CDU und AfD gewinnen im Rems-Murr-Kreis auf Kosten von Grünen und FDP
Kreistagswahl 2024 Der neue Rems-Murr-Kreistag schrumpft um zwei Sitze auf 89 Kreisräte. Die Christdemokraten und die AfD steigern ihr Ergebnis um jeweils vier Sitze. Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich sorgt bei den Freien für Hochgefühle. Von den Ampelparteien kommt die SPD mit zwei Sitzen weniger noch am glimpflichsten davon.
Von Matthias Nothstein
Rems-Murr. Die CDU nähert sich im Rems-Murr-Kreistag wieder ein wenig alten Zeiten an und kommt bei der Kreistagswahl auf 28,4 Prozent, das sind mehr als fünf Prozent plus. Aber auch die Freien können ihr hervorragendes Ergebnis von 2019 nochmals steigern und schicken 19 Kreisräte ins Gremium, einen mehr als zuletzt. Auch die AfD legt kräftig zu, statt acht stellt sie künftig zwölf Kreisräte. Die kräftigsten Verlierer sind die Grünen, die vier Sitze verlieren, und die Liberalen, die mit drei Sitzen weniger auskommen müssen. Noch schlimmer trifft es die Linken, sie fliegen komplett aus dem Kreistag. Die ÖDP ist unverändert mit zwei Kreisräten vertreten. Insgesamt ist der neue Rems-Murr-Kreistag um zwei Sitze geschrumpft. Die Sitzverteilung ist folgende: CDU 25 Sitze, Freie 19 Sitze, Grüne 12 Sitze, AfD 12 Sitze, SPD 11 Sitze, FDP/FW 8 Sitze und ÖDP 2 Sitze.
Wahlkreis 1 (Backnang) Die größte Veränderung hängt mit der Person von Oberbürgermeister Maximilian Friedrich zusammen. Dieser katapultierte das Ergebnis der Freien von mageren 4,98 Prozent im Jahr 2019 auf 21,80 Prozent. Im gleichen Atemzug musste die CDU den Abgang ihres Zugpferdes Frank Nopper verkraften. Der frühere Oberbürgermeister hatte den Christdemokraten vor fünf Jahren als Stimmenkönig zu der satten Mehrheit von 37,5 Prozent verholfen. Jetzt lag es an den zwei Top-Kandidaten aus dem Gemeinderat, die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Ute Ulfert erreichte 10.668 Stimmen und lag damit sogar um 400 Stimmen vor Friedrich. Und auch Rolf Hettichs Ergebnis mit 3846 Stimmen konnte sich sehen lassen. Trotzdem büßte die CDU über sechs Prozentpunkte ein und landete bei 31,34 Prozent. Das drittstärkste Ergebnis fuhr die AfD ein, die ihr Ergebnis mit 16,28 Prozent fast verdoppelte. Die Grünen hingegen verloren entgegen dem sonstigen Trend nur dreieinhalb Prozentpunkte. Die krassesten Verlierer sind SPD und FDP. Während die Liberalen über sechseinhalb Prozentpunkte einbüßten, waren es bei den Sozialdemokraten knapp sechs Punkte. Dabei ist zu beachten, dass die SPD ihr einstiges Zugpferd Gernot Gruber verloren hat. Vor fünf Jahren gingen über 7400 Stimmen allein auf das Konto des rührigen Landtagsabgeordneten.
Wahlkreis 11 (Murrhardt, Sulzbach an der Murr, Oppenweiler, Großerlach, Spiegelberg) Fast fünf Prozentpunkte mehr als 2019 sammelte die CDU. Die beiden Spitzenmänner sind Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner und Christoph Jäger aus Großerlach. Wobei letzterer im Vergleich zu 2019 nicht mehr Bürgermeister ist. Aber auch ohne „Amtsbonus“ steigerte Jäger sein Ergebnis um beeindruckende 1067 Stimmen. So distanzierte die CDU mit 37,2 Prozent alle anderen Listen. Die Freien blieben mit 18,6 knapp vor der AfD mit 16,2 Prozent. Edgar Schäf holte für die SPD einen Sitz per Ausgleichsmandat.
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Wahlkreis 12 (Aspach, Weissach im Tal, Auenwald, Allmersbach im Tal, Althütte, Kirchberg an der Murr) Dass Reinhold Sczuka für die CDU die meisten Stimmen einsackt, war unzweifelhaft. Neue zweite Kraft ist der Oppenweiler Arzt Jens Steinat, der aus dem Stand 7668 Stimmen zum Erfolg der Christdemokraten beisteuerte. Den dritten CDU-Platz holte Jörg Schaal per Ausgleichsmandat. Bei den Freien waren zwei Bürgermeisterinnen Spitzenreiter: Patrizia Rall aus Allmersbach im Tal und Sabine Welte-Hauff aus Aspach, die über einen Ausgleichssitz den Einzug schaffte. In diesem Wahlkreis fehlten gleich drei frühere Zugpferde. Bei den Freien war der Weissacher Rathauschef Ian Schölzel nicht mehr angetreten. Aber auch die anderen Listen mussten ohne ihre Zugpferde auskommen. Bei der SPD war Jürgen Hestler nicht mehr angetreten, bei der FDP/FW Gudrun Wilhelm. Dort füllte Daniel Bogner jedoch die Lücke mehr als aus. Der Weissacher Rathauschef kam aus dem Stand auf 5.264 Stimmen. Die AfD hat es in diesem Wahlkreis sogar geschafft, zwei Kreisräte zu entsenden. Das sind Maximilian Löbel und Klaus Drexler (Ausgleichssitz).
Umland Im Wahlkreis 2 (Fellbach) liegt die CDU mit 21,3 Prozent nur knapp vor der FDP (20,8). Die AfD kommt auf 10,5 Prozent. Im Wahlkreis 3 (Schorndorf) ist die CDU mit 30 Prozent großer Gewinner mit einem Plus von acht Prozentpunkten. Die SPD ist auch in der Zeit nach OB Klopfer mit 17,4 Prozent stark. Im Wahlkreis 4 (Waiblingen) steigert sich die CDU von 20,8 auf 29,7 Prozent, die AfD kommt auf 11,9 Prozent, im Wahlkreis Weinstadt nur auf 9,1 Prozent.
Von Matthias Nothstein
Wer bekannt ist, der wird gewählt. Das hat diese Wahl wieder einmal eindrucksvoll bewiesen. In vielen Wahlkreisen geht bei den Spitzenkandidaten auf den einzelnen Listen kein Weg an den (Ober-)Bürgermeistern vorbei. Das eindruckvollste Beispiel: Vor fünf Jahren holte OB Frank Nopper sagenhafte 16678 Stimmen und die Freien spielten keine Rolle im Wahlkreis Backnang. Nun, fünf Jahre später, hat Noppers OB-Nachfolger Maximilian Friedrich kein Parteibuch und verfünffacht nahezu das Ergebnis der Freien. In den anderen Kommunen ein ähnliches Bild. Etwa im Wahlkreis 12. Reinhold Sczuka, Patrizia Rall, Sabine Welte-Hauff oder Daniel Bogner – wann immer ein Bürgermeister bei der Kreistagswahl antritt, wird er nahezu automatisch gewählt.
Die zweite Erkenntnis ist, dass auch die Kommunalpolitiker extrem an der Bundespolitik gemessen werden. Der Zugewinn der AfD ist als eine Abrechnung mit den etablierten Parteien zu verstehen. Auch wenn kein Kreisrat aus Murrhardt oder Althütte Schuld trägt am vermurksten Heizungsgesetz oder an den Belastungen durch die Flüchtlingskrisen – die Wähler stellen ihm trotzdem einen Denkzettel aus. Die Arbeit im Kreistag macht dies nicht einfacher.
Auffallend ist, wie stark die Wahlbeteiligung zugenommen hat. Von 48,9 Prozent vor zehn Jahren auf jetzt fast 61 Prozent. Es hieß einmal, eine geringe Wahlbeteiligung begünstigt die Extreme, weil diese ihr Wahlvolk immer mobilisieren. Dann würde das Abschneiden der AfD noch mehr Gewicht haben. Ich denke lieber positiv: Die hohe Wahlbeteiligung zeigt, dass die Bürger gerade in schwierigen Zeit zu schätzen wissen, wie wertvoll es ist, wählen zu dürfen.
m.nothstein@bkz.de