Trotz Anwesenheitspflicht fehlen manche Räte häufig

Ein Bürger hat die Präsenz der Backnanger Stadträte in den Gemeinderatssitzungen protokolliert. Dabei zeigen sich große Unterschiede.

Bei der Wahl des neuen Dezernatsleiters im März 2023 waren die Tische im Backnanger Gemeinderat gut besetzt.Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Bei der Wahl des neuen Dezernatsleiters im März 2023 waren die Tische im Backnanger Gemeinderat gut besetzt.Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Wer in einen Gemeinderat gewählt wird, darf über wichtige kommunale Themen mitentscheiden. Mit dem Ehrenamt sind aber auch Pflichten verbunden, zum Beispiel eine Anwesenheitspflicht in den Sitzungen. In Baden-Württemberg ist diese in Paragraf 34 der Gemeindeordnung geregelt. In Absatz 3 heißt es dort: „Die Gemeinderäte sind verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen.“

Wenn der Backnanger Gemeinderat tagt, sind trotzdem nur selten alle 26 Plätze besetzt. Das sei aber auch in Ordnung, erklärt Verwaltungsdezernent Timo Mäule, denn es sei zulässig, sich aus „wichtigem Grund“ für eine Sitzung zu entschuldigen. Neben Krankheit akzeptiert die Stadt Backnang auch Urlaubsreisen oder familiäre Verpflichtungen wie zum Beispiel die Teilnahme an einer Beerdigung als Fehlgrund.

Fehlen sollte man nur aus triftigem Grund

Berufliche Termine sind hingegen nur in Ausnahmefällen eine Entschuldigung, denn Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Beschäftigten für die Gremienarbeit freizustellen. „Die Firma muss sie für diese Zeit aber nicht bezahlen, der Verdienstausfall wird dann von der Stadt übernommen“, erklärt Mäule. Auch Selbstständige, die in vielen Gemeinderäten reichlich vertreten sind, müssen sich für die Sitzungen Zeit nehmen. Wer sich zur Wahl stellt, sollte schließlich wissen, worauf er sich einlässt.

Würde ein Mitglied des Gemeinderats in einer Sitzung ohne triftigen Grund fehlen, könnte das Konsequenzen haben. Grundsätzlich könnte die Stadt in solchen Fällen sogar Bußgelder verhängen, sagt Timo Mäule. Das sei in Backnang bisher allerdings noch nicht nötig gewesen.

Weitere Themen

Trotzdem fällt regelmäßigen Sitzungsbesuchern auf, dass einige Stadträtinnen und Stadträte wesentlich häufiger fehlen als andere. Eine offizielle Statistik führt die Stadtverwaltung darüber zwar nicht, dafür hat aber Michael Keil die Anwesenheit protokolliert. Der 54-Jährige aus Steinbach ist einer der wenigen Bürger, die regelmäßig die Sitzungen des Gemeinderats und seiner Ausschüsse besuchen. „Ich interessiere mich dafür, was in Backnang passiert, und möchte auch schauen, was die Leute, die ich gewählt habe, so machen“, erklärt Keil. Auch ihm sind dabei die häufigen Fehlzeiten einiger Gremienmitglieder aufgefallen und so hat er vor drei Jahren damit begonnen, die Präsenz zu protokollieren. Seine private Statistik für die Jahre 2022 bis 2024 hat er nun auf der Homepage der Liste „Bürgerstimme Backnang“ veröffentlicht, für die Keil diesmal selbst für den Gemeinderat kandidiert.

Beim Haushaltsbeschluss fehlt die komplette BfB-Fraktion

Insgesamt 32 Gemeinderatssitzungen fanden in dieser Zeit statt. Dabei fällt auf, dass die vier Mitglieder der Fraktion Bürgerforum/FDP besonders häufig fehlten. Fraktionschefin Charlotte Klinghoffer verpasste 13 Sitzungen, Karl Scheib zwölf, Jörg Bauer und Erdal Demir jeweils zehn. Die Anwesenheitsquote der BfB-Fraktion lag damit nur bei 66 Prozent. Als im vergangenen Dezember der Haushalt beschlossen wurde, fehlte die Fraktion sogar komplett. Bei den anderen Parteien und Listen liegt die Quote wesentlich höher: Spitzenreiter sind die Christliche Initiative Backnang und die Backnanger Demokraten mit 94 Prozent Präsenz, auch CDU, SPD und AfD liegen über 90 Prozent, die Grünen bei 83 Prozent.

Michael Keil sieht seine Statistik als Beleg dafür, „dass mache zwar großes Tamtam machen, aber in den Sitzungen oft gar nicht da sind“. Charlotte Klinghoffer bezeichnet solche Vorwürfe als „Propaganda im Wahlkampf“. Tatsächlich nehme sie sogar an mehr Sitzungen teil als viele andere Stadträte, erklärt die Fraktionschefin. Denn neben dem Gemeinderat gibt es in Backnang auch diverse Ausschüsse und Aufsichtsräte, die regelmäßig tagen. Als Mitglied einer kleineren Fraktion sei sie dabei in deutlich mehr Gremien vertreten als Stadträte aus größeren Fraktionen, wo sich die Arbeit auf mehr Schultern verteilt. „Ich habe 64 Sitzungen im Jahr“, rechnet Klinghoffer vor. Dass sie wegen Urlaub oder Krankheit ab und zu mal eine Gemeinderatssitzung verpasse, sieht sie deshalb nicht als Problem: „Ich denke, wir machen einen guten Job und wir machen das alle ehrenamtlich“, sagt die Unternehmerin.

Die Statistik von Michael Keil zeigt aber auch, wer die Musterschüler im Backnanger Gemeinderat sind. Gerhard Ketterer, Regina Konrad, Sabine Kutteroff (alle CDU) und Heinz Franke (SPD) haben seit 2022 keine einzige Gemeinderatssitzung verpasst, auch Betty Malcher (AfD), die erst im September 2023 nachgerückt ist, war seitdem in jeder Sitzung dabei. Lutz-Dietrich Schweizer von der Christlichen Initiative Backnang hat in drei Jahren nur einmal gefehlt.

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Erstellt:
7. Juni 2024, 09:00 Uhr

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