Das neue Tageselternhaus in Backnang ist eröffnet
Schon seit dem 1. Februar ist das neue Tageselternhaus des Vereins Kinder- und Jugendhilfe in der Backnanger Mühlstraße 11 in Betrieb. Am Mittwoch wurde es offiziell eröffnet. Es bietet Platz für vier Gruppen mit insgesamt 28 Kindern. Von dem Neubau sind alle Beteiligten sehr angetan.
Von Melanie Maier
Backnang. Die Begeisterung über das neue Tageselternhaus steht Oksana Plotnikov ins Gesicht geschrieben. Die 49-Jährige war schon am vorherigen Standort im Seehofweg als Tagesmutter tätig. Der Umzug in den Neubau in der Mühlstraße habe viele Verbesserungen mit sich gebracht, sagt sie. „Ich bin ganz begeistert vom ganzen Haus“, betont Oksana Plotnikov und zählt auf: „Wir haben einen Spielplatz in der Nähe, die Küchen sind supertoll, aber auch die Böden und der Bewegungsraum unten.“ In diesem Bereich im Untergeschoss können sich die Kinder mit Rutschautos oder auch einfach rennend austoben, erklärt Cleo Pohl. Sie hat die Fachbereichsleitung der Tageselternvermittlung beim Trägerverein Kinder- und Jugendhilfe inne. Auch sie sagt, der Neubau sei ein riesiges Geschenk.
Das neue Tageselternhaus wirkt wirklich sehr einladend. Das dreistöckige Gebäude am Rand der Innenstadt und des künftigen IBA-Areals ist in Holzhybridweise gebaut. Auch innen ist viel Holz zu sehen: Die Decken sind hölzern und Holzstufen führen zu den oberen Stockwerken.
Die Wohnungen, in denen die Gruppen untergebracht sind, haben etwa die gleiche Quadratmeterzahl und sind sehr ähnlich ausgestattet, weiß Cleo Pohl. „Nur der Schnitt ist jeweils ein bisschen anders.“ Jede Wohnung hat ein Badezimmer, einen Schlafraum sowie einen geräumigen Wohn-Essbereich mit einer funktionalen, modernen Küche und einer gemütlichen Sofaecke. Die Wände sind weiß, die Böden limettengrün. „Bei der Ausstattung durften sich die Tagesmütter auch was wünschen“, berichtet Cleo Pohl. Die Gegenstände in den Gruppen sind also nicht überall gleich. Alle verfügen jedoch über verschiedene Spielgeräte wie eine Holzwippe, Bausteine, Bücher, Puppen oder eine Kinderküche. Das kommt bei Kindern und Eltern sehr gut an.
Bis zu acht Stunden Betreuung
Carina Pedersen etwa bringt ihre 20 Monate alten Zwillinge Lucas und Marie seit dem 1. Februar zur Betreuung ins Tageselternhaus. „Ihm gefällt’s voll gut, seine Schwester tut sich nicht ganz so leicht mit der Eingewöhnung“, sagt die 33-jährige Backnangerin. Sie finde das Konzept gut, fügt sie hinzu, „dass man zwei vertraute Personen hat, die sich um das Kind kümmern.“ Ähnlich sieht das auch Anne-Catherine Wolf. Sie begrüßt es, dass sich ihre einjährige Tochter in einer kleinen Gruppe an die Außerhausbetreuung gewöhnen kann. „Der Hauptentscheidungsgrund für das Tageselternhaus war bei uns aber, dass wir nur 300 Meter den Berg hoch wohnen“, räumt die 32-Jährige ein.
Je nach Bedarf können die Eltern ihre Kinder sechs bis acht Stunden abgeben. Die Tagesmütter – momentan arbeiten nur Frauen im Tageselternhaus, doch es gibt auch ein paar Tagesväter in Backnang – kümmern sich jeweils zu zweit um bis zu sieben Kinder gleichzeitig. „Maximal neun sind es, wenn mindestens eine der beiden Kräfte eine entsprechende Qualifizierung vorweisen kann“, spezifiert Cleo Pohl.
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Sie führt ins Erdgeschoss. Dieses und die Sanitärräume sind barrierefrei zugänglich. In einem Raum direkt neben dem Eingang können Eltern Kinderwagen unterbringen, dort werden auch die Schuhe ausgezogen. „Das ist eigentlich ein reines Hausschuhhaus“, sagt Cleo Pohl.
Bei der Eröffnung des Tageselternhauses am Mittwoch dürfen die Gäste ihre Schuhe aber selbstverständlich anbehalten. Im Obergeschoss werden sie mit Sekt begrüßt, um kurz nach 15 Uhr beginnt der offizielle Teil: Karin Thoma, pädagogische Leiterin beim Verein Kinder- und Jugendhilfe, begrüßt die Anwesenden. Es folgen insgesamt vier Reden, anschließend darf das Gebäude erkundet werden.
Zu Beginn stieß das Projekt zum Teil auf großes Unverständnis
„Wir freuen uns sehr, dass wir heute nach langem Planungs- und Bauprozess zusammenfinden können“, sagt Stefan Setzer, der als Erster Bürgermeister den verhinderten OB Maximilian Friedrich vertritt. Der Neubau erfülle die Stadt und die Vertreter der Städtische Wohnbau Backnang GmbH, der das Gebäude gehört, mit Stolz. Die Nachbarschaft sei zwar noch „stark aufwertungsbedürftig“ – in dieser Hinsicht werde in den kommenden Jahren aber etwas geschehen, verspricht er. Das Tageselternhaus, fährt Stefan Setzer fort, sei einer der Eckpfeiler der Kinderbetreuung in Backnang – und ein Pionierprojekt im Landkreis. Heinz Franke, inzwischen Ehrenvorstandsvorsitzender des Vereins Kinder- und Jugendhilfe, und Renate Schmetz, mittlerweile die Erste Bürgermeisterin der Stadt Ludwigsburg, hätten das Tageselternhaus vor mehr als einem Jahrzehnt auf den Weg gebracht. „Ihnen beiden gebührt unser Dank für ihren unermüdlichen Einsatz.“
Noch so manch andere Dankesworte werden an diesem Tag ausgesprochen – Heinz Franke zum Beispiel richtet seinen Dank unter anderem an den Backnanger Gemeinderat, der die Voraussetzungen für das Tageselternhaus schuf. Es sei ein sehr langer, sehr intensiver und manchmal nicht ganz so einfacher Prozess gewesen bis zur Einweihung, blickt Heinz Franke zurück. Zu Beginn sei das Projekt zum Teil auf großes Unverständnis gestoßen. „Es war viel Arbeit in den Köpfen zu verankern, dass das ein wichtiger Teil des Betreuungsangebots ist.“ Eine Herausforderung seien auch die vielen Umzüge gewesen. „Wir haben manchmal kaum ausgepackt, da mussten wir schon wieder einpacken“, sagt er. „Beim fünften Standort war uns klar: Wenn wir noch mal umziehen, muss es Hand und Fuß haben.“
Das hat der Neubau in der Mühlenstraße. Die größte Herausforderung vorab sei die Suche nach Personal gewesen, berichtet Cleo Pohl. Der Fachkräftemangel zeigt sich auch beim Verein Kinder- und Jugendhilfe. Umso größer ist die Freude, dass genügend Tagesmütter gefunden werden konnten, um mit allen vier Gruppen zugleich zu starten. Ein oder zwei Kräfte würde Cleo Pohl sich jetzt noch wünschen, um ein Vertretungsmodell einrichten zu können.
Geschichte Das erste Tageselternhaus in Backnang war nur etwa 100 Meter von dem jetzigen Standpunkt untergebracht: über dem Juze in der Mühlstraße. Mit dem 2009 begonnenen Projekt war der Verein Kinder- und Jugendhilfe Vorreiter im Rems-Murr-Kreis. In den zurückliegenden 15 Jahren hat das Tageselternhaus fünfmal seinen Standort gewechselt. Der vorherige war im Seehofweg. Dort gab es 14 Betreuungsplätze. 2020 stand fest, dass ein weiterer Umzug folgen sollte, denn eine Erweiterung im Seehofweg war nicht möglich. Die Suche nach einem neuen Standort begann. Der Baggerbiss in der Mühlstraße erfolgte im Frühjahr 2022. Die Fertigstellung des nunmehr sechsten Standorts war ursprünglich für Mai 2023 geplant. Genutzt wird das Haus seit 1. Februar. Die offizielle Eröffnung fand am Mittwoch statt.
Konzept In gemieteten Räumen betreuen jeweils zwei Tagesmütter maximal neun Kinder gleichzeitig. Die Mitarbeiterinnen sind beim Verein Kinder- und Jugendhilfe fest angestellt. Das neue Tageselternhaus bietet Platz für vier Gruppen mit insgesamt 28 Kindern (beziehungsweise 36 Kindern, wenn in jeder Gruppe eine Tagesmutter mit entsprechender Qualifizierung ist).
Finanzierung Die Städtische Wohnbau Backnang GmbH ist Eigentümerin des Gebäudes. Die Stadt Backnang trägt die Mietkosten in Höhe von rund 87.000 Euro für das Tageselternhaus und leistet einen Zuschuss zu den Personalkosten in Höhe von 110.000 Euro pro Jahr. Letzterer wurde erst im Juli 2023 vom Backnanger Gemeinderat verdoppelt.