Backnang: Viel Gegenwind bei der Windkraft
Kommunalwahl 2024 Die Stadtverwaltung Backnang setzt vor allem auf den Ausbau der Fotovoltaik auf städtischen Gebäuden und auf weitere Nahwärmenetze im Stadtgebiet. In der Oberen Walke und im IBA-Areal sollen entsiegelte Flächen das Stadtklima verbessern.
Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Wenn es um Umwelt- und Klimaschutz geht, darf sich die Backnanger Stadtverwaltung eines großen Rückhalts in der Bevölkerung gewiss sein. Immerhin haben beim 2. BKZ-Bürgerbarometer zwei Drittel der Befragten erklärt, dass dieser Schutz für sie sehr wichtig (33,1 Prozent) oder wichtig (32,8) ist. Für Oberbürgermeister Maximilian Friedrich ist dies eine prächtige Steilvorlage. Er schreibt: „Dieses eindeutige Votum zeigt, wie tief verankert das Bewusstsein für diese entscheidenden Themen inzwischen in unserer Bürgerschaft ist. Der starke Rückhalt im Gemeinderat ermöglicht es uns, mit vereinten Kräften Maßnahmen zu ergreifen, die Backnang klima- und zukunftsfit machen werden.“ Auch Simone Lebherz von der Stabsstelle Klimaschutz erklärt: „Diese Themen haben innerhalb der Verwaltung eine sehr hohe Priorität – quer durch alle Ämter. Dabei sind wir uns bewusst, wie vielfältig die Aufgaben in diesem Bereich sind: Erst jüngst hat eine Abfrage unter allen Ämtern die Handlungsbreite aufgezeigt und damit auch die Herausforderungen für die nächsten Jahre.“
Die Idee, Backnang schnellstmöglich klimaneutral zu machen, bewerten drei Viertel der Bürger als sehr positiv, eher positiv oder neutral. Lebherz freut sich über diesen Rückenwind, denn „der Weg zur Treibhausneutralität kann nur in breitem Konsens mit der Stadtgesellschaft gegangen werden“. Ihrer Ansicht nach kann die Stadt dabei nur einen kleinen Beitrag selbst leisten. Aus Sicht der Verwaltung sind die Reduzierung des Wärmebedarfs und alle Maßnahmen, die die Energieautarkie erhöhen, die wichtigsten Stellschrauben. Im privaten Sektor herrscht dabei enormer Handlungsbedarf. Aufgrund der relativ geringen Siedlungsdichte mit vielen Einfamilienhäusern sind einige Stadtbereiche nur bedingt für Fernwärmenetze geeignet. Aber auch die vielen Steigungsstrecken sind nicht für Wärmenetze geeignet. Hier sind private Einzellösungen gefragt.
Aber überall dort, wo aufgrund der dichten Bebauung Wärmenetze sinnvoll sind, stehen die Stadtwerke und die Stadt vor der großen Herausforderung, Netzkapazitäten und regenerative Wärmeerzeugungsanlagen aufzubauen sowie möglichst wirtschaftlich zu betreiben. Aufgrund der vielen Variablen lässt sich ein Zieljahr zur Erreichung der Klimaneutralität im Gebäudebereich von der Stadt nicht entlocken. Allerdings kündigt Lebherz an: „Um Hausbesitzer bei der Energiewende zu unterstützen, wollen wir unsere Informations- und Beratungsangebote deutlich ausbauen.“
Mit Volldampf geht die Stadt den Ausbau von Fotovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden an. Gleich mehrere Anlagen befinden sich aktuell in der Projektierungsphase. Hierzu zählen die Anlage auf dem Baubetriebshof, die im Zuge der Dachsanierung umgesetzt werden soll, die Anlage auf dem Bürgerhaus, die in den Sommerferien montiert wird, sowie die Anlage auf der Stadthalle, die aktuell geplant wird. Hier müssen die Themen Denkmalschutz und Statik berücksichtigt werden. Aktuell wird die Fotovoltaikanlage auf dem Neubau der Schul- und Vereinsporthalle auf der Maubacher Höhe montiert. Allein sie hat eine Leistung von etwa 122 Kilowatt in der Spitze.
Sinnvolle Installationen wurden immer geprüft und mitbedacht
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Fotovoltaik bislang keine große Rolle bei städtischen Gebäuden gespielt hat. Der Ausbau ist in der Vergangenheit laut Hochbauamtsleiterin Inka Föll jedoch nicht versäumt worden. Vielmehr seien solche Installationen bei Sanierungs- und Neubauvorhaben wo immer möglich und sinnvoll geprüft und mitbedacht worden. Gleichwohl stellt der jetzt anvisierte Ausbau eine finanzielle Herausforderung für die Stadt dar. Föll: „Die Verwaltung sieht vor, die Umsetzung in Verbindung mit Sanierungs- und Neubauprojekten so zu kombinieren, dass hieraus gewerkeübergreifende Synergien entstehen. Die Installation von Fotovoltaikanlagen sorgt für eine Einsparung an Energiekosten und für eine Unabhängigkeit vom Strommarkt.“
Auch bei Balkonkraftwerken ist die Nachfrage nach Zuschüssen auch im zweiten Förderjahr hoch. Lebherz: „Die Verwaltung wird dem Gemeinderat deshalb die Fortführung in 2025 vorschlagen. Bis Anfang Juni rechnen wir mit dem 200. Antrag.“
Keine uneingeschränkte Unterstützung hat die Verwaltung beim Thema Windkraft. Zwar stehen 43 Prozent der Befragten dem Ausbau der Windkraft im Raum Backnang sehr positiv oder eher positiv gegenüber. Aber über ein Drittel der Bürger sind der Windkraft gegenüber negativ oder sogar sehr negativ eingestellt. Tobias Großmann, der Leiter des Stadtplanungsamts, zeigt sich davon aber wenig beeindruckt: „Die Stadtverwaltung ist überzeugt davon, dass ohne die Ausschöpfung der regionalen Windenergiepotenziale die Klimaziele nicht erreicht werden können.“ Der Stadtplaner verweist auch noch auf einen positiven Nebeneffekt. Im besten Fall springen nämlich bei den kommunalen Projekten zusätzlich zur Stromgewinnung noch finanzielle Vorteile für die Bürger heraus. Allerdings macht Großmann auch klar: „Neben der Windkraft werden aber auch zusätzliche regenerative Potenziale in der Raumschaft geschöpft werden müssen.“
Ein städtebauliches Großprojekt mit ambitionierten Umwelt- und Klimazielen stellt die Obere Walke dar. Dort werden große Bereiche entsiegelt und als multifunktional nutzbare Grünflächen in der Flusslandschaft angelegt. Gleichzeitig erfolgt die Wärmeversorgung über ein Nahwärmenetz sowie ein Holzheizkraftwerk größtenteils regenerativ. Auch für das IBA-Areal und die westliche Innenstadt ist eine Machbarkeitsstudie in Arbeit, um eine klimaneutrale Quartiersversorgung zu erreichen. Auch die Umsetzung der Planungen zur IBA wird durch Entsiegelungen und die Freiraumplanung die Klimafunktion der Flussaue westlich der Innenstadt verbessern.
Im Folgenden kommen die Stellungnahmen der Backnanger Listen zum Thema „Klima und Umwelt“
CDU: Städtische Gebäude müssen energetisch saniert werden
Um die Klimaziele zu erreichen und die Klimafolgeanpassung umzusetzen, sind hohe öffentliche und private Investitionen notwendig. Die Erarbeitung der Klimaziele, Einsetzung des Klimaforums sowie die kommunale Wärmeplanung führen in die richtige Richtung. Viele Maßnahmen sind bereits jetzt umsetzbar. Die Verwaltung muss öffentliche Flächen entsiegeln und bepflanzen, sowohl als Schattenspender als auch als CO2-Speicher. Städtische Gebäude sind energetisch zu sanieren und mit PV-Anlagen auszustatten. Es ist zu prüfen, wie noch mehr Freiflächen wie Parkplätze oder große Dachanlagen mit wirtschaftlichen und leistungsfähigen PV-Anlagen ausgestattet werden können. Zur Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung sind Nahwärmenetze einschließlich ihrer Heizzentralen zu planen, wie sie die Stadtwerke bereits betreiben. In Wohngebieten, bei denen Nahwärmenetze nicht wirtschaftlich sein können, sind die Bürger mittels „lokaler Wärmetische“ bestmöglich zu beraten.
Grüne: Der Komplettausbau der Erneuerbaren ist möglich
Klimaschutz ist Umwelt- und Menschenschutz. Klimaschutz bedeutet, dass wir unsere Mitmenschen, uns und unseren Wohlstand schützen und für zukunftssichere Arbeitsplätze sorgen. Unsere Stromversorgung stammt bereits zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energien – ein großer Erfolg. Also ist auch der Komplettausbau der Erneuerbaren möglich. Dadurch schützen wir das Klima und machen uns unabhängig von Energieimporten. Wir verbessern die Wälder, schützen Moore und begrünen die Ortschaften mit klimafester Bepflanzung, um ihren Wohn- und Erlebniswert zu erhöhen. Die Fußgänger sollen sich wohlfühlen. Wir fördern den öffentlichen Nahverkehr, den Ausbau von Radwegen, Carsharing – als Alternativen zum Privatauto. Leisere Straßen, saubere Luft und preiswerte Verkehrsmittel helfen den Menschen. Wir schonen die Umwelt, halten das Wasser sauber und erhalten Rohstoffe durch Kreislaufwirtschaft für zukünftige Menschen. Wir wollen das Energiesparen ins Zentrum rücken, dabei sollen städtische Gebäude Vorbilder werden.
SPD: Mit Beratung und Anreizen zur Klimaneutralität
Im Zuge des Klimawandels müssen wir mit mehr Hitzesommern rechnen. Als Gegenmaßnahme möchten wir Plätze wie die Bácsalmás-Anlage, die Schatten und Hitzeschutz bieten, aufwerten und uns insgesamt für mehr Grün und mehr Wasser in der Innenstadt einsetzen. Besonders der Erhalt und die Neupflanzung von Bäumen in der Innenstadt sind uns wichtig. Wir möchten die innerstädtische Murrlandschaft aufwerten, insbesondere im neuen IBA-Quartier. Bei dem Weg in die Klimaneutralität möchten wir vor allem auf Beratung und Anreize setzen, nicht auf Bevormundung. Der Umstieg auf regenerative Energien muss sozial gerecht gestaltet sein. Ein beständiges Ärgernis ist die Vermüllung unserer Stadt. Wir möchten unnötige Verpackungen vermeiden. In diesem Zusammenhang kommt für die SPD auch die Einführung einer Verpackungssteuer in Betracht, wenn ein entsprechendes Urteil des Verfassungsgerichts im Streit zwischen Tübingen und einem Schnellimbiss ergangen sein wird.
Bürgerforum BK: Klimaschutz muss für Bürger bezahlbar bleiben
Weitere Themen
Eine sorgfältige und schrittweise Umsetzung der geplanten Veränderungen in der Mobilität, der Gebäudesanierung und dem Heizgesetz ist erforderlich, um sicherzustellen, dass die Bevölkerung nicht überfordert wird. Als Bürgerforum Backnang setzen wir uns leidenschaftlich mit dem fundierten Wissen unserer Kandidaten für den Schutz unseres Klimas und unserer Umwelt ein. Eine innovative Maßnahme, die wir unterstützen, ist die Förderung von urbanen Grünflächen und die Schaffung von mehr naturnahen Lebensräumen. Hierdurch kann nicht nur die Biodiversität gefördert, sondern auch zur Verbesserung des Stadtklimas beigetragen werden. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Stadthitze zu reduzieren und Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu schaffen und zu erhalten. Eine aktive Idee, die weiter gefördert werden muss, ist die Einführung von kommunalen Projekten zur Förderung erneuerbarer Energien, wie die Installation von Solaranlagen auf öffentlichen und privaten Gebäuden. Wir streben nach einer umweltfreundlichen Stadtentwicklung.
CIB: Zieljahr und Meilensteine für CO2-Reduktionsplan benennen
Für einen wirksamen Umwelt- und Klimaschutz müssen die Stadt und die meisten Bürger an einem Strang ziehen. Dafür braucht es Motivation und Gemeinschaftsbewusstsein. Wir wünschen uns, dass die Stadt ihren Beitrag zu den in Paris vereinbarten Klimazielen leistet. Das heißt, dass ein CO2-Reduktionsplan mit Zieljahr und Meilensteinen erstellt wird. Wir unterstützen den Lärmschutzplan, Verkehrsberuhigung, sichere Fußwege, Parkraumbewirtschaftung auch in Wohngebieten, Klimafolgenanpassung, Stadtbegrünung und Hochwasserschutz. Das Projekt „Backnang blüht auf“ möchten wir ausbauen. Blühstreifen und Begrenzung der Beleuchtung sollen dem Insektenschutz dienen. Außerdem wünschen wir uns, dass eine Verpackungssteuer auf Einweggeschirr erhoben wird, um der Vermüllung entgegenzuwirken. Wir möchten, dass die Stadt sich der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“ anschließt. Deren Ziel ist es, dass die Kommunen mehr Entscheidungsfreiheit in Verkehrsfragen erhalten.
AfD: Keine Verspargelung des Waldes wegen Windmühlen
Für die AfD steht der Schutz unserer Natur im Vordergrund. Unsere Landschaft ist Natur-, Kultur- und Erholungslandschaft. Wald darf nicht der Verspargelung durch Windmühlen zum Opfer fallen. Wegen der ideologisch getriebenen Energiewende soll Wald durch Abholzung und Tonnen von Beton zerstört werden, obwohl die hiesigen Gebiete weitaus weniger windhöffig sind als zum Beispiel die Nordsee. Windmühlen töten Tiere. Streuobstwiesen als Kulturlandschaft müssen erhalten werden. Initiativen zu deren Erhalt müssen gefördert werden. Alle Pflanzen binden Feuchtigkeit und wirken regulierend auf das Mikroklima. Sie wandeln auch CO2 mittels Fotosynthese in Sauerstoff um. Landwirte praktizieren Klimaschutz und erhalten unsere Kulturlandschaft. Sie müssen von überbordender Bürokratie befreit zu unser aller Wohl arbeiten können. Lokal produzierte Nahrungsmittel sind zu bevorzugen. Versiegelung von Flächen durch Zelte und Container für Migranten lehnen wir ab.
BK Demokraten: Ja zu den Forderungen von Fridays for Future
Wir schließen uns den Forderungen von Fridays for Future zum Klimaschutz an und sehen im naturschonenden Ausbau regenerativer Energien die einzige Alternative. Dabei soll die Energieerzeugung (inklusiv möglicher Wasserkraft) vor Ort Vorrang vor neuen Stromtrassen haben. Der Klimaschutz muss bei sämtlichen städtischen Aktivitäten priorisiert werden. Die Auswirkungen aufs Klima sind bei jeder Entscheidung des Gemeinderates zu benennen. Wir unterstützen die vom BUND und Nabu Backnang erarbeitete wissenschaftsbasierte Empfehlung für den Hochwasserschutz an der Murr und fordern die Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Akteuren und der Bürgerschaft. Wir fordern ein intelligentes Beleuchtungskonzept für Backnang, welches konkrete Maßnahmen enthält. Dazu gehören begrenzte und der Verkehrsfrequenz angepasste Beleuchtungszeiten für Werbetafeln und Schaufenster, die Reduktion von unnötiger Image-beleuchtung und durch Bewegungsmelder gesteuerte und gerichtete Straßenbeleuchtungen.
Junge Liste: Sachverständige sollen bei Entscheidungen gehört werden
Die Junge Liste Backnang steht für eine klima- und generationengerechte Kommunalpolitik. Umwelt-, Klima- und Naturschutz sind komplexe und wichtige Aufgaben. In den Backnanger Verbänden gibt es zu vielen Themengebieten kompetente Sachverständige. Deshalb fordern wir die Einbeziehung dieser Verbände in den entsprechenden Ausschüssen. Nur so können alle Aspekte berücksichtigt und gute Entscheidungen getroffen werden. Auch auf allen öffentlichen Gebäuden und Parkplätzen sollten, wenn möglich, Fotovoltaikanlagen installiert werden. Ein zu häufiges Mähen der städtischen Grünflächen und Randstreifen schadet der Natur und kostet wertvolle Steuergelder. Deshalb fordern wir eine naturnahe und ökonomisch sinnvolle Mahd dieser Flächen. Des Weiteren setzen wir uns für einen verstärkten Ausbau der Radwege unter Berücksichtigung der Interessen aller Verkehrsteilnehmenden ein.
Bürgerstimme BK: Vor neuen Flächen versiegelte bebauen
Umwelt- und Klimaschutz gehen einher mit der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen (unter anderem Boden, Wasser, Luft). Beschlüsse im Bau-, Energie- und Finanzsektor müssen daher auf ihre Folgen geprüft werden, um unter anderem nachhaltige Kostentransparenz zu erhalten. Vor neuen Flächen sind bereits versiegelte zu bebauen. Der Biotopverbund ist zum Schutz von Natur und Landschaft weiterzuentwickeln, die Murr nicht mehr länger als eingemauerter Abflusskanal zu behandeln. Das Konzept der „Schwammstadt“ ist umzusetzen, um Hochwasserrisiken zu reduzieren und einen neutralen Wasserhaushalt zu gewährleisten. Beschleunigte Bebauungsplanverfahren sind zu vermeiden, Ausgleichsmaßnahmen nur noch auf eigener Markung zuzulassen. Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz sind auf die Kommunen der vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft zu übertragen. Der Plattenwald ist angesichts des sichtbaren Kahlschlags vor weiteren Baumfällungen und Rodungen zu schützen, um dessen Ökosystemleistung als „grüne Lunge“ zu bewahren.
Hinweis: Von der Liste Bündnis Deutscher Bürger lag bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme zum Thema „Klima und Umwelt“ vor.