Radfahren in Backnang soll sicherer werden
Der Schwerpunkt der Stadtverwaltung liegt auf dem Lückenschluss im Radwegenetz. Zudem wird geprüft, ob Radfahrer in Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung fahren dürfen und ob in der Stuttgarter Straße der rechte Fahrstreifen in eine Radspur umgewandelt werden kann.
Von Matthias Nothstein
Backnang. Der Radverkehr erhält in Backnang einen immer größeren Stellenwert. Nachdem die Bürger nun Anfang Februar bei einem runden Tisch über Planungen, Projekte und Visionen informiert wurden (wir berichteten), war der Radverkehr jetzt auch Thema im Ausschuss Technik und Umwelt. Dabei stellte Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann die Eckpunkte vor. Schwerpunkt war die Durchgängigkeit des Radwegenetzes. Mehrere Lücken sollen in nächster Zeit geschlossen werden, so etwa der Bereich zwischen dem Aspacher Tor und der Aspacher Brücke. Zwischen Sommer und Jahresende 2024 werden dort 1,05 Millionen Euro in den Neubau des Kreisels investiert, wobei die Belange der Radfahrer in angemessener Weise berücksichtigt werden. Ganz so weit ist die Verwaltung in der Sulzbacher Straße noch nicht; dort soll der Gemeinderat bis Ende des Jahres einen Grundsatzbeschluss über den Ausbau fassen. Der Baubeginn könnte 2028 erfolgen.
Große Veränderungen stehen auch für den Abschnitt Kitzbüheler Straße/Maubacher Straße an. Sobald die Kreuzung mit der neuen vierstreifigen B14 wegfällt, soll der Abschnitt Teil einer Radschnellverbindung Backnang/Waiblingen werden. Der Abschnitt wurde von der Stadt Backnang dem Landkreis als Vorzugstrasse gemeldet.
Viel zu tun gibt es zudem auf der Stuttgarter Straße. Am Knotenpunkt Industriestraße haben nach dem Umbau im vergangenen Jahr bereits alle vier Arme Schutzstreifen erhalten. Ob solche Streifen auch in der Verlängerung bis zum Kawag-Kreisel möglich sind, wird derzeit geprüft. Gewünscht wird ein solcher Streifen stadtauswärts (bergauf) und abschnittsweise stadteinwärts. Ende 2026 könnte es so weit sein.
Ein Stau über den Kawag-Kreisel hinaus ist nicht zu erwarten
Die spürbarste Veränderung könnte sich dann weiter stadteinwärts ergeben. Die Verwaltung prüft, ob die rechte Kfz-Spur in Richtung Adenauerplatz zu einem Radfahrstreifen umgewandelt werden könnte. Ein erstes Zwischenergebnis kommt zum Schluss, „dass eine Überstauung des Kawag-Kreisverkehrs nicht zu erwarten ist“.
Auch der Geh- und Radweg entlang der Ortsdurchfahrt Heiningen/Waldrems im Bereich des neuen Feuerwehrgerätehauses soll mit einer Förderung aus dem Sonderprogramm Stadt und Land ausgebaut werden. Noch steht der Zuwendungsbescheid aus. Geplant sind beidseitige Geh- und Radwege mit einer Breite von je 2,5 Meter sowie eine Verengung der Kfz-Fahrbahn auf sechs Meter Breite. Die Bau- und Planungskosten summieren sich auf 1,5 Millionen Euro. Der Bau soll spätestens 2025 erfolgen, sonst könnte es Konflikte mit dem B-14-Ausbau im Bereich Waldrems/Maubach geben.
Die Stadtverwaltung prüft des Weiteren bei allen Einbahnstraßen im Stadtgebiet, ob es möglich ist, Radfahrer entgegen der Fahrtrichtung fahren zu lassen. Großmann begründete dies so: „Das ist oftmals für Radfahrer eine sinnvolle Lückenschließung.“ Als Beispiel nannte er die Grabenstraße oder den Seehofweg. Und er erklärte: „In der Straßenverkehrsordnung tut sich auf diesem Gebiet gerade einiges.“
In diesem Zusammenhang sind mehrere Untersuchungen zu sehen, die derzeit in Backnang laufen. So gibt es das Forschungsprojekt „gÜ-Rad“. Die Abkürzung steht für „Kommunale Konzepte zur Einhaltung der gesetzlichen Überholabstände Kfz–Rad“. Die Untersuchungsergebnisse werden laut Großmann von der Verwaltung sehnsüchtig erwartet. Wenn sich die Maßnahmen bewähren, dank derer Radler sicherer überholt werden können, und wenn diese Maßnahmen rechtlich sicher sind, dann möchte Großmann sie ausweiten.
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Während Armin Dobler (SPD) lobte, dass sich in den vergangenen Jahren viel getan habe und die Prioritäten gut gewählt wurden, kritisierte Sabine Kutteroff (CDU) die Überlegungen zur Öffnung der Einbahnstraßen gehörig. Radfahrer, die in Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung unterwegs sind, werden ihrer Ansicht nach immer für Konfliktstoff sorgen. Sie gab zu bedenken: „Es gibt nicht nur rücksichtsvolle Radfahrer. Egal ob eine Studie eine solche Öffnung gut findet oder nicht, ich glaube, man muss solche Ideen nicht mit Gewalt umsetzen.“ Kutteroff monierte vielmehr die „vielen wahnsinnig schlechten Straßen“ und forderte mehr Investitionen in die Straßenbeläge. Als schlimmstes Beispiel nannte sie die Schlaglöcher in der Marktstraße, „da hebt’s einen fast aus, auch wenn man nicht schnell ist“. Großmann stimmte ihr zu und beschrieb die Straße so: „Für Radfahrer ist das eine Übungsstrecke, um das sichere Fahren unter widrigen Umständen zu erlernen.“ Mit „einfach neu asphaltieren“ ist es in der Marktstraße aber nicht getan. Erster Bürgermeister Stefan Setzer erinnerte daran, dass dieser Bereich umgestaltet gehört. Unter anderem muss hier eine Nahwärmeleitung verlegt werden. Setzer: „Es macht wenig Sinn, jetzt den Belag zu erneuern und wenige Jahre später wieder aufzubaggern.“
Eine Radspur könnte die Lösung nicht nur für die Radler, sondern für alle sein
Zustimmung erntete die Verwaltung für die Pläne in der Stuttgarter Straße. Dobler sagte, sie sei für Radler gefährlich, „da fühle ich mich sogar als erfahrener Radfahrer unwohl“. Fraktionskollege Heinz Franke pflichtete bei: „Wir müssen in der Stuttgarter Straße sowieso etwas machen. Zwei Fahrzeuge gehen da nicht aneinander vorbei, wenn eines davon ein Bus oder ein Lastwagen ist oder wenn ein Auto nicht richtig eingeparkt hat. Eine Radspur könnte eine Lösung sein. Nicht nur für die Radfahrer, sondern auch für die Autofahrer.“
Rolf Hettich (CDU) indes mahnte: „Wir machen aktuell extrem viel für die Radfahrer und müssen aufpassen, dass die Fußgänger und Autofahrer nicht langsam neidisch werden.“ Er erinnerte daran, dass Fahrspuren immer mehr geschmälert werden und sprach von einem „Übergewicht“, das auf die Belange der Radler gelegt werde. Dazu zählte er auch die anvisierte Radspur in der Stuttgarter Straße. Kritisch merkte er an: „Ich weiß nicht, wie sehr sich der Autoverkehr am Kawag-Kreisel zurückstaut. Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir in Zukunft weniger Autos in der Stadt haben werden.“ Setzer ließ das nicht unkommentiert stehen: „Wenn wir heute öfter über Radfahrer sprechen, dann liegt das daran, dass wir jetzt den Radverkehr in der Gesamtplanung berücksichtigen. Und trotzdem wird das meiste Geld immer noch für den Autoverkehr ausgegeben. Von einem Übergewicht zugunsten der Radfahrer sind wir noch ganz weit entfernt.“
Hettich ärgerte sich ferner über das Lastenradprojekt, für das die Stadt viel Geld investiere. Er erinnerte an das Projekt Regiorad, mit dem 30.000 Euro in den Sand gesetzt wurden. Nun befürchtete er, dass die vier Lastenräder und vier Garagen die Stadt wieder richtig viel Geld kosten. Und er bezweifelte, dass sich ein solches Angebot angesichts der Topografie von Backnang überhaupt durchsetzt. In anderen Kommunen hätten im Durchschnitt etwa zehn Personen pro Jahr ein solches Rad ausgeliehen. Hettich: „Das ist viel, viel zu wenig, dass ein Engagement unsererseits Sinn macht. Wenn jemand ein Lastenrad ausprobieren will, dann kann er sich eines ausleihen.“
Angesichts der zum Teil konträren Auffassungen in vielerlei Hinsicht erklärte Franke am Ende der regen Diskussion: „Wir müssen eine Lösung finden, egal für welche Seite wir mehr oder weniger sind. ÖPNV, Fußgänger, Autoverkehr und die Radfahrer müssen in unserer Stadt einigermaßen klarkommen. Ich finde es immer schlimm, wenn es ideologisch werden würde.“