Zwei neue Listen im Backnanger Gemeinderat
Die Junge Liste Backnang holt auf Anhieb zwei Sitze, die Bürgerstimme Backnang gewinnt einen Sitz. Auch die AfD kann deutlich zulegen und stellt künftig vier Stadträte. Stärkste Fraktion bleibt weiterhin die CDU. SPD und Grüne verlieren jeweils einen Sitz.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Es dauert lange, bis das Ergebnis endlich feststeht. Erst nach 17 Uhr trudeln die Zahlen aus den beiden letzten Wahlbezirken ein. Die werden bereits mit Spannung erwartet. „Das ist schlimmer als jeder Krimi“, stöhnt Charlotte Klinghoffer, die die Auszählung zusammen mit einigen anderen Mitgliedern des Gemeinderats im Bürgerhaus verfolgt. Denn die voraussichtliche Sitzverteilung ändert sich im Lauf des Nachmittags immer wieder. So wandert zunächst ein Sitz von der SPD zur Christlichen Initiative Backnang, dann kurzzeitig zum Bürgerforum Backnang und schließlich zur AfD, wo er am Ende auch bleibt.
Damit ist klar: Die AfD, die 2019 erstmals in den Gemeinderat eingezogen war, schickt künftig vier Vertreter ins Gremium und damit genauso viele wie SPD und Grüne, die jeweils einen Sitz verlieren. Im fernen Gran Canaria, wo AfD-Stadtrat Michael Malcher und seine Frau Betty gerade Urlaub machen, sorgt diese Nachricht für große Freude. „Ich hätte nicht damit gerechnet, vor allem wenn man bedenkt, dass wir nur 16 Kandidaten auf unserer Liste hatten“, jubelt Michael Malcher am Telefon. Das gute Wahlergebnis sieht er auch als Bestätigung seiner Arbeit: „Die Bürger haben entschieden, dass wir im Gemeinderat eine gute Politik gemacht haben.“
Ute Ulfert holt noch mehr Stimmen als 2019
Stärkste Fraktion bleibt aber weiterhin die CDU, die trotz leichter Stimmenverluste ihre sieben Sitze verteidigen kann. Ute Ulfert ist auch wieder mit weitem Abstand Stimmenkönigin. Die Fraktionschefin kommt auf 16.166 Stimmen – das sind noch einmal rund 700 mehr als bei der Wahl 2019.
Auch das Bürgerforum Backnang, das diesmal ohne Unterstützung durch die FDP angetreten war, behält seine drei Sitze. Neben Charlotte Klinghoffer und ihrem Mann Jörg Bauer sitzt künftig Ralf Michelfelder, der ehemalige Präsident des Landeskriminalamts, im Gemeinderat. „Ich bin sehr froh, dass er reingekommen ist, denn er bringt sehr viel Know-how und auch die nötige Zeit mit“, freut sich Klinghoffer.
Der neue Backnanger Gemeinderat
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Ausgelassene Stimmung herrscht auch bei der Jungen Liste Backnang, die auf Anhieb zwei Sitze im Gemeinderat erobern kann. „Das ist ein sehr cooles Ergebnis“, freut sich der künftige Stadtrat Axel Bauer. Sein Ziel sei es nun, „die Sicht der jungen Leute in die Backnanger Kommunalpolitik einzubringen“, sagt der Enkel von Alt-Stadtrat Alfred Bauer. Die Liste hatte ihren Wahlkampf vor allem auf Social Media geführt und damit offensichtlich die junge Wählerschaft erreicht.
Zu den Wahlverlierern gehören, wie auch bei der Europawahl, die Grünen. Die Enttäuschung hält sich bei Fraktionschef Willy Härtner allerdings in Grenzen: „Ich hatte damit gerechnet, dass wir einen Sitz verlieren.“ Bereits zum zweiten Mal in Folge büßt auch die SPD-Fraktion einen Sitz ein. „Das ist schon enttäuschend“, erklärt Fraktionschef Heinz Franke, der gehofft hatte, mit den Persönlichkeiten vor Ort dem negativen Parteitrend trotzen zu können. Franke hadert aber auch mit dem Auszählverfahren, das kleinere Listen begünstige. So holte die Bürgerstimme Backnang mit 2,2 Prozent der Stimmen einen Sitz, die SPD kam mit 16,2 Prozent auf vier. Pech hatte bei der Sitzverteilung auch die Christliche Initiative: 5,79 Prozent reichten diesmal nur für einen Sitz, die Junge Liste holte mit 5,83 Prozent hingegen zwei.
Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich hofft auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem neuen Gemeinderat. Allerdings weiß er auch, dass unter den neuen Stadträten streitbare Charaktere sind. Zum Beispiel Andreas Brunold, der sich in der Vergangenheit immer wieder mit der Stadtverwaltung angelegt hatte. „Die Rolle der Sitzungsleitung könnte jetzt noch wichtiger werden“, vermutet der OB.
Von Kornelius Fritz
Gemeinderatswahlen sind Persönlichkeitswahlen. Diesen Satz hört man von Kommunalpolitikern immer wieder, aber er stimmt nur zum Teil. In einem Dorf, wo fast jeder jeden kennt, mag das so sein, aber schon in einer Stadt von der Größe Backnangs geht diese Rechnung nicht mehr ganz auf.
Zwar gibt es auch hier stadtbekannte Persönlichkeiten, die durch ihren Beruf oder ihre Ehrenämter verlässliche Garanten für eine hohe Stimmenzahl sind. Aber auch auf kommunaler Ebene spielen bundespolitische Trends eine Rolle. Das zeigt auch das Ergebnis der Backnanger Gemeinderatswahl: Dass die AfD zwei Sitze hinzugewinnen konnte, verdankt sie wohl weniger ihrer kommunalpolitischen Arbeit vor Ort als vielmehr dem bundesweiten Höhenflug ihrer Partei. Umgekehrt gilt dies auch für SPD und Grüne.
Was auffällt, ist zudem, dass die Wählerschaft ungern Experimente macht: Egal, wen die Parteien und Wählervereinigungen aufstellen, gewählt werden in den meisten Fällen die amtierenden Stadträtinnen und Stadträte. Das sorgt einerseits für Kontinuität und Erfahrung im Gremium, führt aber andererseits dazu, dass der Gemeinderat immer älter wird. Von den 26 gewählten Personen ist die Hälfte bereits über 60, lediglich drei sind jünger als 40. Zwei von ihnen haben es auf der „Jungen Liste Backnang“ in das Gremium geschafft. Hoffentlich werden sie die Anliegen ihrer Generation dort auch selbstbewusst vertreten. Denn ein wenig frischer Wind würde dem Backnanger Gemeinderat sehr guttun.
k.fritz@bkz.de
Abgewählt Von den 26 Mitgliedern des bisherigen Gemeinderats werden 18 auch dem neuen Gremium angehören. Nicht wiedergewählt wurden Willy Lachenmaier (Grüne), Pia Täpsi-Kleinpeter (SPD), Meike Ribbeck (Christliche Initiative), Volker Dyken (Backnanger Demokraten) und Erdal Demir (Bündnis Deutscher Bürger). Nicht mehr kandidiert hatten Gerhard Ketterer (CDU), Juliana Eusebi (Grüne) und Karl Scheib (Bürgerforum Backnang).
Neu gewählt Unter den acht neuen Stadträten sind zwei Rückkehrer: Volker Schwarze (CDU) gehörte dem Gremium bereits bis 2019 an, Andreas Brunold (Bürgerstimme Backnang) war in den 1990er-Jahren schon einmal Stadtrat, damals noch für die SPD. Zum ersten Mal mit dabei sind Ingrid-Matano Kress (Grüne), Steffen Balz, Artur Gerg (beide AfD), Ralf Michelfelder (Bürgerforum Backnang) sowie Axel Bauer und Silvan Vollmer (beide Junge Liste Backnang).