BKZ-Wandertag: Wie der Wald zur Kulturlandschaft wurde

BKZ-Wandertag Die zweite unserer diesjährigen Themenwanderungen führt den Teilnehmern nicht nur die Schönheit von Obstwiesen und wilden Bachläufen vor Augen, sondern sie erfahren auch allerlei Spannendes über die Entstehung der hiesigen Kulturlandschaft.

Auch der zweite BKZ-Wandertag durch die Kulturlandschaft ab Mittelschöntal erfreut sich großer Beliebtheit. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Auch der zweite BKZ-Wandertag durch die Kulturlandschaft ab Mittelschöntal erfreut sich großer Beliebtheit. Fotos: Alexander Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Backnang. Knapp 70 Wanderfreunde, und damit fast ebenso viele wie beim ersten BKZ-Wandertag in der Vorwoche, fanden sich am Freitag am Treffpunkt in Mittelschöntal zusammen, um die zweite Schleife des Äpple-Wegs gemeinsam zu erkunden. Mit dabei: Stefan Setzer, seines Zeichens Erster Bürgermeister der Stadt Backnang und Vorsitzender des Mostviertelvereins, sowie Geschäftsführerin Nadine Thoman und BKZ-Chefredakteur Kornelius Fritz.

Eigentlich wäre die Strecke mit angekündigten 7,3 Kilometern ja gar nicht so lang gewesen. Dass es etwas mehr zu wandern war, lag an den heftigen Regenereignissen im Juni, die das Wüstenbachtal stark in Mitleidenschaft gezogen hatten. Die Strecke direkt am Wüstenbach entlang ist deshalb momentan gesperrt. Und so hatte sich Naturparkführerin Petra Klinger eine Alternativstrecke überlegt und durch den Forst abklären lassen.

Naturparkführerin Petra Klinger weiß viel Interessantes über die Kulturlandschaft im Raum Backnang zu berichten.

© Alexander Becher

Naturparkführerin Petra Klinger weiß viel Interessantes über die Kulturlandschaft im Raum Backnang zu berichten.

Zunächst führte der Wanderweg etwas bergauf, an Höfen und Häusern am Rand Schöntals entlang. Kaum hatte sich die Gruppe in Bewegung gesetzt, fanden sich auch schon die ersten Gesprächspartner zusammen. Kein Wunder, zu Beginn ist man schließlich noch ausgeruht, da lässt es sich gut plaudern. Manch einer hatte Walkingstöcke dabei, andere ließen den Blick über die idyllische und nur sanft wellige Landschaft schweifen. Der Most ließ sich zumindest erahnen, die Apfelbäume entlang des Wegs sind schwer behangen mit Früchten, der Hagel im Juli scheint zumindest hier kaum Schäden angerichtet zu haben.

Bummel durch die Siedlungsgeschichte

Nach einem guten Kilometer folgte die erste kurze Pause. Petra Klinger berichtete über die Anfänge der hiesigen Kulturlandschaft. Vor gut 10000 Jahren nämlich sei der Mensch als Jäger und Sammler durch die damals noch ausgedehnten Wälder gestreift. Erst vor etwa 7500 Jahren wurde er sesshaft. Unsere Umgebung sei etwa ab 200 bis 300 nach Christus besiedelt worden, man habe vor allem Vieh gehalten, das sich vorwiegend in den Wäldern aufgehalten hatte. Erst später ging man zur Stallhaltung über und rodete den Wald, um Platz für Wiesen zu erhalten. Zudem sei alles, was in irgendeiner Weise als Einstreu für das Vieh taugte, aus dem Wald geholt worden, also Laub, Reisig und Ähnliches.

Eine fatale Entwicklung eigentlich für den Wald, dem dadurch die Nährstoffe entzogen wurden. Doch entstand dadurch wiederum eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft, mit Acker- und Weinbau, die sogar Grundlage einer wesentlich größeren Artenvielfalt wurde. Mit der Reblaus fand der Weinanbau ab 1870 ein jähes Ende, zudem stellte sich der importierte Wein aus Italien und Frankreich doch als geschmackvoller heraus.

Auch wenn es bereits vor Jahrtausenden vereinzelt Holzbirnen und -äpfel in hiesigen Wäldern gab – die Kunst des Obstanbaus erreichte unsere Gefilde erst mit den Römern. Vor allem in Klöstern wurde später experimentiert, nicht nur was neue Sorten betrifft, sondern auch zu deren Verarbeitung. Wie wichtig Obst für die Versorgung war, erkannte schon Kaiser Barbarossa, der nicht nur die Anlage von Obstwiesen befahl, sondern auch jedem Bürger vorschrieb, Obstbäume zu besitzen. Wer Bäume beschädigte, hatte mit schwerer Strafe zu rechnen. Und später war es eine beliebte Kriegsstrategie, die Obstbaumgürtel um Siedlungen zu zerstören. In den 1950er-Jahren wurde der Streuobstanbau immer mehr durch den Erwerbsobstanbau ersetzt.

Sichtbare Auswirkungen der Unwetter

Weiter ging es an einem sogenannten Krötenzirkel vorbei, einem künstlich angelegten Biotop, in dem die Wechselkröte eine Heimat gefunden hat. Sonnenblumenfelder folgten, ein beliebtes Fotomotiv bei den Wanderfreunden. Kurz bevor es in den Wald hineinging – an diesem doch recht warmen Nachmittag sehnte man sich mittlerweile nach ein wenig Schatten –, machte Petra Klinger noch auf die Auswirkungen des Starkregens aufmerksam. Im Schotterweg waren tiefe Furchen zu sehen, da lief es sich besser auf der Wiese nebenan. Wurzeln hängen in der Luft, das Erdreich wurde an manchen Stellen vollständig weggespült.

BKZ-Wandertag: Wie der Wald zur Kulturlandschaft wurde

Weitere Themen

Der Weg führte dann bergab, es ging in Richtung Wüstenbach. „Da entstehen auch neue Uferverläufe“, erklärte Petra Klinger. Kaum zu glauben, welche Gewalt solch ein Regen haben kann.

Unterwegs wies die Naturparkführerin auch auf verschiedene Pflanzen hin, etwa die Waldminze mit ihren feinen kleinen lila Blüten und dem typischen Duft, die Tollkirsche, die für verführerisch große Pupillen sorgt (daher auch der Name Belladonna, also schöne Frau) oder auch der Baldrian.

Eine Teilnehmerin ist aus Fornsbach zur Wanderung gekommen. Normalerweise ist sie mit einer Freundin unterwegs, doch diesmal hatte es bei dieser nicht geklappt. Bereits bei der vorigen Wanderaktion vor zwei Jahren hatte sie fast immer teilgenommen. Als sie von der diesjährigen Wanderaktion gelesen hatte, stand für sie fest: „Der Freitag ist gesetzt!“

Eine andere „interessierte Mitwanderin“ aus Auenwald, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, war zum ersten Mal dabei. Das Thema hatte sie gleich interessiert und besonders gut gefiel ihr, dass man vorab schon einige Informationen zur geplanten Wanderung erhalten hatte.

Apfelschorle und Most als Abschluss

Über den sogenannten Kirchweg ging es nun Richtung Steinbruch Zwingelhausen, der Wüstenbach plätscherte harmlos und friedlich vorbei. Petra Klinger wies auf einen Hang hin, an dem frisch gepflanzte Bäumchen stehen. Bis vor Kurzem waren hier noch Eschen gewachsen, doch diese waren dem Eschentriebsterben zum Opfer gefallen. Aufgeforstet wurde mit verschiedenen Laubbaumarten, nun muss man abwarten, welche am besten gedeihen.

Schließlich verließ die Gruppe den Weg am Bach entlang und kämpfte sich ein doch recht steiles Stück vor dem Steinbruch hinauf. Von oben hatte man einen grandiosen Blick über denselben.

Nach knapp drei Stunden kehrte man zum Ausgangspunkt zurück. Das „Weissacher Regiostreunerle“ versorgte die durstige Kehle mit Wasser, Apfelschorle und natürlich Most. Hefezopf, Käse- und Salamibrote, hart gekochte Eier, Gurken- und Tomatenstücke luden zur Stärkung ein. Eine rundum gelungene Wanderung, die nicht nur Einblicke in die landschaftliche Schönheit der Umgebung gewährte, sondern auch viel spannendes Wissen rund um die Streuobstwiesen vermittelte, ging damit zu Ende.

Dritte Wanderung Die nächste Wanderung findet am Freitag, 9. August, wie immer um 14 Uhr statt. Das Thema lautet diesmal Imkerei, als Expertin mit an Bord ist die Imkerin Tanja Fichtl. Start der Tour ist in der Ortsmitte von Bruch. Gewandert wird auf einem modifizierten Teilabschnitt der ’s-Äpple-Schleife 3. Die Strecke ist 5,4 Kilometer lang.

Zum Artikel

Erstellt:
5. August 2024, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen