Hilfe bei der Steuererklärung

Im Frühjahr beginnt für viele der alljährliche Kampf mit der Steuererklärung und damit die Sorge vor einer Nachzahlung. Auch Rentner werden wieder vermehrt zur Kasse gebeten. Wer Hilfe sucht, findet diese in Form von Apps, beim Steuerberater oder beim Lohnsteuerhilfeverein.

Sandra Kümmerlen führt in Backnang die von ihrem Vater gegründete Kanzlei Kümmerlen & Partner. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Sandra Kümmerlen führt in Backnang die von ihrem Vater gegründete Kanzlei Kümmerlen & Partner. Foto: Alexander Becher

Von Kai Wieland

Backnang. Von den vielen alljährlich auflaufenden Pflichten ist wohl kaum eine so unbeliebt, wenn nicht gar gefürchtet wie die Steuererklärung. Einkünfte, Werbungskosten, Freibeträge – der Dschungel aus Zahlen, Fachbegriffen und Paragrafen, dazu die eigene mitunter sträflich vernachlässigte Zettelwirtschaft, erscheint bisweilen undurchdringlich. Wer sich dennoch dazu durchdringt oder etwa aufgrund von Nebeneinkünften ohnehin dazu verpflichtet ist, nimmt dabei gerne Hilfe in Anspruch, sei es in Form einer Software oder App, eines Steuerberaters oder eines Lohnsteuerhilfevereins.

In einer nicht repräsentativen Umfrage unserer Zeitung in den sozialen Netzwerken geben immerhin 87 Prozent der Antwortenden an, eine Steuererklärung zu erstellen, mehr als die Hälfte davon (54 Prozent) mithilfe einer Software oder App. Gut ein Viertel (28 Prozent) wendet sich hingegen an einen Steuerberater. Die restlichen 18 Prozent gehen die Aufgabe ohne Hilfsmittel an.

„Der Hauptgrund, aus dem Menschen zu uns kommen, ist das komplizierte Steuerrecht“, sagt Martina Reichert-Stettner, Beratungsstellenleiterin und Vorstand des Vereins Lohnsteuerhilfe Backnang. „Der Aufwand ist einfach sehr groß, vor allem angesichts der Tatsache, dass sich nicht nur jährlich, sondern ständig Dinge ändern. Es reicht also nicht, sich einmal hineinzufuchsen und dann immer so weiterzumachen, sondern es müssen Gesetzesänderungen und insbesondere auch Urteile berücksichtigt werden. Dafür fehlt vielen schlicht die Zeit.“

Unmut in der Bevölkerung ist spürbar

Im Jahr 1976 wurde der Verein, so wie deutschlandweit viele andere Lohnsteuerhilfevereine auch, als Selbsthilfeeinrichtung für Arbeitnehmer gegründet. „Es geht darum, dass jeder die Möglichkeit hat, Hilfe bei der Steuererklärung zu bekommen“, erklärt Reichert-Stettner. Von einem Steuerberater unterscheidet sich das Angebot zum einen durch die Beratungsbefugnis, denn gemäß Steuerberatergesetz dürfen Lohnsteuerhilfevereine lediglich bei Einkünften aus nicht selbstständigen Tätigkeiten, also von Arbeitnehmern, bei Renteneinkünften sowie bis zu gewissen Einnahmegrenzen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und bei Kapitaleinkünften beraten. Zweitens gibt es keine pauschalen Honorarsätze, sondern einen jährlichen Mitgliedsbeitrag, der sich zudem an der Höhe des Einkommens orientiert.

„Die Steuererklärung ist für viele Menschen geradezu angstbehaftet“, sagt Martina Reichert-Stettner. Insbesondere unter den Rentnern kämen viele zu ihr und hätten vor Sorge zwei Nächte nicht geschlafen. „Seit ein oder zwei Jahren ist es doch auffällig, dass die Rentner sehr viel nachzahlen müssen. Für diejenigen, die wenig Rente bekommen, ist das ein massives Problem.“

Hilfe bei der Steuererklärung

Überhaupt nehme sie viel Ärger über die derzeitige Situation wahr. „Es gibt wahnsinnigen Unmut wegen der gesetzlicher Lage, etwa 90 Prozent der Menschen, die wir beraten, sind wirklich unzufrieden.“ Auf sie als Bearbeiterin falle das aber in der Regel nicht zurück. „Die Leute haben schon ein Bewusstsein dafür, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen die Ursache sind“, sagt sie. „Und letztlich sind wir auch ein wenig dafür da, dass sich die Menschen mal darüber aufregen dürfen, finde ich.“

Sandra Kümmerlen von der Backnanger Steuerberatungsgesellschaft Kümmerlen & Partner erlebt diesen Ärger bei ihren Mandanten ebenfalls, stellt jedoch zugleich augenzwinkernd fest: „Beim Thema Steuer ist die Stimmung immer schlecht.“ Spürbar sei aber, dass sich immer mehr Menschen um eine Beratung bemühten, was ihrer Ansicht nach mit der zunehmenden Komplexität des Steuerrechts zusammenhängt. „Wir haben sehr viele Anfragen, insbesondere aus den Reihen der Arbeitnehmer und von Menschen, die ein Nebengewerbe anmelden oder eine Existenz gründen möchten.“

Nachkommen könne man diesen oftmals nicht, denn fast alle Steuerkanzleien seien bereits aus- oder gar überlastet. Und das, obwohl der Berufsstand tendenziell wächst: Laut der Berufsstatistik der Bundessteuerberaterkammer zählte diese am 1. Januar 2023 in Deutschland 104.321 Mitglieder. Im Jahr 2019 waren es noch 98.955, 2013 nur 92.408 Mitglieder.

Wegen neuer Gesetze benötigen die Bürger mehr oder weniger Hilfe

Weitere Themen

Vor allem Änderungen in der Gesetzgebung führten oftmals dazu, dass sich Menschen wieder vermehrt an die Steuerberaterin wendeten. „In den zurückliegenden Jahren war es zum Beispiel das Thema Fotovoltaikanlagen. Da war großer Beratungsbedarf und es kamen viele, die zuvor ihre Steuererklärung allein gemacht hatten, wieder auf uns zu. Jetzt hat sich das Gesetz geändert und PV-Anlagen gelten als Liebhabereibetrieb. Da ist dann steuerlich nicht mehr so viel zu machen und so ändert es sich wieder.“

Im vergangenen Jahr sorgte die Grundsteuererklärung für großen Andrang bei Steuerberatern, nun seien es immer öfter Themen wie Altersteilzeit oder Abfindungen. „Hier kann man sehr viel Steuern sparen, aber auch viel kaputt machen, deshalb ist eine Beratung auch wichtig“, sagt Kümmerlen.

Apps und Programme sind hilfreich

Das große Angebot an Programmen und Apps, am häufigsten genannt werden Wiso, Taxfix und Steuerbot, habe zeitweise zu dem Eindruck geführt, dass die Menschen sich vermehrt selbst um ihre Steuererklärung kümmerten. Aktuell scheine es wieder eine gegenläufige Entwicklung zu geben, sagt Kümmerlen. Inhaltlich seien diese Programme aber durchaus ordentlich. „Ich habe mich beispielsweise mit Wiso beschäftigt, und das ist wirklich gut, es wird vieles abgefragt.“ Sie stelle fest, dass insbesondere junge Menschen, die heute ihre Beratung in Anspruch nehmen, bereits sehr gut informiert und vorbereitet seien. „Sie haben sich online schon damit beschäftigt und brauchen lediglich noch Hilfe beim Erfassen des großen Kontexts oder wollen ganz konkrete Fragen klären. Frühen kamen die Menschen teilweise zu uns und hatten überhaupt keine Ahnung.“

Martina Reichert-Stettner gibt an, sich mit den diversen Online-Angeboten nicht näher beschäftigt zu haben. Ihrer Ansicht nach kann eine Software oder eine KI die Lebensumstände eines Menschen nicht ausreichend erfassen. „Das geht nur in einem persönlichen Gespräch, denn selbst da erfahre ich vieles, das wichtig ist, eher zufällig in einem Nebensatz“, erklärt sie. „Die Menschen gehen meist grundsätzlich davon aus, dass etwas für die Steuer nicht relevant ist und geben es bei der Abfrage zunächst nicht an. Das ist zum Beispiel beim Pflegepauschbetrag so oder beim Behindertenausweis mit 20 Prozent.“

Lässt sich daraus folgern, dass es grundsätzlich lohnend ist, sich die Arbeit einer Steuererklärung zu machen? Das könne man so nicht sagen, widerspricht Martina Reichert-Stettner. Hat beispielsweise ein nicht abgabepflichtiger Arbeitnehmer der Steuerklasse 1 ohne Nebeneinkünfte keinerlei zusätzliche absetzbare Kosten, etwa durch Fortbildungen oder den Arbeitsweg, kann es im ungünstigsten Fall sogar passiert, dass der Lohn für die Mühe eine Steuernachzahlung ist. Das sei zwar sehr selten, hänge aber letztlich von vielen Faktoren ab, so Reichert-Stettner. „Pauschal kann man im Steuerrecht gar nichts sagen.“

Hilfe bei der Steuererklärung
Relevante Rechtsänderungen

Ab 2023 Rechtsänderungen, die seit 2023 gelten und damit für die aktuelle Steuererklärung Relevanz haben, sind laut Sandra Kümmerlen unter anderem der Nullsteuersatz für kleine Fotovoltaikanlagen, die Erhöhung des Sparer-Pauschbetrags auf 1000 Euro beziehungsweise 2.000 Euro bei Zusammenveranlagung, die Erhöhung der linearen Abschreibung für Gebäude auf drei Prozent bei Fertigstellung ab 2023 und die Neuregelung der Homeoffice-Tätigkeit: Die Jahrespauschale für ein häusliches Arbeitszimmer beträgt nun 1260 Euro, wenn es der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit ist. Wenn kein Arbeitszimmer vorhanden ist, liegt die Tagespauschale bei sechs Euro.

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Erstellt:
5. Februar 2024, 06:00 Uhr

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