das Haus komplett entkernt ist, voraussichtlich ab Mitte Januar beginnen dann die Rohbauarbeiten. Aber das ist schon ein Großprojekt und ich bin dankbar für die Unterstützung der Familie, denn ich habe gar nicht die Zeit, um ständig auf der Baustelle herumzuspringen.
Das Gespräch führte Kornelius Fritz.