Die Straßenfest-Frau erwacht erstmals zum Leben
Von den Plakaten aus beobachtet sie das bunte Treiben bereits seit dem ersten Straßenfest, nun wird sie erstmals lebendig. Gleich vier Frauen werden sie abwechselnd verkörpern. Ihre Mission: Die Besucher sollen sich noch mehr mit dem Event und den Akteuren identifizieren können.
Von Carolin Aichholz
Backnang. So richtig wusste keine der vier Frauen, was auf sie zukommt, als sie sich für den neu geschaffenen Job der ersten Straßenfest-Frau beworben haben. „Aber das Straßenfest gehört einfach jedes Jahr zum Pflichtprogramm“, sagt Lisa Reber. „Eigentlich nehme ich mir immer Freitag und Montag frei und bin fast immer dort.“
In diesem Jahr ist sie allerdings montags nicht privat, sondern in besonderer Mission unterwegs: Im Kostüm und mit ausladender Perücke in Lila und Orange repräsentiert sie das Straßenfest, schwätzt mit Besuchern und steht für Fotos bereit. Sie oder eine ihrer drei Mitstreiterinnen werden bei besonderen Anlässen auf den Bühnen dabei sein und Oberbürgermeister Maximilian Friedrich beim Straßenfest-Rundgang begleiten.
Die Idee stammt von der überwiegend weiblichen Belegschaft des Kultur- und Sportamts der Stadt, dem auch das Festivalbüro angehört. „Alle unsere FSJ-ler betreuen ein eigenes Straßenfest-Projekt. So entstanden das inzwischen bewährte Entenrennen und die Schülerbefragung zum Straßenfest. Und in diesem Jahr wird eben die Straßenfest-Frau das Licht der Welt erblicken“, sagt Laura Reich vom Kultur- und Sportamt. Die Figur sei von den Engeln inspiriert, die über den Weihnachtsmarkt schlendern. Sie hat zudem einen historischen Hintergrund, denn das Vorbild ist seit der ersten Ausgabe im Jahr 1971 mit wallender Mähne dabei und seitdem auf den Werbetafeln für das Straßenfest zu finden.
Vom Plakat hat sie es nun aufs Festgelände geschafft. 19 Frauen haben sich insgesamt auf einen Aufruf des Festivalbüros gemeldet. Vor allem in den sozialen Medien hat der Aufruf die Runde gemacht. „Meine Freunde haben mir den Aufruf geschickt und mir gesagt, ich soll mich unbedingt bewerben, der Job wäre wie für mich gemacht“, sagt Lisa Reber und lacht. Die Bewerbung lief sehr unkompliziert ab. „Wir haben nur den Namen, ein kurzes Motivationsschreiben und unser Instagram-Profil als Bewerbung angegeben“, sagt Melissa Dangelmaier. Alle vier haben sich beworben, weil sie das Straßenfest seit eh und je kennen und lieben.
Es ist eine Ehre, die Ersten zu sein
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Bei der Auswahl haben die „Juroren“ möglichst großen Wert auf die Vielfalt der Bewerberinnen gelegt. So fiel die Wahl auf die 19-jährige Jule Feil, die 37-jährige Katrin Aulehla und die beiden 30-jährigen Lisa Reber und Melissa Dangelmaier. Die Bewerberinnen mussten volljährig sein und aus dem Backnanger Umland kommen.
„Je vielfältiger und bunter die Frauen sind, desto lieber wäre es uns natürlich“, erklärt Laura Reich. „Immerhin soll sich jede Frau, die das Fest gerne besucht, mit unserer Figur identifizieren können.“ Eher nicht optisch, denn da fallen das Kostüm und vor allem die übergroße, selbst hergestellte Perücke mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überall auf, wo sich die Trägerin aufhalten wird. Die Perücke wurde übrigens aus Schaumstoffstreifen gebastelt.
„Und sie ist sehr leicht“, freut sich Jule Feil beim Anprobieren. Die Straßenfest-Frauen sind aber nicht bloß Maskottchen, das betonen ihre Schöpferinnen. Vielmehr soll die Figur endlich eine Plattform bekommen, um sich selbst und ihre Bedeutung für das Fest zu repräsentieren. Für die vier Frauen ist das eine große Ehre, vor allem da sie die allerersten Würdenträgerinnen sind. „Ich freue mich schon darauf, angesprochen zu werden, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und Fotos zu machen“, sagt Melissa Dangelmaier. Wie ihre neuen Kolleginnen auch ist sie wahnsinnig gespannt auf das, was auf sie zukommt und was sie in ihrer Rolle erleben wird.
Die Sorge, dabei als Objekte oder hübsche Anhängsel degradiert zu werden, haben die Frauen sowie ihre Schöpferinnen und Schöpfer nicht. „Es sollte ja inzwischen allen klar sein, dass Frauen nicht bloß Deko sind“, sagt Katrin Aulehla.
In den Diskussionen mit den Ausschüssen und im Gemeinderat hätte die Straßenfest-Frau jedoch fast ihre geschlechtliche Identität eingebüßt. „Da die Rolle sehr inklusiv sein sollte, haben sich manche auch einen Straßenfest-Mann gewünscht“, berichtet Laura Reich. „Uns war vor allem vor dem historischen Hintergrund aber wichtig, den Job Frauen zu geben. Und sie haben dabei ja auch eine Aufgabe: Sie sollen eine Verbindung herstellen zwischen den Besuchern und dem Straßenfest als Institution.“