Unzufriedenheit bei Familien und jungen Leuten in Backnang nimmt zu

Kommunalwahl 2024 Beim Thema Familienfreundlichkeit bekommt Backnang zwar die besten Noten, allerdings fällt die Bewertung schlechter aus als vor fünf Jahren. Eine Ursache dürften die Personalprobleme in den Kindertagesstätten sein.

Vor einem Jahr ist der neue Skatepark neben dem Eugen-Adolff-Sportgelände eröffnet worden. Die Jugendvertreter hatten sich viele Jahre dafür eingesetzt.

© A. becher

Vor einem Jahr ist der neue Skatepark neben dem Eugen-Adolff-Sportgelände eröffnet worden. Die Jugendvertreter hatten sich viele Jahre dafür eingesetzt.

Von Kornelius Fritz

Backnang. In acht verschiedenen Kategorien haben die Teilnehmer beim 2. BKZ-Bürgerbarometer die Stadt Backnang bewertet. Die besten Noten vergaben sie dabei für die Familienfreundlichkeit. 46 Prozent finden, dass die Stadt hier gut oder sogar sehr gut aufgestellt ist, weitere 38,7 Prozent vergaben ein „befriedigend“. Die Durchschnittsnote liegt bei 2,7. Das ist ein ordentlicher Wert, allerdings auch eine spürbare Verschlechterung gegenüber dem ersten BKZ-Bürgerbarometer aus dem Jahr 2019. Damals lag die Durchschnittsnote in der repräsentativen Umfrage noch bei 2,4.

Unzufriedenheit bei Familien und jungen Leuten in Backnang nimmt zu

Aber was heißt überhaupt familienfreundlich? „Für mich bedeutet es, dass sich Familien mit Kindern, aber auch Senioren in unserer Kommune wohlfühlen und die Einrichtungen bei uns vorfinden, die sie brauchen“, erklärt Regine Wüllenweber, die als Sozialdezernentin bei der Stadt Backnang tagtäglich mit Familienthemen zu tun hat. Zwar können Stadtverwaltung und Gemeinderat nicht alle Faktoren, die ein familienfreundliches Klima ausmachen, direkt beeinflussen, vieles davon fällt aber unmittelbar in ihr Aufgabengebiet.

Zum Beispiel die Betreuungsangebote für Vorschulkinder. Hier hat die Stadt Backnang in den vergangenen Jahren viel Geld investiert und unter anderem für rund zehn Millionen Euro die neue Sportkita Plaisir gebaut. Das Problem sind mittlerweile aber nicht die Räume, sondern das Personal. Weil es immer schwieriger wird, genügend Erzieherinnen und Erzieher zu finden, sind in der Sportkita bisher erst vier der sechs geplanten Gruppen in Betrieb. Außerdem musste die Stadt zuletzt in mehreren Kitas zeitweise die Öffnungszeiten reduzieren, weil etwa durch Krankheit oder Vakanzen das Personal fehlte. „Dadurch haben nicht alle Eltern das Angebot bekommen, das sie brauchen“, weiß Regine Wüllenweber.

Das spiegelt sich auch in den Umfrageergebnissen wider: Bei der Bewertung des Betreuungsangebots vergaben die Befragten nur noch die Durchschnittsnote 3,2, vor fünf Jahren lag sie noch bei 2,5. Noch schlechter fällt die Bewertung in der Altersgruppe zwischen 25 und 39 Jahren aus, zu der die Mehrzahl der betroffenen Eltern gehören dürfte. Sie vergeben für das Betreuungsangebot in Backnang nur noch eine 3,5 – das ist eine ganze Note schlechter als noch vor fünf Jahren.

Personalmangel in Kitas erfordert neue Konzepte

Das überrascht Regine Wüllenweber nicht: „Ich kann verstehen, dass die Unzufriedenheit zugenommen hat.“ Allerdings weiß sie auch, dass sich der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren eher noch verschärfen wird. „Wir müssen deshalb auch neue Modelle testen und zusammen mit den Eltern Ideen entwickeln“, erklärt die Sozialdezernentin. Aktuell beschäftigt sich der neu gegründete Kita-Beirat etwa mit der Frage, ob die Öffnungszeiten der Einrichtungen überhaupt noch zum Bedarf der Eltern passen. „Vielleicht brauchen wir künftig ja nicht mehr fünf Kitas mit zehn Stunden Betreuung, sondern nur noch eine“, sagt Wüllenweber. Denkbar wäre auch ein Modell, bei dem in weniger frequentierten Randzeiten Hilfskräfte ohne pädagogische Ausbildung die Betreuung übernehmen.

Unzufriedenheit bei Familien und jungen Leuten in Backnang nimmt zu

Kitagebühren belasten viele Familien

Ein Aufreger ist in diesem Zusammenhang auch die Höhe der Kita-Gebühren. Die Stadt Backnang hat ihr Modell zu Beginn des Jahres umfassend reformiert: Die großen Preisunterschiede zwischen Eltern mit unterschiedlicher Kinderzahl wurden reduziert. Für Eltern mit nur einem Kind ist es nun etwas günstiger, dafür bezahlen kinderreiche Familien mehr als früher. Regine Wüllenweber findet das neue Gebührenmodell gerecht, auch weil Haushalte mit geringem Einkommen nur den halben Beitrag bezahlen müssen. Von den Teilnehmern unserer Umfrage, gibt es allerdings wenig Applaus: Die Durchschnittsnote für die Kitagebühren hat sich seit 2009 von 2,7 auf 3,3 verschlechtert, in der relevanten Altersgruppe von 25 bis 39 Jahre liegt sie bei 3,5.

Angesichts der deutlichen Preissteigerungen in vielen Lebensbereichen hat Regine Wüllenweber auch dafür Verständnis. Sie verweist allerdings auch darauf, dass die Elternbeiträge lediglich knapp zehn Prozent der tatsächlichen Betreuungskosten decken. Und eine gebührenfreie Betreuung, wie es sie etwa in Künzelsau gibt, könne sich die Stadt Backnang nicht leisten.

Kritik der jungen Leute: „Abends ist tote Hose“

Überwiegend gute Noten vergeben die Teilnehmer des Bürgerbarometers für die Sportangebote (2,4) und auch für die Bäder (2,5). Auch mit den Spielplätzen sind die meisten zufrieden. Spürbar verschlechtert hat sich im Vergleich zu 2019 dagegen die Bewertung der Schulen. „Das hat sicher auch mit Corona zu tun“, vermutet Regine Wüllenweber. Zusatzangebote wurden während der Pandemie zurückgefahren und haben bis heute noch nicht überall wieder das Niveau wie davor erreicht. „Bei den Lesepaten sind uns zum Beispiel viele Ehrenamtliche weggebrochen“, erklärt die Sozialdezernentin. Das Team müsse jetzt erst wieder neu aufgebaut werden. Trotzdem bewertet noch immer eine Mehrheit von 57 Prozent das schulische Angebot in Backnang als gut oder sehr gut.

Unzufriedenheit bei Familien und jungen Leuten in Backnang nimmt zu

Und was hat die Stadt für Jugendliche und junge Erwachsene zu bieten? Offenbar zu wenig: Die Durchschnittsnote für die Freizeitangebote liegt bei 3,3, in der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen noch um ein Zehntel schlechter. Was die jungen Leute konkret vermissen, wird aus ihren Antworten auf die Frage „Was stört Sie in Backnang am meisten?“ deutlich. Etliche Teilnehmer beklagen hier, dass es zu wenige Treffpunkte und Freizeitangebote für junge Leute gebe. Sie vermissen zum Beispiel Klubs und Bars, abends sei in der Backnanger Innenstadt „tote Hose“.

Auf das gastronomische Angebot hat die Stadt zwar wenig Einfluss, Regine Wüllenweber verweist aber auf neu geschaffene Freizeitangebote wie den Skatepark beim Eugen-Adolff-Sportplatz oder das kürzlich eröffnete Beachvolleyballfeld in Maubach. Auch einen „Chillplatz“ speziell für Jugendliche kann sich die Sozialdezernentin vorstellen: „Wenn ein solcher Wunsch besteht, werden wir uns darüber unterhalten.“

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Erstellt:
22. Mai 2024, 09:54 Uhr

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