Jugendliche möchten in den Backnanger Gemeinderat

Kommunalwahl 2024 Nach einer Gesetzesänderung dürfen erstmals auch Jugendliche ab 16 Jahren gewählt werden. In Backnang sind drei Minderjährige für den Gemeinderat aufgestellt. Werden sie gewählt, kann das künftige Sitzungen beeinflussen.

Maren Hoek (links) und Flora Theres Rühle sind beide 16 Jahre alt und kandidieren für den Backnanger Gemeinderat. Foto: Alexander Becher

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Maren Hoek (links) und Flora Theres Rühle sind beide 16 Jahre alt und kandidieren für den Backnanger Gemeinderat. Foto: Alexander Becher

Von Carolin Aichholz

Backnang. Erstmals können bei den Gemeinderatswahlen am 9. Juni auch Jugendliche ab 16 Jahren nicht nur das aktive, sondern auch das passive Wahlrecht wahrnehmen und selbst als Stadtrat oder Stadträtin kandidieren (siehe Infotext). In Backnang stellen sich zwei Kandidatinnen und ein Kandidat unter 18 Jahren zur Wahl für den Gemeinderat. In den umliegenden Gemeinden sind keine Minderjährigen aufgestellt.

Flora Theres Rühle ist im April 16 Jahre alt geworden und ist damit die jüngste Kandidatin. Sie denkt, dass Backnang von dem frischen Wind im Gemeinderat nur profitieren kann. „Da steckt viel Potenzial drin, auch Jüngere mit ins Boot zu holen“, sagt Rühle. Sie steht passenderweise auf der „Jungen Liste Backnang“. Die Schülerin des Tausgymnasiums kennt die Initiatoren der Liste bereits von anderen gemeinsamen Projekten. „Ich war von der Idee, selbst zu kandidieren, eigentlich gleich begeistert“, sagt Theres Rühle. „Vor allem zusammen mit Leuten, mit denen ich mich privat gut verstehe.“

Sie wollen der jüngeren Generation eine Stimme geben

Bei einigen Sitzungen des Gemeinderats war sie bereits als Zuschauerin dabei und konnte sich die Diskussionskultur live anschauen. „Und ich finde es schön, zu sehen, wie dort die unterschiedlichen Parteien und Gruppen miteinander in den Dialog treten“, sagt Theres Rühle.

Ihre Altersgenossin Maren Hoek steht auf der Liste der „Christlichen Initiative Backnang“ (CIB). Die Auszubildende für Fachinformatik im Bereich Anwendungsentwicklung ist bereits bei der DLRG als Jugendvorstand aktiv. Dort setzt sie sich bereits für die Belange von Kindern und Jugendlichen ein, das möchte sie nun auch im Gemeinderat tun. Den Anstoß dazu gab ihr Vater, der ebenfalls für den Gemeinderat kandidiert. Er hat sie dazu animiert, seinem Beispiel zu folgen. „Politik fand ich schon immer interessant und ich möchte auch gegen das Klischee der politikverdrossenen Jugend arbeiten“, sagt Maren Hoek. „Denn nach meiner Erfahrung interessieren sich viele junge Menschen dafür.“

Theres Rühle sieht es nun auch als ihre Aufgabe, bei eher weniger politisch interessierten Jugendlichen das Interesse zu wecken und ihnen die Möglichkeit zur Teilhabe näherzubringen. Zudem möchte sie den Sorgen und Wünschen ihrer Altersgenossen Gehör schenken und ihnen im Gemeinderat eine Stimme geben. „Immerhin werden dort auch Entscheidungen über unsere Zukunft getroffen“, sagt Theres Rühle. Ihre Klassenkameraden und ihr privates Umfeld habe darum nur positiv auf ihre geplante Kandidatur reagiert. „Als sie gehört haben, dass ich mich für den Gemeinderat aufstellen lasse, waren alle beeindruckt und sehr daran interessiert“, sagt die Schülerin.

Die sozialen Medien als wichtigste Plattform

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Im Wahlkampf setzt sie vor allem auf die sozialen Medien. Dort sieht sie am meisten Chancen, mit Altersgenossen in Kontakt zu kommen. „Dort kann man auch auf dem kurzen Weg Kontakt zu ihnen aufnehmen“, so Rühle, die auf einen direkten Austausch mit ihren potenziellen Wählern viel Wert legt. Ein Zeitproblem für den Fall, dass sie tatsächlich gewählt werden sollte, sieht sie dabei nicht. „Ich bin sehr gut in Zeitmanagement. Die Schule geht natürlich vor und der Sport spielt auch eine wichtige Rolle. Aber ich bin davon überzeugt, dass ich das alles unter einen Hut bekomme“, ist sich Rühle sicher.

Für Maren Hoek ist die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Generationen im Gemeinderat ein großes Anliegen. „Wir Jungen können unsere Sichtweise mit einbringen, aber gleichzeitig von vielen Erfahrungen der Älteren profitieren“, findet die Auszubildende. Darum schätzt sie ihre Liste mit ganz unterschiedlichen Altersklassen und Berufsgruppen sehr für ihre Vielfältigkeit. Sie nutzt ebenfalls die sozialen Medien, geht in ihrem Wahlkampf jedoch auch noch klassisch am Infostand auf die Bürgerinnen und Bürger zu.

Tatsächlich in den Gemeinderat gewählt zu werden, wäre ein schöner Erfolg für die noch 16-Jährige, doch sie sieht auch den Weg bereits als Ziel. „Den Wahlkampf mitzuerleben und so viele Menschen dazu zu bringen, sich mit der Kommunalwahl auseinanderzusetzen, ist auch schon ein Gewinn“, findet Hoek.

Ebenfalls zur Wahl steht Kewin Osika, der zum Fototermin leider keine Zeit hatte. Der 17-jährige Schüler steht auf der Liste der Backnanger Demokraten. Wie wichtig ihm ehrenamtliches und politisches Engagement ist, zeigt sein Mitwirken im Vorstand des Backnanger Juze. Er rechnet jedoch nicht unbedingt mit einem Platz im Gemeinderat. „Vielmehr möchte ich mich für eine Liste einsetzen, hinter deren Politik ich stehe“, sagt Kewin Osika, der neben der Schule noch in der Gastronomie jobbt.

Werden die minderjährigen Kandidaten tatsächlich in den Gemeinderat gewählt, könnte das den Verlauf der Sitzungen durchaus beeinflussen. Wegen des Jugendschutzes müssten die U-18-Stadträte die Möglichkeit bekommen, um 22 Uhr wieder zu Hause zu sein, wie Verwaltungsdezernent Timo Mäule bestätigt. Das könnte den Verlauf einiger Sitzungen beeinflussen, die aktuell im Regelfall bis 22 Uhr dauern. In Ausnahmefällen wird jedoch auch gerne mal bis 23 Uhr diskutiert.

BKZ-Wahlportal Viele Kandidatinnen und Kandidaten der unterschiedlichen Parteien und Listen (in Backnang und den umliegenden Gemeinden) haben sich bereits in unserem Online-Wahlportal unter wahlen.bkz.de registriert. Hier können sich die Wählerinnen und Wähler näher zu den Wahlinhalten der Kandidierenden informieren.
Die gesetzlichen Altersanpassungen bei Wahlen

Kommunalwahlen Im März 2023 hat der Landtag beschlossen, das Wahlalter zu liberalisieren und auf Jugendliche ab 16 Jahren auszuweiten. Baden-Württemberg ist das erste Bundesland mit dieser Regelung. Die Befürworter wollten Jugendlichen mehr Teilhabe ermöglichen. Gegner der Reform kritisierten die Etablierung von „Räten erster und zweiter Klasse“. Jugendliche dürfen nämlich nicht alle Aufgaben eines Rats erfüllen, etwa stellvertretender Bürgermeister werden. Bei den Wahlen am 9. Juni können sie nun jedoch als Gemeinde-, Ortschafts- und Kreisräte gewählt werden.

Bürgermeister Anders als vor der Reform können Bürger nicht mehr ab 25, sondern bereits ab 18 Jahren Bürgermeister werden. Zudem dürfen Kandidaten zum Zeitpunkt ihrer Kandidatur auch älter als 67 Jahre sein. Amtsinhaber müssen zudem nicht mehr mit 73 Jahren ihr Amt abgeben.

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Erstellt:
14. Mai 2024, 06:00 Uhr

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