Wenn ChatGPT für die Zeitung schreibt

Schlaue Systeme (13) KI verändert die Arbeitswelt. Auch im Journalismus wird künstliche Intelligenz künftig eine immer größere Rolle spielen, etwa beim Kürzen langer Texte oder beim Erstellen von Meldungen. Doch können KI-Chatbots schon ganze Artikel schreiben? Ein Praxistest.

Für ein gutes Ergebnis muss man dem KI-Chatbot eine möglichst präzise Anweisung („Prompt“) geben. Das allein garantiert aber noch kein perfektes Resultat. Foto: Adobe Stock/irissca

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Für ein gutes Ergebnis muss man dem KI-Chatbot eine möglichst präzise Anweisung („Prompt“) geben. Das allein garantiert aber noch kein perfektes Resultat. Foto: Adobe Stock/irissca

Von Melanie Maier

Backnang. In manchen Branchen wird KI in wenigen Jahren nicht mehr wegzudenken sein. Einige Beispiele dafür waren bereits Thema unserer Serie „Schlaue Systeme“: Künstliche Intelligenz hilft beispielsweise schon heute der Polizei bei Ermittlungen oder optimiert die Unkrautbekämpfung in der Landwirtschaft. Auch im Journalismus hat KI bereits Einzug gehalten: Beim Kölner Express zum Beispiel schreibt eine KI unter dem Pseudonym „Klara Indernach“ schon komplette Artikel. Sogar ein Profilfoto hat die digitale Autorin auf der Website der Boulevardzeitung bekommen. Darauf zu sehen ist eine junge Frau mit verstrubbeltem, blond gefärbtem Haar und sympathischem Lächeln. Die abgebildete Person existiert selbstverständlich nicht. Das Porträtbild wurde von dem KI-Programm Midjourney erstellt, wie der Kölner Express in einem Text neben dem Foto offenlegt. Dort stellt der Verlag auch klar, dass sämtliche Artikel, die mithilfe der KI entstanden sind, markiert werden und dass sie vor der Veröffentlichung stets von der Redaktion bearbeitet und geprüft werden.

„Klara Indernach“ braucht keine Pause und hat nie eine Schreibblockade. Screenshot: BKZ

© Screenshot BKZ

„Klara Indernach“ braucht keine Pause und hat nie eine Schreibblockade. Screenshot: BKZ

Die Vorteile der „Klara Indernach“ liegen auf der Hand: Sie kostet kein Gehalt, hat nie eine Schreibblockade oder einen schlechten Tag. Sie kann zu jedem Thema etwas sagen und schreibt so viele Artikel, wie es für eine gewissenhaft recherchierende Redakteurin schlichtweg unmöglich wäre. An dem Punkt tritt aber auch schon ihre Schwäche zutage: Zwar nennt „Klara Indernach“ in jedem Text mindestens eine Quelle, auf die sie sich bezieht. Doch ob die Informationen stimmen, muss am Ende ein Mensch überprüfen. Auch das Zweiquellenprinzip, das im Journalismus gilt, beachtet sie nicht.

Im KI-Text sind viele Fehler enthalten

Im Lokaljournalismus hat es künstliche Intelligenz noch einmal schwieriger. Denn meist sind nicht alle Informationen, die für einen Text benötigt werden, im Internet verfügbar. Was in der jüngsten Gemeinderatssitzung in Großerlach beschlossen wurde oder wie Backnangs Oberbürgermeister sich zuletzt zum Ausbau der B14 geäußert hat – bei Themen wie diesen stößt die KI an ihre Grenzen, wie ein Praxistest zeigt.

Die erste Anweisung, das „Prompt“, an ChatGPT lautet, einen Zeitungsartikel mit maximal 6.000 Zeichen über die wichtigsten Ereignisse des Jahres 2023 in Backnang und Murrhardt sowie in den umliegenden Gemeinden zu schreiben. In Sekundenschnelle generiert die KI einen Text. Dieser könnte jedoch nicht in der Zeitung abgedruckt werden. Zum einen, weil er hauptsächlich aus Allgemeinplätzen besteht (etwa: „Auch in Murrhardt prägten Gemeinschaftsprojekte und Naturerlebnisse das Jahr 2023“). Zum anderen, weil viele Fehler enthalten sind. Als ein bedeutendes Ereignis des zurückliegenden Jahres hebt ChatGPT zum Beispiel die Entstehung eines neuen Parks am Stadtrand Backnangs hervor, der „nicht nur Erholungsmöglichkeiten bietet, sondern auch ein Zeichen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit setzt“. Soll damit vielleicht der im April eröffnete Skatepark gemeint sein? In Murrhardt wiederum listet der Bot die „Neugestaltung des zentralen Marktplatzes“ als besonders erfolgreiches Projekt auf. Nur: Umgestaltet wurde der Platz bisher nicht. Ganz zu schweigen vom Backnanger Straßenfest, das ChatGPT einfach nur Stadtfest nennt.

Dass ChatGPT Fehler machen kann, darauf weist der Bot selbst hin (siehe Foto). Auch im Testtext ist nicht alles richtig. Schreenshot: BKZ

© Melanie Maier

Dass ChatGPT Fehler machen kann, darauf weist der Bot selbst hin (siehe Foto). Auch im Testtext ist nicht alles richtig. Schreenshot: BKZ

Zu den Umlandgemeinden schreibt ChatGPT erst gar nicht viel. Vage textet der Chatbot einige Sätze über Infrastrukturmaßnahmen, Entwicklungsprojekte und die Digitalisierung. Ereignisse wie die Bürgermeisterwahl in Spiegelberg am 24. September oder in Sulzbach an der Murr am 3. Dezember sind der KI keine Zeile wert.

Die Anweisung, ChatGPT solle konkreter werden, ändert kaum etwas am Text. Erst nach dem Prompt, der Bot solle auch auf die Bürgermeisterwahl in Sulzbach an der Murr eingehen, tut er es. „Besonders erwähnenswert war die Bürgermeisterwahl in Sulzbach an der Murr, die die politische Landschaft der Gemeinde maßgeblich beeinflusste“, schreibt ChatGPT nun. „Der neu gewählte Bürgermeister wird in den kommenden Jahren maßgeblich an der Entwicklung der Stadt teilhaben.“ Das irritiert, denn die neu gewählte Bürgermeisterin heißt bekanntlich Veronika Franco Olias. Zudem ist der Ort Sulzbach mit seinen rund 5400 Einwohnerinnen und Einwohnern keine Stadt.

Bürgermeister statt Bürgermeisterin

Was passiert, wenn man das Programm jetzt darum bittet, den neuen Bürgermeister namentlich zu erwähnen? ChatGPT ist um keine Antwort verlegen. Der Bot behauptet, dass ein Herr Markus Schneider zum neuen „Stadtoberhaupt“ gewählt wurde. Fragt sich nur, wer das sein soll – zumal nicht einmal einer der Bürgermeisterkandidaten so hieß. Die Antwort auf die Anschlussfrage, was denn mit Veronika Franco Olias sei, erklärt einiges. „Es tut mir leid für das Missverständnis“, schreibt ChatGPT, „aber bis zu meinem Wissensstichtag im Januar 2022 ist mir keine Person namens Veronika Franco Olias oder eine ähnliche Person in der Region Sulzbach an der Murr oder in den umliegenden Gemeinden bekannt.“ Der Bot empfiehlt, lokale Nachrichtenquellen, offizielle Gemeindeveröffentlichungen oder die Website von Sulzbach an der Murr zu konsultieren, um aktuelle Informationen zu erhalten.

Eine Chance bekommt ChatGPT noch. Die KI soll ein Porträt über Maximilian Friedrich schreiben. Die Anweisung war wohl nicht präzise genug, denn auf dem Bildschirm erscheint ein Text über einen Künstler aus München. Die Bitte, über den Backnanger Oberbürgermeister Maximilian Friedrich zu schreiben, führt zu keinem besseren Ergebnis. Wieder teilt ChatGPT mit, bis zu seinem Wissensstichtag keine spezifischen Informationen über den OB zu haben. Immerhin bietet das Programm an, ein Porträt zu schreiben, wenn man selbst einige Informationen bereitstellt.

Etwas besser läuft es beim Konkurrenten Google Bard. Die KI porträtiert auf Anhieb den „richtigen“ Maximilian Friedrich. Doch auch dieser Chatbot ist mit Vorsicht zu genießen. Einiges stimmt („Er wurde am 16. März 1987 in Backnang geboren und ist seit 2021 Oberbürgermeister der Stadt“), anderes jedoch nicht („Maximilian Friedrich ist ein deutscher Politiker der Grünen“ – tatsächlich gehört er keiner Partei an).

Der Test zeigt, dass Chatbots (noch?) nicht in der Lage sind, Journalistinnen und Journalisten zu ersetzen. Dennoch können sie nützlich sein: etwa beim Kürzen langer Texte, beim Bearbeiten von Meldungen oder beim Erstellen von Überschriften. Wird KI im Journalismus richtig eingesetzt, bleibt den Schreibenden im besten Fall künftig mehr Zeit für anspruchsvollere Aufgaben.

Serie In unserer Serie „Schlaue Systeme“ zeigen wir, wo künstliche Intelligenz in
unserer Region bereits zum Einsatz kommt. Nutzen Sie KI im Beruf oder auch in der Schule, im Ehrenamt oder im Privatleben? Dann schicken Sie eine E-Mail mit dem Betreff „KI-Serie“ an redaktion@bkz.de.

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Erstellt:
5. Januar 2024, 16:00 Uhr

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