Kein Public Viewing beim Straßenfest
Während viele Vereine auf ihren Veranstaltungen gemeinsames Fußballschauen anbieten, gibt es am Straßenfest nur Übertragungen an einzelnen Ständen. Restaurants und Bars bieten Alternativen, um gemeinsam Fußball zu erleben.
Von Andreas Ziegele
Backnang. Der Kader der deutschen Nationalmannschaft steht fest und am 14. Juni beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Die Spiele sind nahezu ausverkauft und so werden Public-Viewing-Veranstaltungen wieder eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, die Spiele gemeinsam zu sehen und zu erleben – lautstark und mit Emotionen. Doch wo kann man das in Backnang und Umgebung? Wir haben uns umgehört.
Straßenfest Einer der Höhepunkte dabei war bei den vergangenen Welt- und Europameisterschaften das Public Viewing auf dem Backnanger Stiftshof während des Straßenfests. In diesem Jahr findet am Festtagssonntag das Vorrundenspiel der deutschen Mannschaft gegen die Schweiz statt. Ein Spiel, das viele nicht verpassen wollen. Ähnlich wie das Spiel am Montag zwischen Kroatien und Italien. Wer sich nun darauf gefreut hat, dass sich diese Erlebnisse wiederholen, wird enttäuscht sein. Public Viewing am Straßenfest – egal ob auf dem Stiftshof oder wie 2018 zusätzlich auf dem Marktplatz – wird es weder am Sonntag noch an den anderen Festtagen geben. „Am Stiftshof ist kein Public Viewing geplant“, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Dabei hätte sich der besucherschwache Sonntag angeboten, um mehr Menschen als üblich in die Innenstadt zu locken. „Für ein Public Viewing im Rahmen des Straßenfests wären die Auflagen, insbesondere in Bezug auf Sponsoren, nicht umsetzbar“, sagt Johannes Ellrott, der Leiter des Kultur- und Sportamts. „Da die Bühnen und auch das gesamte Gelände mit unseren Straßenfest-Sponsoren entsprechend beschildert sind“, so Ellrott weiter, ist hier aus Sicht des Europäischen Fußballverbands Uefa eine Lizenz erforderlich (siehe Infotext). „Die Auflagen wurden geprüft und es wurde gemeinsam mit dem Straßenfest-Ausschuss beschlossen, dass es kein Public Viewing auf dem Stiftshof geben wird“, wie der Kultur- und Sportamtsleiter weiter erklärt. Ganz fußballfrei wird es beim diesjährigen Straßenfest nicht bleiben. An insgesamt neun Ständen besteht die Möglichkeit, die Spiele auf Großbildschirmen oder Videoleinwänden zu sehen, wie die Stadt Backnang mitteilt.
Backnang Öffentliche Public-Viewing-Veranstaltungen außerhalb des Straßenfests sind von der Stadt Backnang ebenfalls nicht geplant. „Es gibt bislang auch keine Anfragen nach Public-Viewing-Veranstaltungen außerhalb des Straßenfest-Geländes“,sagt die Leiterin des Rechts- und Ordnungsamts, Gisela Blumer, auf Nachfrage.
Murrhardt Auch in Murrhardt wird es fußballerisch eher ruhig bleiben. Laut Bürgermeister Armin Mößner ist kein offizielles Public Viewing geplant. Offizielle Anträge von Vereinen oder anderen Institutionen liegen der Stadt nicht vor. „Wir wissen aber, dass einzelne Gastronomiebetriebe und Vereine insbesondere die Spiele der deutschen Mannschaft übertragen werden“, sagt Mößner. Sonderregelungen zu Sperrzeiten und Ähnlichem wird es nicht geben: „Die Sperrzeiten sind ja von der Regierung gelockert worden. Hier fehlen uns aber noch Details. An diesen werden wir uns dann orientieren. Für die Außengastronomie werden wir versuchen, im Einzelfall eine Lösung zu finden.“
Vereine Gemeinsam mitfiebern, jubeln und sich nach einem Tor in die Arme fallen ist auch an einigen Orten rund um Backnang möglich. Im Vergleich zu den Turnieren der vergangenen Jahre gibt es jedoch deutlich weniger Möglichkeiten, bei denen man gemeinsam schauen kann. Beim SV Unterweissach ist Public Viewing fast schon Routine. Während sonst auf dem Rathausplatz gefeiert wurde, ist es diesmal das Gelände rund um das Vereinsheim am Sportplatz. „Wir werden alle Spiele der deutschen Mannschaft zeigen“, sagt Sportvorstand Ralf Noack. Wie es nach der Vorrunde weitergeht, steht noch nicht fest. „Wir planen die Veranstaltung auf einer Großleinwand im Freien, sind aber auch vorbereitet, wenn das Wetter nicht mitspielt“, sagt er.
Anders sieht es beim SV Allmersbach aus: „Wir werden kein Public Viewing veranstalten“, sagt Sportvorstand Günter Schaeffler und verweist auf das Wiesenfest am 14. und 15. Juni. Dort ist das Eröffnungsspiel der deutschen Mannschaft gegen Schottland am Freitagabend fester Bestandteil des Programms. Schon vor dem Spiel wird es hoch hergehen. Ein DJ sorgt dafür, dass alle Zuschauer zum Anpfiff in bester Stimmung sind.
Dass es ohne Fußball nicht geht, weiß man auch beim Musikverein Reichenberg. Der Verein feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Am Sonntag, 14. Juli, wird im Schlossgarten in Oppenweiler das Finale der Europameisterschaft auf Videowand übertragen. Natürlich hoffen die Veranstalter, dass die deutsche Mannschaft an diesem Tag den Europameistertitel holt. Alle Spiele, alle Tore heißt es dagegen bei der SG Oppenweiler Strümpfelbach. „Im Biergarten und im Vereinsheim im Rohrbachtal in Oppenweiler werden alle EM-Spiele zu sehen sein“, verspricht der Vereinsvorsitzende Alexander Stoppel
Gastronomie In Backnang bieten verschiedene Gastronomen die Möglichkeit, die Spiele zu verfolgen. Unter anderem zeigt das Merlin in der Eberhardstraße alle Spiele der deutschen Nationalmannschaft. „Wir werden aber auch auf dem Straßenfest an unserem Stand zwei Fernseher haben und dort von Freitag bis Montag alle Spiele zeigen“, sagt Christos „Taki“ Kiroglu. Auch die anderen Spiele können im Merlin geschaut werden. „Sofern sie während unserer Öffnungszeiten stattfinden“, so der Merlin-Wirt. Im Kick&Rush in der Wilhelmstraße gibt es während der Europameisterschaft alle Spiele live zu sehen. Das volle Programm bietet die Bar „das Wohnzimmer“ im Biegel. „Wir werden die Spiele sowohl im Innen- als auch im Außenbereich zeigen“, sagt Inhaber Alexander Lisson. Sollten Spiele außerhalb der Öffnungszeiten stattfinden, will Lisson sehr flexibel sein. „Wenn Deutschland nachmittags spielt, haben wir auch geöffnet“, verspricht er. Dafür will er sowohl Bildschirme als auch Leinwände im Bereich der Bar einsetzen. Auch ein Rahmenprogramm mit DJs und zum Beispiel Torwandschießen ist geplant. Noch nicht festgelegt hat sich das Fancy am Obstmarkt. „Wir werden im Lauf der Woche entscheiden, ob und was wir dazu anbieten“, sagt Inhaber Daniel Mendes Rodrigues.
Privatveranstaltungen Neben den mittleren und großen Veranstaltungen gibt es aber auch kleinere, private Public Viewings, die mittlerweile Tradition haben. Seit der WM 2006 wird in einer Nachbarschaftsgemeinschaft im Seelacher Weg in Backnang bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft gemeinsam gefeiert und getrauert. Nachdem die Nachbarschaft bei der Winterweltmeisterschaft in Katar im Jahr 2022 eine Pause eingelegt hat, laufen nun die Vorbereitungen für eine Fanmeile im Kleinformat. Dazu wird eine Garage ausgeräumt, dekoriert und mit der nötigen Technik ausgestattet. Die Vorfreude bei Jung und Alt ist hier jedenfalls schon jetzt groß.
Autokorsos Ein weiteres Thema während der EM 2024 werden sicherlich wieder die Autokorsos nach den Spielen sein. Die Stadt Backnang wartet hier noch auf einen offiziellen Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg. Die Polizei wird vor Ort sein und gegebenenfalls Straßensperrungen einrichten. „Bei Autokorsos werden wir uns im Vorfeld mit der Polizei abstimmen“, sagt Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner. Grundsätzlich werden Autokorsos in zeitlicher Nähe zu einem Spiel geduldet, so die Auskunft der Polizeidirektion Aalen. Es erfolgt aber eine Absprache mit den jeweiligen Polizeirevieren vor Ort, wie im Einzelfall vorgegangen wird.
Public Viewing Für diese Art der Veranstaltung wurde das deutsche Wort „Rudelgucken“ erfunden, das es sogar in den Duden geschafft hat. Im Amerikanischen bezeichnet das Wort die öffentliche Aufbahrung eines Leichnams, etwa wenn eine prominente Persönlichkeit gestorben ist. Im Englischen ist es eigentlich unbekannt.
Phänomen Mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, dem sogenannten Sommermärchen, begann die Erfolgsgeschichte des Public Viewings. Nachdem der Weltfußballverband Fifa der kostenlosen öffentlichen Übertragung zugestimmt hatte, begannen Städte und Gemeinden, aber auch Vereine und Privatpersonen die Spiele auf Großleinwänden zu übertragen. Mit Ausnahme der WM 2022 in Katar haben sich die Public Viewings seither zu Publikumsmagneten entwickelt.
EM 2024 Grundsätzlich unterliegen die Übertragungen einer Lizenz des europäischen Fußballverbands Uefa. Dabei unterscheidet der Verband zwischen zwei Kategorien: nicht kommerziell und kommerziell. Für beide Kategorien ist eine Lizenz erforderlich. Einzige Ausnahmen sind öffentliche Übertragungen, die als kleine Veranstaltungen gelten, das heißt, die maximale Zuschauerkapazität von 300 Personen darf zu keinem Zeitpunkt überschritten werden und es dürfen keine Eintrittsgelder erhoben oder Sponsoren eingebunden werden. Die Lizenzgebühren betragen zwischen 500 Euro (301 bis 1000 Zuschauer) und 10000 Euro (mehr als 10000 Zuschauer) pro Veranstaltung. Ausführliche Informationen finden sich hier: https://t1p.de/euro24-publicviewing